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London Grammar im Interview: „Uns ist es wichtig, dass die Songs live nicht exakt wie auf Platte klingen.“

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Am Freitag ist das zweite Album von London Grammar, „Truth Is A Beautiful Thing“ erschienen. Vorab gab es im Mai ein wunderbares Konzert im Berliner SchwuZ – und am Folgetag stellte sich die Band unseren Fragen:

depechemode.de: Was hat sich seit eurem Debütalbum geändert? Im Leben und in der Musik?

Hannah Reid: Ich denke, wir sind alle als Musiker gewachsen. Wir sind so lange getourt. Daher denke ich auch, dass die Musik sich verändert hat.

Nach meinen ersten Eindrücken würde ich sagen, auf dem neuen Album sind etwas weniger deutlich die Einflüsse von The xx zu hören.

Dominic ‚Dot‘ Major: Wir sind natürlich nicht so herangegangen, dass wir gesagt haben, wir wollen weniger wie The xx klingen [alle lachen]. Es war mehr wie eine Neuentdeckung unseres Sounds. Als wir zurück ins Studio gingen, war das ein Prozess herauszufinden, wie das Album klingen soll. Wir wussten nur, dass es anders als das erste Album klingen sollte.

Ihr habt mit drei neuen Produzenten gearbeitet, großen Namen. Wie kamt ihr zu denen?

Dan Rothman: Wir haben auch mit der Jungs von myriot gearbeitet, die schon bei unserem ersten Album dabei waren. Über unser Management kamen wir mit Paul Epworth und Greg Kurstin zusammen. Und wir haben einen Song mit Jon Hopkins aufgenommen, was großartig war, weil wir große Fans von ihm sind.

Mit ihm habt ihr aber nur einen Song gemacht?

Dan: Ja. Wir haben uns gegenseitig auf Konzerten besucht und wussten, dass wir irgendwie mal zusammenarbeiten wollten. Dann war er aber gerade dabei, mit seinen Albumaufnahmen zu beginnen. Wir haben ihn einfach gebeten, uns noch für einen Song reinzuquetschen.

Was nehmt ihr aus der Arbeit mit solchen Profis für euch mit?

Dan: Wir haben viel gelernt. Ob das technische Dinge waren oder Dinge übers Songwriting. Generell bringt das einfach Erfahrung.

Aus eurer Musik kann man verschiedenste musikalische Wurzeln heraushören. Trip Hop, R’n’B, Indie, Electro und mehr. Kommt das von euren unterschiedlichen Hintergründen?

Hannah: Ich liebe Filmsoundtracks, aber ansonsten drehte sich bei mir immer alles um die Stimme. Es war immer die Stimme von jemandem, die mich in die Musik hineingezogen hat.

Dan: Ich höre größtenteils Indie-Musik, Hannah geht eher in Richtung R’n’B und Dot ist mehr für elektronische Musik und Trip Hop.

Wie ich gestern bei eurem Konzert erleben durfte, spielt ihr live immer noch den Coversong vom „Drive“-Soundtrack [„Nightcall“ von Kavinsky, Anm. d. Red.]. Würdet ihr in der Zukunft auch an Soundtracks arbeiten wollen?

Hannah: Ich hoffe es. Das wäre großartig. Vielleicht, wenn wir die nächste Tour hinter uns und etwas Zeit haben.

Wo wir vom Touren sprechen: Wie sind da die Pläne für den Rest des Jahres?

Dominic: Wir spielen viele Festivals, und danach werden wir weiter touren.

Wir werden euch also auch in Deutschland bald wieder sehen?

Dominic: Definitiv! Wir kommen gegen Ende des Jahres auf Tour zu euch.

Wer von euch macht eigentlich was im Studio? Gesang, Gitarre, Drums, Elektronik – oder vermischen sich da auch die Tätigkeiten?

Hannah: Wenn es ums Spielen geht, bleibt jeder bei seinem Instrument. Aber wenn es um Ideen, Arrangements, Produktion und so weiter geht, sind wir alle drei beteiligt.

Ihr habt Streicher auf zwei Songs. Wie waren die Aufnahmen mit den Prager Philharmonikern?

Dan: Großartig! Wie haben mit Will Malone als Arrangeur gearbeitet. Der hat auch schon die Streicherparts auf dem Debüt arrangiert, da haben wir ihn aber nicht persönlich gesehen. Jetzt haben wir ihn in Prag in diesem tollen alten Studio getroffen – und Will ist ein echter Charakter. Wie so ein alter Zauberer, brillant.

Das Album beginnt mit „Rooting For You“ und endet mit „Truth Is A Beautiful Thing“. Standen diese Songs von Anfang an an diesen Positionen, denn die fühlen sich wie eine gelungene Klammer für das Album an?

Hannah: Das ist exakt das, was sie sind. Volle Zustimmung.

Die sind sehr auf die Stimme fokussiert, während bei den anderen auch Band und Sound mehr zum Zuge kommen.

Dan: Ja, „Rooting…“ war der erste Song, den Hannah für das Album geschrieben hat, also fühlte sich der als Opener ganz natürlich an. Und beim ersten Album hatten wir „If You Wait“ am Schluss, also passte es gut, „Truth Is…“ hier ans Ende zu packen [beides sind die jeweiligen Titelsongs].

Wie entsteht generell die Trackorder bei euch?

Dominic: So kompliziert wie die Albumaufnahmen gewesen sein mögen – und das sind sie sicher immer irgendwie -, so einfach war das mit der Reihenfolge. Da sind wir uns ziemlich einig. In unserer Musik haben wir ja eine Menge atmosphärische, eher langsame Stücke. Also müssen die schnelleren Stücke passend dazwischen gepackt werden, damit man so ein gewisses Auf und Ab hat. Das machen wir live auch so.

Habt ihr an einem Punkt daran gedacht, den „einfachen“ Weg zu gehen? Ihr hättet z.B. voll Richtung R’n’B oder voll Richtung Electro gehen können, um es vielleicht chartfreundlicher zu gestalten.

[Hannah lacht]

Dominic: Ich würde das gar nicht den einfachen Weg nennen. Was einfach für uns ist, ist ehrliche Musik zu machen. Und wenn wir zusammenkommen, ist es natürlich für uns, eher langsamere, atmosphärische Songs zu schreiben. Klar gibt es hier und da mal etwas Druck vom Label, aber wir machen, was wir machen, ohne größer darüber nachzugrübeln.

Das ist auch gut so. „Big Picture“, der Song, den ihr mit Jon Hopkins aufgenommen habt, wirkt sehr verträumt und entwickelt sich während seines Verlaufs ziemlich. Und die Gitarre – vielleicht ein Thema für dich, Dan – klingt sehr nach den Foals.

Dan: Das ist cool. Ich bin ein massiver Foals-Fan. Mein Lieblingssong ist „Spanish Sahara“, und den wollte ich in irgendeiner Art und Weise auch mal hinbekommen. Wenn das dann auch rüberkommt, ist das klasse, danke!

In anderen Songs wie „Wild Eyed“ und natürlich in euren Konzerten kann man sehr schön die Leise-Laut-Dynamiken hören. Sind die wichtig für euch?

Hannah: Was wir von Anfang an versuchen, ist, ruhigere Stücke und Songs, die sich zu etwas Gewaltigem aufbauen, zu mischen. Das mögen wir.

Einer der beeindruckendsten Songs auf dem Album ist „Hell To The Liars“. Der längste Song, mit einem tollen, wuchtigen Outro – und auch live einer der stärksten Songs, wie ich finde. Könnte es von der Sorte Song zukünftig mehr geben?

Dan: Dot würde sich das wünschen [alle kichern].

Weil er da an den Drums durchdrehen kann?

Dominic: Ja. Ich denke, das ist immer schon ein Teil von uns. Wir wollten so etwas auf dem Album haben. Als wir auf dem ersten Album „Metal And Dust“ gemacht haben, war das eine ganz schöne Entfernung von dem, womit wir angefangen hatten.

Metal And Dust“ ist auch das Finale eures Livesets, das passt prima, also wird es da bleiben?

Dan: Mal sehen. Wir haben nun ja auch „Big Picture“, was da ganz gut passen würde. Einige Leute haben uns gestern nach dem Konzert gesagt, wie sehr sie den Song mochten. Wir lernen ja noch, die neuen Songs auf die gleiche Art oder so gut zu spielen wie die alten. „Big Picture“ haben wir zum Beispiel gestern zum ersten Mal vor Publikum gespielt. Das braucht seine Zeit.

Und Songs wachsen ja auch mit dem wiederholten Spielen.

Dan: Hundertprozentig. Erst dann kann man die Songs auch auf neue Ebenen bringen. Uns ist es wichtig, dass die Songs live nicht exakt wie auf Platte klingen.

Das wäre eine der nächsten Fragen gewesen. Es ist also von Bedeutung für euch, Songs live umzuarrangieren?

Dominic: Definitiv. Manchmal spielen wir da Songteile, die wir gar nicht aufgenommen haben. Es ist wichtig für uns, mit den Songs live neue und andere Erfahrungen zu machen.

Auf einem weiteren Song, „Who am I“, hört es sich ein bisschen nach einem Kampf zwischen der Indie- und der R’n’B-Sektion der Band an.

Dan: Wir hatten einen Kampf um das Riff am Anfang [grinst].

Hannah: Nein!

Dan: Du warst dir nicht sicher deswegen.

Hannah: Ich habe dir zugestimmt!

Dan: Ich glaube, der Anfang hat dir erst nicht so gefallen.

Hannah: Da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern [grinst auch]. Ich schwöre, dass mir das gefallen hat. Ich habe schon das Demo gemocht.

Dan: Ah, ich hab’s, es war nur ein Teil des Riffs.

Hannah, du lieferst wieder beeindruckende Gesangsleistungen ab. Trainierst du die Stimme, besonders für die tiefen und hohen Parts?

Hannah: Ich mache kein spezielles Training. Das ist mein echter Stimmumfang. Aber das Aufsichachtgeben braucht Training. Mir wurde schon gesagt, dass diese Stimme nicht für immer so bleibt. Ich habe den Eindruck, dass es schon damit losgeht, denn ich beginne zu altern, was ich deprimierend finde.

Dan: Du kommst mittlerweile tiefer mit der Stimme.

Hannah: Ja, das stimmt. Aber ich muss eben aufpassen. Ich kann auf Tour keinen Alkohol trinken, darf definitiv nicht rauchen und manchmal auch nicht zu viel sprechen.

Dan: Eine gute Entschuldigung, nicht mit Leuten reden zu müssen [lacht]. Nein, nur ein Scherz!

Bei „Leave The War With Me“ stellt sich die Frage, welcher Krieg gemeint ist, ein echter oder ein metaphorischer?

Hannah: Eigentlich eher ein Metaphorischer. Aber in politischen Zeiten wie diesen entwickelt so etwas schnell eine andere Bedeutung. Das ist übrigens einer meiner Lieblingssongs auf dem Album.

Der hat so eine leicht hypnotische Wirkung.

Dan: Das ist schön.

Ein Grower, wie man so sagt.

Hannah: Unbedingt.

Dan: Wir hoffen, das ganze Album ist ein Grower! [alle lachen]

Habt ihr noch Songs, die ihr fürs Album geschrieben habt? Warten die noch auf Veröffentlichung oder landen die im Müll?

Hannah: Wir werfen die weg.

Dan: Traurigerweise, ja. Wir haben echt einige geschrieben.

Dominic: Wir wollen die nicht umschreiben oder so, damit wir uns nicht selbst kopieren. Das ist auch wichtig für unsere Entwicklung. Beim ersten Album hatten wir wohl über 30 Songs.

Landen ein paar noch auf B-Seiten? Nimmt man überhaupt noch B-Seiten auf?

Dan: Vielleicht. Und ja, wir nehmen noch B-Seiten auf. Ein paar Songs kommen sicher noch auf B-Seiten, andere auf Deluxe-Versionen – und ein paar haben wir auch aufgehoben für…

Hannah: … andere Dinge.

Wir fragen ja gern zum Schluss: Was rotiert bei euch im Tourbus?

Hannah: Ich höre derzeit viel Lorde.

Dan: Ich mag das Album von Father John Misty. Das ist super.

Und auch ziemlich lustig.

Dan: Ja, stimmt. Was auch lustig ist: Er hat vorher eine (Non-Album-)Single namens „Real Love Baby“ aufgenommen, die ich erst gar nicht kannte – und von der ich nun denke, dass sie der beste Song von allen ist.

Dominic: Ich habe viel das neue Album von Thundercat gehört.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Bildcredit: Universal Music

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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