Dieser Beitrag samt Fotogalerie stammt aus der Feder ( und Kamera) unseres Abgesandten Dietmar Grabs. Wir wünschen viel Freude beim Lesen, auch wenn das mit dem Bericht dieses Jahr ein wenig mehr Zeit in Anspruch genommen hat.
Das Wetter am Freitag war doch recht durchwachsen. So war ich froh, einen Regenschirm mit in meinen Koffer eingepackt zu haben. Als ich am Freitag eine halbe Stunde vor Lesungsbeginn auf dem M’era Luna-Gelände ankam, war ich sehr erstaunt über die lange Warteschlange am Geländeeintritt. Memo an mich fürs nächste Jahr: früher kommen um im Hangar anschliessend einen besseren Sitzplatz bekommen zu können. Die Akustik im Hangar ist recht schlecht – es hallt dort ganz ordentlich, so dass man den Vortragenden in den hinteren Reihen kaum zu verstehen vermag. Den Anfang machte, schon fast traditionell, der Herr Markus Heitz. welcher Auszüge aus seinen Geschichten zum Besten gab und am Ende einer solchen jeweils darauf hinwies, dass bei bestehendem Interesse daran zu wissen wie es denn weiterginge, er sich das Buch dazu kaufen könne. Es mussten sich eine Menge Heitz-Fans unter den Zuschauern befinden, gemessen an dem Beifall der nach jeder Geschichte aufbordete. Auch die Länge der Autogrammschlange am Ende der Veranstaltung war recht beeindruckend.
Herr Axel Hildebrand, der anschließend als die «Scheiblette zwischen zwei Brötchenhälften» angekündigt wurde, als zweiter Vorleser nahm seine Sandwichposition mit Humor. Schliesslich hatte er die Zeit zu überbrücken bis sich der zweite traditionelle Leser sich an sein Publikum wenden konnte. Er eroberte viele Herzen mit seinen humorvoll vorgetragenen Geschichten über Asgard mit persiflierten Darstellungen von Thor und der restlichen griechischen Götterwelt und transponierte dabei die Geschichten und Fabeln aus der Götterwelt in unsere heutige Zeit hinein. Dabei sparte er nicht mit ironischen Seitenschlägen, begleitet von ausladender Gestik und beeindruckender Mimik.
Den Abschluss bildete Herr Christian von Aster, der von der Gruftigemeinde durch seine Geschichten und durch seine Art diese vorzutragen seit Jahren ein gern gesehener Gast ist und stets für volle Locations sorgt. Zwei Dinge aber waren diesmal ungewöhnlich: Elmo aus der Sesamstrasse, den Herr von Aster inmitten seiner Lesezeit spontan und überraschenderweise aus dem Rucksack zauberte, fand als Vorlesungs-Bonus, initiiert durch ein spontan eingeleitetes Flugmanöver in die Weiten der Hangarhalle eine neue Besitzerin. Eine weitere Überraschung gab es zum Lesungsende, als Herr von Aster seine überaus gekonnte Lesung nicht, wie gewohnt mit einem Viechervers oder eine gruftiverhöhnenden Glosse beendete. Stattdessen wurden die Zuschauer und -hörer stilvoll mit einer zu Herzen gehenden Geschichte in die Nacht entlassen die sich nicht nur mit dem Leben und dessen Sinn beschäftigte, sondern auch mit dem Tod und was man dabei der Welt hinterlässt.
Bei der anschliessenden Autogrammstunde hatten alle drei Sandwichteilnehmer alle Hände voll zu tun, um – verquickt mit einem kurzen Gespräch – den Wünschen der jeweiligen Autogrammsuchenden nachzukommen, während um sie herum bereits für die anschließende Discoveranstaltung umgebaut wurde. Punkt 22:00 Uhr wurde dann auch die Lautstärke derart hochgedreht, dass eine Unterhaltung nicht mehr möglich war. Der Veranstalter hätte hier vielleicht mit ein wenig mehr Feingefühl die Leseveranstaltung beenden können.
Da es draußen in Ströhmen regnete, nutzte ich nicht die Möglichkeit noch ein Bierchen zu trinken und mich in den ersten geöffneten Verkaufsständen umzusehen.
Tag zwei: Samstag
Im Gegensatz zum gestrigen Freitag überraschte uns der Wettergott mit einem perfekt temperiert-sonnigem Festival-Wetter:
Lacrimosa gelten durchaus als Urgestein der Gruftiszene. Dementsprechend viele Fans standen vor der Bühne und feierten mit der Band deren Auftritt. Diese Band polarisiert dabei immer noch: Nach dem Auftritt konnte ich Meinungen vernehmen die von «absolut begeistert» bis hin zu «schlechteste Band des Tages» reichten.
Bei Sono war ich sehr froh, sie nach längerer Zeit wieder live erleben zu dürfen. Deren Show begann eher langsam, steigerte sich allerdings sehr schnell und nahm auch die hinteren Zuschauer im Hangar mit auf deren musikalische Reise. Diese Band war eines meiner persönlichen Highlights auf dem disjährigen M´era Luna.
Ein weiteres Highlight – und den Zuschauerreaktionen zufolge – nicht nur mein persönliches waren Neuroticfish, welche die Gelegenheit nutzten, neben altbekannten Songs, um deren neue CD auf Partytauglichkeit zu testen. Am Ende der Show würde ich sagen: Test mit Bravour bestanden.
Das Duo von X-Rx suchte immer wieder die persönliche Nähe und den Kontakt zum Publikum und bezogen es in ihre Show mit ein. Entsprechend ging auch das Publikum mit.
Mit den Krupps trat eine altgediente Kombo auf, deren Sound stets hart und straight forward war. Die Bühnenpräsenz von Jürgen Engler tat ihr übriges um die Party vom ersten erklungenen Riff an zu starten. Auch die anderen Bandmitglieder lieferten eine coole Show ab. Alles in allem war diese Band ein würdiger Co-Headliner.
Within Temptation waren eine der Wiederholungstäter auf dem M´era Luna und zeigten dieses Jahr, im Vergleich zu ihrer Show 2016 keine allzu aufwändige Bühnenshow. Aber großer Pomp war auch nicht notwendig um dem Festival eine perfekte Show zu liefern, die das Publikum von Anfang an in ihren Bann zog.
Zeromancer, welche schon seit längerem kein neues Album herausbrachten, lieferten von der ersten Sekunde an volle Power gehörig ab und boten ein mit Klassikern angereichertes Set. Damit waren sie mein drittes persönliches Highlight dieses Tages.
Da ich gern die Fashion Show im Disko Hangar sehen wollte, musste ich zwei Bands verpassen: Es traf Agonoize und Mono Inc. Dafür bekam ich aktuelle Kollektionen von verschiedenen Designern zu sehen. Als Neuerung kamen dieses Jahr die Models nicht nur aus der aus der zu erwartenden Richtung auf den Laufsteg. Einzelne Designer schickten ihre Models von der anderen Seite des Hangars, direkt am Publikum vorbei, auf eben diesen Steg.
Oomph! lieferten eine routinierte, aber nicht minder coole, Show ab. Man merkte, dass die drei schon lange dabei sind.
Empathy Test hatten einen alten Bekannten als Gastmusiker den Skandinavier Elliot Berlin an den Keys mit dabei. Die junge Band lieferte eine solide Show ab, die durchaus zu gefallen wusste.
Mart Soer war gleich mit zwei Bands heute vertreten: Zuerst trat er mit seiner weniger bekannten Band Sündenklang, bei dem Chris Fox als Gast auf die Drums schlug, auf und schlug dabei durchaus ruhigere Töne an – im Vergleich zu Stahlmann, mit der es am späteren Abend so richtig abging – auf der Bühne genauso wie im Publikum.
Mit Null Positiv als Opener des Tages startete das M´era Luna mit harter Musik und optisch opulent in den ersten offiziellen Festivaltag. Schade dass die Show nur so kurz war.
Nachdem ASP mit seiner fulminanten und durchaus feurigen Show ordentlich abgeliefert hatte, eilte ich hinüber zum Mittelaltermarkt um mir dort die Feuershow anzuschauen, die direkt im Anschluss des Konzerts stattfand. Diese Show darf man durchaus als «echt cool» bezeichnen: Sie besteht nicht nur aus einer simplen Aneinanderreihung von Feuereffekten, sondern hatte auch den Anspruch dabei eine Familiengeschichte aus den 20er/30er Jahren, gewürzt mit allseits bekannten Musiktiteln, zu erzählen.
Damit klang der Samstag super aus und ich freute mich schon jetzt auf den morgigen Sonntag.
Abseits der musikalischen Darbietungen konnte ich viele alte Bekannte treffen. Irgendwie ist das M´era Luna ja eine einzige große Familie mit der man über ein verlängertes Wochenende eine gute Zeit hat – und nicht nur ich habe das Gefühl dort «zu Hause» zu sein.
Mit dem diesjährigen M’era Luna wurde ein neues Konzept eingeführt darüber wie das Festival zukünftig nach aussen hin repräsentiert werden soll. Man hatte sich überlegt jedes Jahr eine andere Figur in das Zentrum des Interesses zu stellen. Dieses Jahr kam diese Figur mit Namen Kyberos aus der Steampunk-Welt, welche eine Symbiose aus Mensch und Maschine darstellen soll. Diese Figur gab es als «Walking Act» ebenfalls auch live auf dem Gelände zu sehen. Die Erklärung des neuen Konzepts liest sich ein wenig sperrig, zumal es sich nicht nur um einen längeren Text handelt, sondern dieser Text darüber hinaus in Blocksatz ohne auflockernde Absätze verfasst wurde. Weitere Infos dazu findet man auf http://www.meraluna.de unter dem Menüpunkt „Inkonomicum“.
Am Müllkonzept wurde ebenfalls gearbeitet: Es wurde zusätzlich zum bisherigen grau-schwarzen Müllsack ein weiterer gelber eingeführt, den man auf Wunsch erhalten konnte um den anfallenden Müll trennen zu können.
Das «Panama»-Konzept, bei dem sich belästigte Personen an einen beliebigen Ordner wenden konnten um einen speziellen Schutz zu erfahren wurde beibehalten.
Am dritten Tag, Sonntag, meinte es das Wetter weiterhin sehr gut mit uns. Und so versprach auch dieser Tag genauso grossartig zu werden wie der gestrige.
Wir starteten mit Faelder – einer Band von der ich zuvor noch nie etwas gehört oder gesehen hatte und war nicht nur positiv überrascht von deren Sound, sondern auch überrascht darüber, dass ein gewisser Henning Verlage an den Keys stand.
Krass, hart, cool wurds dann direkt im Anschluss im Hangar mit Heldmaschine, welche die ersten Takte maskiert spielten während Sänger René Anlauf auf einem motorisierten Skateboard auf die Bühne gerollt kam. Was folgte war ein schnittiger Mix aus alten Klassikern aber auch neuen Songs, die allesamt gut nach vorn gingen.
Während Heldmaschine den Hangar rockte, brachten Versengold auf der Main Stage mit ihrer mitreissenden Art und Weise ihr Publikum in Partystimmung.
Danach gings wieder zurück in den Hangar, diesmal zu Melotron, die auch schon seit 1991 im Geschäft sind. Entsprechend waren meine Erwartungen. Wie sagte der Sänger Andy Krüger so schön? : „Wir machen keine Konzerte, wir machen Parties.“ – und er hielt sein Versprechen. Dabei riss Andy einiges an Strecke auf der Bühne ab – immerzu war er in Bewegung. Stillstand gab es so gut wie keinen. Trotz eher softem Elektropop ging das Publikum gut mit.
Anschliessend ging es auf der Main Stage mit Diary Of Dreams weiter, die eine solide Show ablieferten und vom ersten Takt an ihr Publikum zu begeistern wussten.
Bei Funker Vogt nebenan im Hangar wurden dann wieder die härteren Töne angestimmt. Schon als Chris L. mit einer CO2-Gun auf die Bühne kam und diese kurz ins Publikum hielt, war klar: Hier gehts gleich ab. Oftmals ist der Wechsel des Sängers ja der Tod einer Band. Die Funker hatten hier bei der Neuwahl ihres Frontmanns ein gutes Händchen gehabt, denn so wie die Leute während der gesamten Show mitgingen, hat die Band wohl alles richtig gemacht.
Wieder zurück vor der Mainstage ging es mit Combichrist im selben Takt und weiter. Joe Letz war diesmal aufgrund seines Rammstein-Engagements leider nicht dabei. Der neue Drummer lieferte dafür aber auch gut ab. Andy LaPlegua wusste wie er sein Publikum vom ersten Takt an zu packen hatte. Das war Party pur.
Im Hangar bei Spetsnaz kühlte sich meine Stimmung wieder ein wenig ab. Mich persönlich konnten die Schweden, wenngleich keine Unbekannten in der EBM-Szene, nicht überzeugen. Auch wenn sich Sänger Pontus Stålberg wirklich Mühe gab, so schien der Funke nicht überzuspringen. So muss ich gestehen, mir deren Show nicht ganz angeschaut zu haben.
Stattdessen bin ich rüber zu Joachim Witt, der vor kurzem sein neues Album mit dem Titel „Rübezahl“ veröffentlichte. Ich mag seine tendenziell ruhigere Art von Musik und finde seine stets trockenen eloquent-ungewöhnlichen Zwischenbemerkungen durchaus unterhaltend. Für den zweiten Song kam Chris Harms als Überraschungsgast auf die Bühne. Und so wie Joachim Witt mit seiner Art polarisiert, polarisierte Chris Harms mit seinem Bühnenoutfit.
Subway to Sally kamen in einem Düster-Look auf die Bühne, mit Eric Fish im goldenen Glitzerkostüm und Perücke als Kontrast. Dieses Outfit behielt er nur für das erste Lied bei. Nach über 25 Jahren Bandgeschichte wusste die Band immer noch ihr Publikum abzuholen und mit in ihre Show einzubinden.
De/Vision waren eine meiner Favoriten des heutigen Tages. Interessanterweise war der Hangar während ihrer Show nicht ganz so voll. Dies tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch. Die Band lieferte ein recht gemischtes Set ab. Die Stimmung war grossartig und das Publikum war voll dabei und sang lauthals sogar einige Passagen mit. Dieser Gig war eines meiner persönlichen heutigen Höhepunkte.
Bei Suicide Commando gings dann wieder ordentlich zur Sache. Johan van Roy legte sich ordentlich ins Zeug und suchte stets die Nähe zum Publikum. Hier hatte ich das Gefühl, dass die Belgier diesmal ihre Visuals ein wenig massentauglicher gestaltet hatten. Auf extreme Darstellungen wurde diesmal verzichtet.
VNV Nation beendeten fast zeitgleich als Headliner das Festivalwochenende. Der in Hamburg lebende Ire, der bereits zu Zillo-Festival-Zeiten dort auftrat, stellte seine Party-Qualitäten gleich von Anbeginn an unter Beweis. Von den vielen VNV Nation-Konzerten die ich bisher miterleben durfte, war dies definitiv eines der intensivsten.
Man konnte erkennen, dass er immer noch gerührt von dem Zuspruch ist, den er vom Publikum erfährt. So war er zum Ende seines Gigs auch den Tränen nahe und seine Stimme vibrierte leicht als er nach dem Song „Shine A Light On Me“, bei dem der Grossteil des Publikums ihre Taschenlampen in die Luft hielten – was wirklich sehr beeindruckend aussah – sichtlich bewegt Worte über seine Gefühle ans Publikum richtete: «Das war so….das war so unglaublich schön. Thank You, thank you everybody. Thank you, thank you, thank you» . Mit „All Our Sins“ in einer von mehreren Drums unterstützten, recht bombastisch klingenden Version, beendete er pünktlich um 22:00 Uhr sein Set und zudem eines der für mich schönsten M’era-Luna-Konzerte war Geschichte – so wie auch das, aus meiner Sicht gelungene Festival nun zuende war.
Die komplette Galerie unterteilt in einzelne Künstler findet ihr hier: http://www.dietmar-grabs.de