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Thomas Azier – Rouge

Wie er da so steht, auf der Bühne der Berghain Kantine, in seinem schick geschnittenen Anzug, mit seiner Band aus hübschen Jungs. Wie er neuerdings in Paris lebt und sein Album „Rouge“ genannt hat. Und wie er da plötzlich so klingt. Ja, man könnte Thomas Azier für den nächsten großen französischen Pop-Songwriter halten.

Dabei ist er aber doch Niederländer, fühlt sich, wenn, dann eher als Weltbürger oder Kosmopolit und hat große Teile seines Lebens in Berlin-Lichtenberg gelebt, was sich durchaus auch auf den dunklen elektronischen Sound seines starken Debüts „Hylas“ niedergeschlagen hatte. Doch Azier ist ein ständig Suchender, der wenig Sinn in der Wiederholung gleicher Dinge sieht (jedenfalls derzeit). Und er hat Mut. Nicht jeder Künstler wagt auf dem zweiten Album – nach einem Debüt, das durchaus bei Kritikern und Fans sehr gut ankam – so starke Veränderungen.

Denn, wenn man oberflächlich in „Rouge“ hineinschnuppert – und Azier und Ihr geschätzter Rezensent bitten herzlichst darum, dieses Album häufiger und intensiver zu hören – könnte man als Anhänger des Synthiepops auf „Hylas“ verschreckt werden und denken, na hoppla, was macht der denn da jetzt? Wo sind die dicken Synths und Bässe? Das klingt zunächst gar nicht mehr so elektronisch, was er da mit Hilfe seines Bruders Isa und Dan Levy (The Dø) aufgenommen hat.

https://www.youtube.com/watch?v=7jUFeqXk9jE&feature=youtu.be

Doch man darf sich nicht täuschen lassen. Der Sound ist wärmer und analoger, ja, aber letztlich hat Azier die eingespielten Instrumente, von denen das Klavier sicherlich am stärksten im Zentrum steht, als Samples verwendet und am Ende doch alles am Computer zusammengesetzt. Der auch durch den Albumtitel verdeutlichte rote Faden ist letztlich die Konzentration auf den Song als Kern des Geschehens.

Und Songs, genauer, POPsongs, kann Azier schreiben, wie nur wenige seines Alters. Unwiderstehlich wie die erste Single „Talk To Me“. Ein sachter Beat, Aziers markante Stimme und große Melodien. Single Nummer Zwo, „Winners“, kommt noch minimalistischer daher, bevor im Refrain die Welt umarmt wird. Den allergrößten Hit hat er sich jedoch für die dritte Single aufgehoben: „Gold“ wäre bei einem Erscheinungsdatum vor ca. 30 Jahren heute Bestandteil jedes dritten „Die Hits der 80er“-Samplers.

https://www.youtube.com/watch?v=gYAbiNKlfEg

Doch das Album hat eben noch sieben weitere starke Songs zu bieten. Das prächtige „Crucified“ beispielsweise, das satte Sounds auffährt, zwischen zurückhaltender Strophe und pompösem Refrain springt und sich nach reichlich drei Minuten in einen Elektrostampfer verwandeln möchte – nur um kurz davor abrupt zu stoppen. Man kann sich das Grinsen des Künstlers dabei geradezu vorstellen. Oder „Berlin“, das seiner Teilheimat ein kleines Denkmal setzt, schon wieder so ein Ohrwurm ist (und an irgendeinen älteren Song erinnert, ich komme aber nicht drauf, please help!).

Wunderwunderschön ist auch die Pianoballade „Sandglass“, das mit dem schönen Bild der Sanduhr spielt, an deren schmalster Stelle sich Vergangenheit und Zukunft begegnen. Oder das elegant tröpfelnde „Starling“, das sehnsüchtige „Call“ und überhaupt der ganze Rest. Ein Album, das möglicherweise ein, zwei Momente des Wachsens benötigt (vor allem, wenn man mit soundtechnisch anderen Erwartungen herangeht), dafür aber lange im Gedächtnis bleiben wird. Hoffentlich!

Depechemode.de-Wertung:
★★★★★ (4.5/5)

P.S. Was der sympathische Thomas unserem Thomas zu erzählen hatte, könnt ihr in Kürze in unserem Interview lesen.

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www.thomasazier.com
www.facebook.com/thomasazier

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

1 Kommentar

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  1. Sensationell!

    Thomas katapultiert das Songwriting auf Weltklasseniveau! Jeder Track ein Juwel! Alles klingt sehr elegant, auf das wesentliche reduziert ohne jemals simpel zu wirken. Insbesondere bei „Talk to me“ erinnern die vocals durchaus an Robbie Williams. Stünde sein Name auf der Single wäre es sicherlich ein mächtiger Chart- und AirPlay Erfolg geworden. „Gold“ ist sicherlich der allerbeste Track, der sich aber nur hauchdünn über die restlichen Tracks erhebt. Bislang bestes Album 2017!

Kommentare sind geschlossen.

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