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Mit Booka Shade, Mark Lanegan, Slowdive, Erasure u.v.m.

Querbeats – Roundup erstes Halbjahr, Teil 2

Gut erholt vom gestrigen Rundumschlag? Inspirationen auf die Kaufliste notiert? Dann kann’s ja weitergehen mit Teil 2 unserer Halbjahresrückwanderung 2017 – April bis Juni, hui, hier stehen sogar 30 Platten bereit:

Den April eröffnen Claire mit ihrem zweiten Album „Tides“. Was die Band selbst dazu zu erzählen hatte, könnt ihr in unserem Interview nachlesen. Das Album selbst mag im ersten Moment als fast zu sauber (und dabei wirklich gut klingend!) produziert durchrauschen, stellt sich letztendlich aber als gelungenes Beispiel modernen Electropops heraus. # Future Islands sind seit jenem berühmten Letterman-Auftritt sehr angesagt, wie man im Frühjahr auf rappelvollen Konzerten erleben durfte. Das liegt sicher auch am Auftreten von Frontmann und Ausdruckstänzer Sam Herring. Aber auch am wunderbar eingängigen Synthiepop (stets mit der gewissen Prise Melancholie gewürzt), der eine ganz eigene Mischung mit Herrings Stimme – wenn man sie denn mag – eingeht. Auch auf „The Far Field“, das mühelos zwölf neue Ohrwürmer aneinander reiht. POP!

Booka Shade sind durch mit den Themen House und Techno. So halbwegs, denn auf ihren Konzerten, das durfte der Rezensent im Frühjahr miterleben, feiern sie die alten Tracks rund um Hits wie „Body Language“ doch immer noch gerne mit dem Publikum ab. Doch für „Galvany Street“ haben sich Arno Kammermeier und Walter Merziger mit Craig Walker (Ex-Archive) und anderen zusammengetan und machen nun deutlich songorientiertere Sachen, die klar in Richtung Synthiepop mit einer Spur Trip-Hop gehen. Und das funktioniert richtig gut! # Noch einen Hauch besser gefällt das nach der Band benannte neue Album von Fujiya & Miyagi. Zusammengesetzt aus drei vorab erschienenen EPs streicheln die Herren aus Brighton wissend durch die Strünke des Krautpop, erweisen Kraftwerk einige Referenzen und zaubern aus ihrem Maschinenpark ein Dutzend wunderbarer Stücke. Und wieder einmal wundert man sich, dass die nicht viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Also: Häufiger mal die Worte „Fujiya & Miyagi“ in Konversationen integrieren!

Zu Hot Chips Joe Goddard und seinem Soloalbum „Electric Lines“ haben wir uns ja schon lobend ausgelassen (ein Interview folgt noch demnächst). Wo wir gerade bei aktueller Clubtauglichkeit sind: Little Dragon schätzen wir spätestens seit dem wunderbaren „Ritual Union“ und ihren Gastbeiträgen bei den Gorillaz sehr. Zwei Alben, diverse Preise und Gastauftritte später ist uns „Season High“ irgendwie ein bisschen durchgerutscht. Sorry! Yukimi Nagano und ihre Schwedenjungs haben es natürlich immer noch drauf – und dass die Produzentenwahl auf James Ford fiel, zeugt auch von, hihi, Spirit. # Apropos Gorillaz. Dass die ein neues Album draußen haben, dürfte bei der allumfassenden Werbekampagne wohl keinem entgangen sein. Darum verweisen wir jetzt lieber auf diesen, jenen oder solchen Artikel, in denen sich unsere Eleni mit einzelnen Stücken aus Damons Albarns gewaltigem Kollaborationsprojekt „Humanz“ beschäftigt hat.

Wir sprachen schon von Kraftwerk-Referenzen. Die gibt es auch, und zwar satt, auf dem neuen Album von DJ Hell zu hören. Nachdem er auf seinem Meisterstück „Teufelswerk“ ja quasi die elektronische Musikgeschichte komplett durchgespielt hatte, geht er auch auf „Zukunftsmusik“ seinen musikalischen Wurzeln auf die Spur. Krautrock, Elektronik der 70er und 80er, Gay Culture, die Anfänge von Techno und House – das lässt sich alles hier wiederfinden, auf wundervoll detailliert ausgearbeiteten Tracks. # Der Mann, der vor Mr. Gahan Stimme der Soulsavers war (und Stimme der Screaming Trees, gelegentlicher Gast der Queens Of The Stone Age etc.). Der Mann, der der Mark Lanegan Band ihren Namen gibt. Der eine der unverwechselbarsten Stimmen hat. Der hat mit „Gargoyle“ nun seiner Diskografie ein neues Highlight hinzugefügt. Der lässt mit seinem Gesang, seiner spukenden Elektronik, seinen angeschmutzten Gitarren, seinen abgründig-seelenvollen Songs auch Gargoyles durch die Nacht tanzen. Wir sprechen uns bei den Jahresbestenlisten wieder! # So, zum Monatsende noch etwas Synthiepop aus England mit einem Songwriter namens Gore. What??? Äh, na gut, Dominic Gore heißt er, nicht verwandt oder verschwägert. Aber Little Cub sollte man sich trotzdem merken, auf der Insel ging das Debüt „Still Life“ gut ab. Zu Recht, denn die schmackhaft produzierten (und auch gut getexteten) Songs haben jede Menge Hitpotential.

Rein in den Mai. Nächste Hitplatte von der Insel, dieses Mal von schon, ja, Altgedienten. Kasabian liefern mit „For Crying Out Loud“ einfach mal Hits für die nächste Party und die nächste Tour. Wieder mit mehr Gitarren und (leider) nicht so elektronisch wie der Vorgänger „48:13“, aber ansonsten gibt es, was man erwartet: Britpop satt (mit ein paar kleinen Überraschungen, dafür sind die immer gut). Und auf die Konzerte im Herbst freuen wir uns sehr. # Sehr gefreut hat uns auch die Rückkehr von Slowdive. Nach 22 Jahren kann man nun ja wohl mal wirklich von einem Comeback sprechen. Da darf das Album dann auch schlicht „Slowdive“ heißen. Shoegaze in Verbindung mit Dreampop, das passt in die Zeit, zumal die Band um Rachel Goswell und Neil Halstead ihren Sound durchaus sachte modernisiert hat. Und mehr braucht es dann auch nicht, wenn man sich für acht (lange) Songs in eine andere (Traum-)Welt begeben darf. Herzzerreißend schönes Album!

Wo wir uns schon heimlich in Richtung Gitarre geschlichen haben, können wir gleich noch Fazerdaze ans Herz legen. Drumcomputer, ein bisschen Synthie und eine Stimme, der man irgendwie die sympathische Frau dahinter – Amelia Murray aus Neuseeland nämlich – anhört. Deren Debüt „Morningside“ ist so knackig kurz, dass man es gleich darauf von vorne hören möchte (und sollte). Und dann nochmal, und plötzlich hat man sich in diese liebenswerte Mischung aus dem Besten der 60er (die Songs) und der 90er (der Sound) verguckt. # Zu „Rouge“, dem zweiten Album von Thomas Azier haben wir uns ja schon höchst lobend ausgelassen (Album des Monats!). Und hier noch das Interview mit ihm (erstmal Teil 1). # Eine Band Dreamcar zu nennen (und das Album gleich dazu), zeugt von Mut zum Klischee. Das setzt sich auch im Sound fort, aber das war auch das Ziel, als sich die Herren von No Doubt (minus Gwen Stefani) mit Sänger Davey Havok (AFI, Blaqk Audio) zusammen taten. Denn die wollten keineswegs neue Wege im Rock, wo sie herkommen, beschreiten. Sondern stattdessen den Synthiepop und, ja, die New Romantics der frühen 80er abfeiern. Das ist mitunter zwar cheesy, aber auch ziemlich hittig und macht echt Spaß.

Woman und „Happy Freedom“ haben wir auch bereits empfohlen. Und mit Andy Bell haben wir hier gesprochen. Anlässlich des gelungenen neuen Albums von Erasure natürlich. „World Be Gone“ ist nach Meinung des Rezensenten das beste Werk von Clarke und Bell seit ungefähr 20 Jahren. Weniger Dance als zuletzt, mehr frühe Erasure, vor allem an den verstärkten Chören im Background zu erkennen. Aber auch am starken Songwriting. Dazu mehr Düsternis als gewohnt (auch in den Texten) und Andy Bell in feinster Sangesform. # Von der Rabaukendisko ist Marco Haas alias T.Raumschmiere mittlerweile ein ganzes Stück weg. In letzter Zeit ist er viel ambienter geworden. Das hört man auch auf „Heimat“, seiner Rückkehr zum Kompakt-Label. Wobei das jetzt hier nicht nur chillig dahin gleitet, es darf (beim schicken „Jaguar“ z.B.) auch mal richtig tanzbar werden. Der eigentliche Trumpf sind aber Repetition, Repetition, Repetition und Atmosphäre. Alles fließt.

Einer der großen Geheimtipps (also hierzulande zumindest, im UK kennt man sie ganz gut) des Jahres könnten Pumarosa sein. „The Witch“ ist nämlich tatsächlich verhexend. Im positiven Sinne. Was Frontfrau Isabel Munoz-Newsome und ihre Londoner Jungs da hervorzaubern, ist eine ganz eigene Interpretation von Postpunk. Vielseitig, mit ein paar offensichtlichen und vielen heimlichen Hits. Sogwirkung möglich, dieses Album und diese Band setzen sich in der Erinnerung fest. # Achtung, Gästeliste: Stephen Morris (New Order), Johnny Marr (The Smiths u.a.), Peter Salisbury (The Verve), Paul Weller (The Jam u.a.), Kurt Wagner (Lambchop), Ian Rankin (Bestsellerautor). Wow! Wer bekommt die alle? The Charlatans! Für ihr auch schon 13. Studioalbum „Different Days“, das wohl ohne Übertreibung zu ihren stärksten gerechnet werden darf. Rave und Britpop vom Allerfeinsten, Party like it’s 1995!

Juni. Sommer. Nee. Regen. Gut, dass da bei den Veröffentlichungen noch keinerlei Sommerloch herrscht. Alt-J zum Beispiel haben mit „Relaxer“ ein anspruchsvolles drittes Album aufgenommen, das Hörer und Kritiker ganz schön spaltet. Manchem ist es zu entspannt, manchem zu verschroben. Braucht man LSD dazu (schließlich gibt es einige Bezüge auf ein gleichnamiges Konsolenspiel)? Oder nur Geduld und die richtige Stimmung? Hochinteressant, man sollte an diesem Album dran bleiben. # Leichter hat man es da mit Saint Etienne. Die erfreuen immer wieder mit herrlichen Popsongs und widmen sich in diesen zahlreichen Geschichten und Beobachtungen über die britische Gesellschaft. Dieses Mal den „Home Counties“, so rund um London herum. Wo die Mittelschicht ihr Leben verlebt. Wo sich so einiges hinter den hübschen Vorgärten abspielt, wie nicht nur der in der Nähe ermittelnde Inspektor Barnaby weiß. Aber die Musik dazu: Traumhaft!

London Grammar sind auch traumhaft. Live und auf Konserve. Hier unser Interview zum zweiten Album „Truth Is A Beautiful Thing“ (eine separate Review folgt noch). # Werbesongs, die zu Hits werden. Das klappt ja heutzutage immer noch bevorzugt bei Telefonkonzernen oder Internetauktionshäusern. In der aktuellen Kampagne von einem Letzteren darf man sich über „Wishing Girl“ erfreuen, einen ausgemachten Ohrwurm von Lola Marsh aus Israel. Erfreulich ist, dass das zugehörige Debütalbum „Remember Roses“ mehr kann. Zu viele dieser Mitpfeifhits hätte man auch nicht ertragen. Stattdessen gibt es abwechslungsreichen Sommerpop, als hätte Frau Del Rey (an deren Klasse man allerdings nicht heranreicht) die Tranquilizer (Scherz!) abgesetzt.

Cigarettes After Sex? Nein danke, ich rauche nicht. Ach so, die Band und das gleichnamige Debüt? Ja, das schon. Wo wir die Lana eben erwähnten: Die kommt auch hier in den Sinn. Und The xx. Und Beach House. Vernebelt schleppen die Sounds sich dahin, verträumt singt Greg Gonzalez (jaha, das ist tatsächlich ein Mann am Mikrofon, darauf käme beim Blindhörtest garantiert keiner!) über die Liebe. Schwerelos. # Über „Hymns To The Night“ von Lea Porcelain, unser Album des Monats, gibt es hier alles zu lesen (und ein Interview haben wir in Kürze auch noch). # Auch zu „Absence“, dem neuen und gewohnt guten Werk von Zoot Woman, folgen in Kürze noch eine Besprechung und ein Interview. # Dass 2Raumwohnung doch noch mal ein richtig gutes Werk aufnehmen würden, dafür hätte der Rezensent nicht unbedingt die Hände ins Feuer gelegt. Noch dazu bei einem Doppelalbum wie „Nacht und Tag“. Alle Songs in zwei Versionen, für Club (Nacht) und, hm, Strandbar (Tag). Okay, die Tagversionen sind nur zum Teil gelungen, einiges plätschert doch belanglos vorbei. Aber die Nachthälfte fetzt! Elektronisch, tanzbar, viel 80er, noch mehr 90er. Prima, Frau I. Humpe und Herr T. Eckardt!

Kurz vor Schluss nun eine Depeche-Mode-Vorband. Aber Algiers sind natürlich sehr viel mehr als das. Unser Interview könnt ihr hier nachlesen, eine Rezension zum starken „The Underside Of Power“ liefern wir auch noch nach. # Und finally nun noch internationales Chartfutter ohne jede Peinlichkeit. Dafür ist „Melodrama“, das zweite Album der immer noch sehr jungen Lorde zuständig. Beim Debüt vor vier Jahren wurde die damals gerade 16-jährige Neuseeländerin als Riesentalent gefeiert, und dieses Urteil darf bestätigt werden. Die junge Frau mit der dunklen Stimme hat den Sound verändert, er geht dem Hörer jetzt lauter, direkter und druckvoller an die Kehle. Und dazu schreibt Lorde Hit an Hit an Hit. Beeindruckend!

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Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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