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Gedanken zur neuen Single
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„Ghosts Again“ ist ein Appell, seine Lebenszeit sinnvoll zu nutzen

/ 83 Kommentare

Im Leben eines jeden Menschen gibt es Momente, in denen alles kurz innezuhalten scheint, in denen es sich anfühlt, als hörte die eigene Welt für einige Augenblicke auf, sich zu drehen. Es sind die Erlebnisse, die sich fest im Gedächtnis verankern. Es sind jene Momente, an welche man sich auch viele Jahre später noch genau erinnert und die einerseits euphorisch, aber andererseits auch fassungslos und traurig machen.

Von Andreas Veith

Als selbsternanntes Mitglied des Black Swarm zähle ich meinen ersten Konzertbesuch in zarten Alter von 15 Jahren, als ich Ende 1990 Depeche Mode in der damaligen Berliner Deutschlandhalle erleben durfte, meine Hochzeit im Oktober 2017 – als sich meine Liebste und ich zu den Klängen von Depeche Mode das Ja-Wort gaben und das bislang letzte Konzert meiner Lieblingsband im Sommer 2018 in der Berliner Waldbühne zu diesen Momenten, die unvergessen sein werden.

Als Dave Gahan am Ende des Konzertes in der Waldbühne uns, der frenetisch jubelnden Fangemeinde, statt „See you next time“ die Worte „See you another time“ zurief, konnte niemand deren heutige Bedeutung erahnen.

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Der Tod von Andy Fletcher ist eine Zäsur

Zweifelsohne stellt der plötzliche Tod des Gründungsmitglieds Andy Fletch Fletcher letztes Jahr für die Band und uns Fans eine Zäsur dar. Sein Tod ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung in der mittlerweile über 40 Jahre andauernden Bandgeschichte.

Auch dieser Moment, als am 26. Mai 2022 die Nachricht des Ablebens von Fletch sich weltweit wie ein Lauffeuer verbreitete, hat sich fest in meinem Gedächtnis eingebrannt. Die Schockstarre und Fassungslosigkeit wichen alsbald der Frage nach dem Warum, dem Trauerschmerz und auch der Sorge, ob die Band diesen Verlust verkraften würde.

Es ist alles andere als selbstverständlich, dass Depeche Mode jetzt auf die Bühne zurückkehren. Im Gepäck ein neues Album, dessen Titel Memento Mori prophezeit, was unausweichlich ist. Leben entsteht und Leben vergeht.

Die nunmehr veröffentlichte erste Singleauskopplung „Ghosts Again“ macht dies unmissverständlich deutlich. Time is fleeting. See what it brings… We know we´ll be ghosts again… Düster und melancholisch, bisweilen mystisch dringen Sound und Lyrik ins Ohr und bahnen sich unaufhaltsam ihren Weg direkt ins Herz.

Depeche Mode – Ghosts Again (Official Video)

Es gibt kein Entrinnen

Die von Trauer und Schmerz getragenen Stimmen von Dave und Martin, der am Ende des Refrains einsetzt, versinnbildlichen das erlebte Leid und die Ausweglosigkeit, dem eigenen Tod entrinnen zu können. Die Aussage des einprägsamen, zugleich metaphernreichen und ungewöhnlich knappen Texts, der jedem Fan genug Interpretationsspielraum lässt, unterstreicht das von Anton Corbijn inszenierte bildgewaltige Video, dessen Symbolkraft aufgrund der Schwarzweißdarstellung zusätzlich verstärkt wird.

Während Dave noch 1990 im Video von „Enjoy The Silence“ mit einer Krone auf dem Kopf durch die Landen striff und im Klappstuhl Platz nahm, um, während er das eigene Königreich überblickte, die Stille genießen zu können, sitzt er 33 Jahre später im Video von „Ghosts Again“ bei strahlenden Sonnenschein über den Dächern einer Großstadt an einem Tisch und spielt mit Gevatter Tod, verkörpert durch Martin, eine Partie Schach.

Erste Zuggewinne von Dave suggerieren, dass er den Tod besiegen könnte. Mit Beginn der zweiten Strophe findet sich Dave auf einem Friedhof wieder. Orientierungssuchend kriecht er an Gräbern vorbei und versucht dem Tod zu entkommen, der in Gestalt von Martin nahezu regungslos an einem Grabstein angelehnt sitzend die Szenerie beobachtet.

Ein Geist zieht schließlich Dave in seinen Bann und weist ihm den Weg. Dave kriecht demütig zurück. Wieder am Schachbrett sitzend verliert Dave Figur um Figur, um am Ende, die Nacht ist bereits hereingebrochen, Matt gesetzt zu sein. Der weiße König fällt. Dave steht auf und reicht Martin die Hand. Damit fügt er sich seinem Schicksal.

Unsere Vergänglichkeit ist eine Chance

Der gemeinsame Händedruck besiegelt das Lebensende. Der Tod hat gesiegt. Unweigerlich führt uns dies die Vergänglichkeit des eigenen Seins vor Augen. Und genauso wird einem beim Hören von „Ghosts Again“ unmissverständlich bewusst gemacht, dass irgendwann das Ende der beispiellosen und gleichermaßen grandiosen Bandgeschichte von Depeche Mode kommen wird. Deshalb ist „Ghosts Again“ nicht irgendeine neue, durchaus tanzbare Single mit einer eingängigen Melodie, auf welche wir sechs Jahre lang warten mussten.

Von den eigenen Emotionen überwältigt schossen mir die Tränen in die Augen, als ich auf dem Nachhauseweg die Premiere des Videos live verfolgte. Trotz aller Tragik klingt „Ghosts Again“ im Songverlauf für mich auch zunehmend positiv. Das Leben und der damit verbundene Tod bieten eben auch die Chance, seine Lebenszeit sinnvoll zu nutzen und sich zu verwirklichen, um etwas für die Nachwelt zu hinterlassen. Und das haben Depeche Mode bereits getan.

Ihre Musik wird ewig leben und ist für viele von uns zum Soundtrack unseres Lebens geworden. Umso schöner ist es, wenn Depeche Mode uns, den Black Swarm, auf der anstehenden Tour einmal mehr in Ekstase versetzen, wenn wir dressed in black gemeinsam mit der Band die Black Celebration feiern.

Vielleicht ist es eine Art Fügung, dass Depeche Mode bei der anstehenden Memento Mori – Tour ausgerechnet am 26. Mai das erste Mal vor ihre weltweit treuesten Fans in Leipzig wieder auf die Bühne treten werden. Es ist der erste Todestag von Fletch.

83 Kommentare

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  1. Genial!

    Ich finde GA super, hatte auch beim schauen des Videos Gänsehaut. Freue mich aufs Albun

  2. Stark beührt

    Mich hat der Beitrag auch sehr berührt.
    Er trifft auch meine Gedanken, die ich mir nach der Veröffentlichung des Songs und Video mache.
    Ich finde es erstaunlich, dass trotz der Traurigkeit der Lyrics von GA, durch den Sound die Lebenslust rübergebracht wurde. Und wir sollten Alle das Leben feiern!!
    Mir wurde erstmals so richtig bewusst das Fletch nicht mehr unter uns weilt, als ich den Auftritt beim Sanremo Festival gesehen habe. Da flossen bei mir die Tränen.
    Die Band begleitet mich schon seit 40 Jahren, und ich finde es super von Dave und Martin, das sie zu zweit weitermachen. Ich denke das war auch im Sinne von Andrew Fletcher. Er wird von seiner Wolke klatschen, und er kann mit anderen großartigen Musikern, die auch nicht mehr unter uns weilen, Musik machen.
    Eine schöne Vorstellung, finde ich.
    Ich kann es kaum erwarten das Album zu hören, und freue mich unendlich auf den Konzertbesuch im Sommer!!
    In diesem Sinne,
    liebe Grüße, und passt auf euch auf!!

  3. Vergänglichkeit,perfektes Konzept für das evtl. Letzte Dm Album.Alles ist vergänglich,Zeit,Leben und eben auch Depeche Mode…so vielleicht auch die Botschaft,die dahinter stecken könnte?

  4. Auf den Punkt gebracht!

    Bin völlig deiner Meinung. Hat sich für mich genauso angefühlt, und mir gingen die gleichen Gedanken durch den Kopf. DM begleiten auch mich schon mein ganzes Leben, und sind irgendwie der soundtrack dazu .

  5. Im Westen nichts Neues

    GA ist langweilig und überflüssig; die Band – jetzt sind es nur noch zwei – ist durch und durch ein Unternehmen, das gewinnorientiert handelt und jeden Anlass dazu nutzt.

    • Genau so ist es.Eine Band… sind Sie schon lange nicht mehr.

  6. Ich denke immer noch, hier wird aus einer Babymücke ein ausgewachsener Brontosaurier gemacht. So toll ist GA nun auch nicht.

  7. Sven
    was ist den wieder los mit dir,
    Tabletten vergessen ?

  8. Einen dicken Kloß im Hals...

    … hab ich beim Lesen dieses Texts, beim Hören und Schauen von Ghosts Again… Ich hätte nicht gedacht, dass man gleichzeitig Trauer- und Freudentränen im Auge haben kann, aber so fühlt sich das an.

    Dein Post und der Song treffen mich mitten ins Herz. Ich weiss gar nicht so recht, wohin mit mir in diesen Tagen. Es ist wie eine Zusammenfassung des letzten Jahres, mit dieser Horrornachricht am 26. Mai, dann den hoffnungsvollen Gerüchten um eine Tour und die wundervolle Nachricht, dass sie weiter machen. Man hat es sich so sehr gewünscht und gleichzeitig nicht vorstellen können. Ich hatte für mich versucht, das beiseite zu schieben und immer nur gehofft, dass die beiden gut klar kommen und das verarbeitet bekommen. Und wenn dann gleichzeitig die Trauer in mir hoch kam, darüber, dass sie vielleicht nie wieder auf Tour kommen, hab ich mich unendlich beschissen und egoistisch gefühlt :-(
    Ein wahres Chaos… und dieser Song bringt es auf den Punkt. Ich bin einfach nur dankbar grad…
    – dafür, dass sie mich seit 40 Jahren mit ihrer Musik inspirieren und begleiten
    – dafür, dass es diese tolle Fan Community gibt
    – Sven, für diese Seite hier – ohne die wir uns nicht austauschen könnten, auch wenn ich mehr lese als schreibe – aber er hat sicher mehr Arbeit als Hobby damit

    … und besonders für den „Memento Mori“ Denkanstoß, denn ich grad mal wieder bitter nötig hatte und durch den ich jetzt einfach mal Urlaub gebucht habe, den lang ersehnten in Norwegen – nicht ganz zufällig um den 11.08. herum und ich freu mich ja sooooooo :-)

    Wünsche Euch allen eine tolle Woche!

    • WOW

      Was für wunderschöne Zeilen, ANDREAS VEITH – Danke!

    • Danke

      für deinen Beitrag. Es tut gut, zu lesen, dass es anderen ähnlich geht wie mir….
      Deinen Dankesworten schließe ich mich gerne an!

  9. Mein

    tiefen Respekt ,dem Autor…!!
    Für mich persönlich,seit 40 Jahren(wie immer), ein Lied,ein Text und ein Video-Just in Time-
    Ich bin sehr bewegt-empor gehoben und durch einen süssen Donnerschlag,zu Boden gefallen…
    Just Freelove!

  10. Never let me down again

    Seit 1985 Fan, 1993 erstmals live auf der Leipziger Festwiese erlebt und enttäuscht (Dave on drugs, mad Sound,…), 1998 ein zweites Mal live in Leipzig erneut enttäuschend und schließlich 2013 etwas lau in München… Grandios sind sämtliche Alben im Zeitfenster 1984 bis 1993. Ein wichtiger Teil des Soundtracks meiner Jugend.
    Live sind Depeche Mode nicht mein Fall. Die völlig überteuerten Ticketpreise für das nunmehrigen Rentner-Duo sind unverschämt…
    Depeche Mode werden ohne Alan Wilder niemals wieder diesen künstlerischen Zenit ihres Schaffens erreichen, wie in den Jahren 1984 bis 1996. Dennoch… jede neue Depeche Mode Rille, ist eine musikalische Oase ?

    • XxX

      Ich mache Dave und Martin kein Vorwurf, um richtig geile Musik zu machen fehlt 1.Alan 2. Drogen also Rock’n’Roll. Ultra zwar ohne Alan , aber wie mit Alan. Später nur noch Wrong ein richtiger Hammer, den Rest will ich nicht schlecht reden, aber es fehlt Alan. Die haben so viel erreicht, man wundert sich dass es sie noch gibt, deshalb sehr viel Respekt. Aber um richtig geile mukke zu machen muss man wild,depressiv, berauscht sein. Das erwarte ich nicht mehr von ihnen, schön dass sie da sind

  11. Danke

    für deinen Beitrag. Ich habe ihn sehr gerne gelesen – im Gegensatz zu manch anderem Kommentar in den letzten Tagen hier auf der Seite.
    Dank auch für deine Interpretation des Videos. Song (und Video) liefen bei mir in den letzten 3 1/2 Tagen in Dauerschleife. Jedoch kamen mir bei dem Video jedesmal automatisch spätestens bei der Friedhofszene die Tränen. Ich kam daher noch gar nicht dazu, alles genau zu betrachten und für mich zu interpretieren. In dem Moment war der Gedanke an Fletch sofort da und der Schmerz.
    Höre ich nur den Song, dann fühlt es sich an, als würde ich fliegen und ich möchte nur noch tanzen. Das Video zerreißt mir das Herz… Freud und Leid nah beieinander.

  12. Großes Dankeschön

    – für diesen wunderbaren Text.
    – für Depeche Mode. Danke, dass ihr mich seit bald 40 Jahren begleitet.
    – für die klasse „Tanzmusik“, kann da super solo tanzen.
    – dafür, dass ihr weitermacht.
    – dafür, dass ihr mit dem Album und schon die erste Single Fletch mit dabei sein lasst und seinen Tod nicht ignoriert. Auch wenn Albumtitel schon zu Fletch‘s Zeiten bei euch bekannt war.

    Freue mich auf die Tour und auf viele Jahre mit euch.
    Danke!
    Toi, toi, toi!

  13. Leipzig-Vergangenheit-Tod-Zukunft-Depeche Mode

    Ich bin gebürtige Leipzigerin…lebe seit 1994 in Bayern und dieses Jahr ziehen wir nach Leipzig zurück, berufsbedingt von meinem Mann…2006 waren wir gemeinsam das 1. Mal bei einem Depeche Mode-Konzert auf der Festwiese, Leipzig verbinde ich Herkunft, Trauer, da meine Mama 2003 gestorben ist und jetzt schließt sich anscheinend der Kreis und wir ziehen dorthin zurück,haben natürlich ??? auch Karten für die festwiese(ironisch, dass es genau Andy’s. 1.Todestag ist ?)und 20 Jahre nach dem Tod meiner Mama (22.5.2003)und wir haben natürlich auch noch für münchen Karten, ich finde es extrem bewundernswert und beeindruckend, dass Martin und Dave weiter machen, obwohl sie sich oftmals nicht wirklich „grün „waren und bin (egoistisch)glücklich,dass ich und Millionen von anderen Fans, es weiterhin erleben dürfen ??

  14. Back in time

    stellt euch vor wir haben 1965 und es stehen 2 Typen auf den Bühnen der Welt:

    Dave Jagger und Martin L. Lennon !!!

Kommentare sind geschlossen.

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