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Alan Wilder im Interview mit depechemode.de

Mitte April erscheint mit „Selected“ eine Auswahl der besten Stücke von Alan Wilders Projekt Recoil. Diese präsentiert er zurzeit auf Tournee quer durch Europa. Im Interview mit depechemode.de spricht der Musiker über die ersten Recoil-Auftritte, Veränderungen im Musikgeschäft und das Verhältnis zu seiner Ex-Band Depeche Mode.

Die ersten „Selected“-Events sind vorbei. Wie gefällt es Dir, Recoil zum erste Mal live auf der Bühne zu präsentieren?

Beim ersten Auftritt in Barcelona war ich etwas nervös und gehemmt. Aber dann ging es. Beide Shows in Spanien waren gut gesucht, in Madrid etwa 1500 Besucher, sehr aufregend. Viele Leute kamen wegen Nitzer Ebb. Aber sie reagierten trotzdem positiv auf uns. Die erste echte Recoil-Show für mich war Berlin. Der Abend entwickelte sich toll, ich habe ihn wirklich sehr genossen. Zwar gab es im Vorfeld technische Probleme. Aber wir bekamen schließlich alles hin. Hamburg machte ebenfalls sehr viel Spaß. Es war schwer, den Klang in der Kirche unter Kontrolle zu bringen. Doch das Publikum war toll und alle Leute sehr freundlich.

Recoil verlässt zum ersten Mal das Studio. Wie entstand die Idee für diese Live-Präsentationen, und warum hast Du das nicht schon früher getan?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wollte ich nicht wieder nur auf Partys den Menschen die Hände schütteln. Dieses Mal sollte es schon etwas mehr sein. Zudem gibt es viele neue Versionen und Remixe, sodass eine Präsentation wirklich Sinn macht. Ein weiterer Grund liegt bei den Videos. Inzwischen ist es viel einfacher geworden, Filme zu produzieren. High-Definition-Kameras und Schnittprogramme sind wesentlich günstiger als früher.

Warum hast Du Dich nur für wenige Recoil-Events entschieden? Es gibt sicher noch mehr Fans, die Dich live sehen wollen.

Wir spielen doch in etwa 30 Städten, davon vier in Deutschland, mehr als in jedem anderen Land! Ich wollte einfach ein paar Shows machen, die für viele erreichbar sind. Außerdem möchte ich rechtzeitig zur Fußball-WM wieder zu Hause sein.

Kannst Du Dir vorstellen, Recoil eines Tages als richtiges Konzert aufzuführen?

Ich glaube nicht, dass ich das tun möchte. Es gibt einfach schon so viele Livebands, das wäre langweilig. Stattdessen finde ich es viel interessanter, Musik und Film miteinander zu verbinden.

Lasse uns mehr über Deine Musik reden. Viele Recoil-Stücke enthalten Sprachsamples. Wie wirst Du auf diese aufmerksam?

Sehr unterschiedlich. Manchmal stammen sie von Sängern, mit denen ich gearbeitet habe und die ich dann sample. Manchmal werde ich auf CDs oder Schallplatten fündig. Es gibt keine Art Regel dafür. Ich jage einfach nach interessanten Klängen oder Stimmen. Und manchmal verändere ich sie, um sie noch interessanter zu machen.

Du arbeitest auch mit Gastsängern. Wie wirst Du auf die Künstler aufmerksam, und haben sie einen wichtigen Einfluss auf die Musik?

Nicht unbedingt auf die Musik. Aber ich finde Gesang wichtig. Gesang ist wie eine Art Fokus, auf den ich mich konzentrieren kann. Manchmal klingt ein Stück an sich zwar gut. Doch nur die Stimme fügt der Musik etwas hinzu, das sonst fehlen würde. Außerdem inspiriert mich Gesang zu unterschiedlichen Arrangements.

Gibt es jemanden, mit dem Du demnächst gern zusammenarbeiten möchtest?

Es gibt viele hervorragende Sänger. Aber zurzeit habe ich niemanden im Sinn. Es ist noch etwas zu früh dafür. Die neuen Stücke müssen mir erst noch diktieren, welche Stimmen sie brauchen.

Woher kommt der Druck, neue Musik zu produzieren?

Abgesehen von mir selbst gibt keinen Druck. Ich will das einfach. Und wenn ich eine Weile keine Musik mache, bin ich frustriert. Dann weiß ich, dass es wieder Zeit wird.

Woher beziehst Du Inspiration?

Schwer zu beantworten. Mann muss einfach anfangen. Wenn ich nicht ins Studio gehe, werde ich auch nicht inspiriert.

Wie wichtig ist Dir die Meinung anderer über Deine Musik?

Ich versuche, den eigenen Instinkten zu trauen und mich nicht zu sehr von anderen beeinflussen zu lassen. Natürlich ist es ein gutes Gefühl, wenn jemand mag, was Du geschaffen hast. Aber am Ende muss es einem selbst gefallen. Man kann keine Musik für andere machen.

Demnächst erscheint Recoils „Selected“. Wer sollte sich dieses Best-of-Album anhören?

Natürlich möchte ich möglichst viele von Recoil begeistern. Vor allem diejenigen, die sich noch nicht sicher sind, ob Recoil wirklich etwas für sie ist. Aber die Musik enthält so viele unterschiedliche Aspekte und Einflüsse, sodass für die meisten etwas dabei sein dürfte. Schließlich reflektiert Recoil meinen umfangreichen Musikgeschmack.

Warum hast Du Dich dafür entschieden, manche Songs auf die CD zu nehmen, andere nicht?

Musikalische Gründe. Es muss zusammen passen. Mir ist es sehr wichtig, dass „Selected“ als ganzes Album wie aus einem Guss wirkt. Es ist nicht nur eine zufällige Aneinanderreihung von Songs zu einem Best-of. „Selected“ ist viel mehr.

Du bist schon seit fast 30 Jahren im Musikgeschäft. Was hat sich in dieser Zeit am meisten verändert?

Da gibt es so vieles. Die technologische Entwicklung veränderte die Musikindustrie wahrscheinlich mehr als jede andere Branche. Dazu gehören die Erfindung von Synthesizer und Sampler. Heute sind Menschen dazu in der Lage, Musik zu Hause auf ihrem eigenen Laptop zu produzieren. Das war früher ganz anders. Aber am Ende hat Musik immer mit Menschen und Emotionen zu tun. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Auch das Internet brachte viele Umbrüche. Einerseits hast Du eine Website und nutzt Plattformen wie YouTube und Facebook. Andererseits kaufen weniger Leute CDs, weil sie die Musik zwar illegal, aber kostenlos downloaden können. Wie siehst Du diese Entwicklung?

Was das Raubkopieren betrifft, hat sich das in den letzten zwei Jahren wieder etwas zum Guten gewandelt. Es gibt eine Entwicklung hin zu hochqualitativen Formaten wie Special Editions und Vinyl. Das Artwork ist für viele wieder wichtig. Durch das Internet haben die Menschen die Wahl zwischen allen Formaten. Wer kein Geld oder Interesse hat, lädt sich das einfach so herunter. Sammler kaufen Special Editions. Andere Fans greifen vielleicht zur Einzel-CD. In diese Richtung geht es. Musikfirmen verstehen das Konzept und entwickeln daraus Geschäftsmodelle.

Wie wichtig sind Dir heutzutage die Verkaufszahlen Deiner CDs?

Vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade gesagt habe, sind hohe Verkaufszahlen nicht mehr so wichtig. Niemand erreicht noch enorme Stückzahlen. Viel bedeutender ist es, den Leuten eine Wahl zu bieten und zu akzeptieren, dass sich die Dinge geändert haben. Deshalb spielen so viele Musiker live und versuchen so, Geld zu verdienen.

Recoil auch?

Das ist nicht der Grund, warum ich auf Tour bin. Aber natürlich ist es schön, Geld zu verdienen.

Die Show in Hamburg wurde aufgezeichnet. Welche Pläne hast Du mit dem Material? Gibt es ernsthafte Überlegungen für eine DVD?

Im Boxset gibt es bereits eine DVD mit den für die Show vorbereiteten Videos. Mit dem Material aus Hamburg haben wir noch keine genauen Pläne. Vielleicht wird es Teil einer Tourdokumentation. Wir wissen es noch nicht. Es ergab sich die Chance zu einem Mitschnitt. Diese wollten wir wahrnehmen. Schließlich ist eine Kirche als Veranstaltungsort schon etwas besonderes.

Bei einem Konzert von Depeche Mode in London warst Du als Gastmusiker dabei. Wie beurteilst Du die Spekulationen der Fans über eine mögliche Reunion?

Das hat mich nicht überrascht. Schließlich werde ich das schon seit Jahren gefragt. Insofern hat sich nichts geändert. Durch das Konzert in London fragen die Leute nur wieder häufiger. Es ist wirklich schön, dass den Fans diese Vorstellung gefällt. Und es freut mich, dass sie solch große Rücksicht auf mich nehmen. Aber ehrlich gesagt habe ich genug von dieser Frage.

Wie würdest Du die derzeitige Beziehung zu Dave, Martin und Andy beschreiben?

Die Stimmung zwischen uns ist wirklich gut, schon lange. Wir sehen uns zwar nicht sehr oft. Dave passt inzwischen sehr auf sich auf. Sogar nach der Show in London ist er gleich los zum Hotel. Aber ich habe Martin und Fletch getroffen, und wir haben uns sehr gut unterhalten.

Welches der neueren Alben von Depeche Mode gefällt Dir am besten?

Von den Alben nach meinem Ausstieg gefällt mir „Ultra“ am besten. Songs wie „Barrel Of A Gun“ oder „Home“ sind wirklich gut.

1986 warst Du der erste Musiker von Depeche Mode mit einem Soloprojekt. Erinnerst Du Dich an die Reaktionen der anderen?

Die haben nicht viel dazu gesagt. Außerdem war ich anfangs sehr zurückhaltend. Die erste Veröffentlichung war nicht viel mehr als ein Demo. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie das sehr interessiert.

Was denkst Du über die Soloalben von Martin und Dave?

Beide Projekte sind okay. In mancher Hinsicht ist Daves aber beeindruckender, weil persönlicher. Schließlich hat er es endlich geschafft, eigene Songs zu schreiben. Martins Solostücke sind nur Coverversionen.

Warum hast Du Dich damals für Recoil als Name für Dein Soloprojekt entschieden?

Oh, daran kann ich mich gar nicht mehr so genau erinnern. Ich glaube, dafür gab es keine wichtigen Gründe. Ich mochte das Wort und die Bedeutung dahinter einfach. Recoil steht für eine Art Reaktion auf Musik. Damals hielt ich das für eine gute Idee.

Wenn die Tour und die Promotionaktivitäten für „Selected“ vorbei sind, welche Pläne hast Du für die folgenden Monate?

Zunächst die Fußball-WM schauen. Außerdem möchte ich etwas Freizeit in der Sonne genießen. Der Winter war sehr lang. Ich habe auch schon ein paar neue Songs, an denen ich arbeiten will. Doch ein neues Recoil-Album erscheint frühestens 2011.

Zum Schluss noch zwei persönliche Fragen: Jeder weiß, dass Du ein guter Musiker bist. Hast Du noch andere versteckte Talente?

Ich spiele gut Cricket, fotografiere gern und kann inzwischen sehr gut kochen.

Gibt es noch einen Traum, den Du Dir erfüllen willst?

Nicht wirklich. Ich möchte gesund bleiben, meine Kinder aufwachsen sehen, solche Dinge eben. Ich bin sehr glücklich.

Interview: Heiko Meyer

Sven Plaggemeier

Hi, ich bin Sven und betreibe als Gründer die Webseite depechemode.de. Hauptberuflich leite ich ein Team von Content-Spezialisten bei einem Telekommunikationsunternehmen. Vernetze Dich gerne mit mir bei Facebook, LinkedIn oder Xing.

103 Kommentare

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  1. Boah, demnächst lege ich mir ein Album mit Screenshots der Startseite von dm.de an…

    … aber im Ernst, das Interview ist wirklich gut geführt, liest sich sehr nett

    Ach, und ganz ohne prophetisch zu sein, ’nach‘ (!) DM wird Alan definitiv nie, nie, niemals zurückkommen, rein hypothetisch gesprochen allerhöchstens ‚zu’… *hihi* Entschuldigung, man soll ja nicht so pedantisch sein, aber in dem Fall war es jetzt doch zu verlockend… *schäm*

  2. ….ich kann einfach nicht anders als ihn gern haben…..

    Alan — ich koennte ihm stundenlang zuhoeren
    Dave — ich koennte ihn stundenlang ankucken
    Martin — ist cool und seine texte, alles uebers leben, koennte ich stundenlang lesen und drueber nachdenken
    Fletch — ehrlich ich weiss gar nichts ueber ihn und was ich weiss ist bischen langweilig oder normal fuer mich, aber ich mag ihn irgendwie….und ich glaube er ist eine person, die man gerne stundenlang um sich herum haben kann

    fuer mich bedeutet die zahl 4 etwas …ganz persoenlich….und was auch immer die machen …es sind 4 leute…
    (danke aber auch an vince dass er es ins leben gebracht hat..) zusammen alleine….es ist dave, martin, fletch, alan….

    natuerlich zusammmen sind sie „perfektion“ pur !!!!!!! und wenn der liebe gott will, und wir alle ganz brav sind und uns lieb haben, macht er uns vielleicht wieder ein grosses geschenk eines tages…

    ich bin jetzt schon sehr gluecklich mit dem was ist…..(konzert, alan auf der buehne, alan auf tour…)

    wow und danke

  3. Gestern ist meine RAH CD von LHN zu Hause angekommen. Man ist das geil. Ein besonderes Konzert, vor allem natürlich weil Alan mitspielt bei Somebody.
    Das Interview ist Klasse. Und klasse ist auch, dass Alan immer wieder sagt, erkommt nicht zu DM zurück. Einige hier wollen das aber seit Jahren nicht akzeptieren. Man merkt doch, wie er mit sich und der Welt im reinen ist. DM und Alan haben doch ihren Frieden gemacht. Vielleicht (!!!!) hüpft er ab und zu mal auf einem Konzert rum und klimpert auf dem Klavier. Mehr wird es nicht geben.
    Der Sound von Recoil ist nicht schlecht, aber die Gesangsspuren nerven mich immer wieder.

  4. ein sehr schönes interview. vielen dank dafür. vor allen dingen finde ich es schön, das nicht nur auf einer bestimmten frage herumgeritten wurde, sondern wirklich alan was über sein projekt erzählen konnte. denn darum geht es ihm im moment ausschließlich. und das sollte man nun endlich auch mal akzeptieren.

    anna

  5. Ein sehr gutes Interview:-) Heiko-ich habe echt Respekt vor Dir und ziehe den Hut!!!
    Danke depechemode.de für die Veröffentlichung.
    Gruß an depechemode.de , Heiko Meyer, an alle Recoil-Fans sowie Depeche Mode-Fans!!!

    MfG: DJ Tommy:-)

  6. Alan Wilder wird niemals zu Depeche Mode zurückkehren!

  7. schönes Interview, hatte auch das Glück ihn in Berlin zu interviewen.

  8. Gareth Jones und Daniel Miller sind ja in Rom wieder dabei und werden vermutlich dort wieder auflegen……….

    schreibt doch Gareth Jones ne nette Nachricht, dass wir das DJ Set gerne recorded und released haben möchten…..

    er ist bei „Gesichtsbuch“ !

    (der erste mit der Brille)

    I did it !

  9. Gareth Jones und Daniel Miller sind ja in Rom wieder dabei und werden vermutlich dort wieder auflegen……….

    schreibt doch Gareth Jones ne nette Nachricht, dass wir das DJ Set gerne recorded und released haben möchten…..

    er ist bei Facebook !
    (der erste mit der Brille)

    I did it !

  10. A strange hour with Alan Wilder & Paul Kendall in Munich !!!!!

    Leute was soll ich sagen…….geil war s !

    Besser als zum 5. Mal auf das gleiche Depeche Mode Konzert zu springen…….inovative, harte Musik, mit nem guten Schuss Industrial, TripHop…….whatever schwer zu beschreiben…..echt geil…super Bilder dazu…..die Leute aus Köln und Umgebung dürfen sich richtig freuen !!!
    Alan hatte zusammen mit Paul auch sichtlich seinen Spaß und das Publikum auch, leider hat er uns keinerlei Fragen beantwortet ;-(
    und war rel. schnell verschwunden !!!!!
    Lustig auch ……er musste zum Haupteingang rein (das ist halt so im Hansa 39) und die Leute haben ihn erst fast nicht erkannt…..grins….hab ihn mir auch größer vorgestellt, aber er ist total nett hat ein paar Hände geschüttelt und scheint ziemlich schüchtern zu sein……..

    Ich glaub ich gehör jetzt auch zu den „Alan zurückhaben will Freaks“ denn wenn man ihn hört weiss man was DM seit Jahren fehlt……das düstere…..krasse…die Soundspielereien……..

    So far……Alan you are great…….
    and Sarah thanks you re so sweet……

    wünsch allen viel Spass, welche die „Strange Hour“ noch vor sich haben !

    d. kl. Hobbitmaus

  11. cooles interview… finde grad mal wieder die diskussion lustig, ob alan zurückkommt… sonst würde ja was fehlen, ich meine die diskussion… ohne ihn ist DM ja nix oder?! LMAO… nacht allerseits

  12. Ich verschenke ein „n“ und kaufe mir dafür ein „m“.

Kommentare sind geschlossen.

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