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Amphi Festival 2015 – Stürmischer Neustart auf neuem Gelände

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Die Überschrift war wohl am vergangenen Amphi Festival Wochenende Programm, denn aufgrund der Wetterlage mussten die Außenbühnen auf dem Gelände um die Lanxess Arena am Samstag geschlossen bleiben. Künstler konnten nicht auftreten, wurden umdisponiert und allgemein herrschte das, was man Umplanungschaos nennt. Da wurden Slots verschoben, Bands gestrichen, Timetables neu erstellt. Aber es war wohl die vermutlich klügste Entscheidung niemanden draußen auftreten zu lassen und auch die Shops und Essenmöglichkeiten erst zu späterer Stunde öffnen zu lassen. Sicherheit geht schließlich vor.

So trug es sich dann zu, dass so ziemlich alle Festivalbesucher in der Lanxess Arena selbst einen Platz suchten. Ob nun zum Reden oder um Bands zu hören, zu essen, zu feiern oder schlichtweg im Kreis zu laufen, weil man den Rangeingang, wo die eigenen Freunde sich befanden eben nicht finden konnte. Einige Rangaufgänge blieben verschlossen, was das Wiederfinden der passenden Festivalgesellschaft nicht gerade erleichterte. Auch eine Bühnenbeschilderung oder gar eine allgemeine Beschilderung hätte gut getan. Aber sei es drum, kann im nächsten Jahr besser gemacht werden.

Irgendwie war die Stimmung in der Arena genauso grau wie das Wetter draußen. Teilweise hatte man das Gefühl, dass sich einfach mit der Gesamtsituation abgefunden wurde und keine richtige Festivalstimmung aufkommen wollte. Zu viel Desorientierung gepaart mit der Tatsache, dass die eigene Lieblingsband wohl nicht auftreten konnte, trugen ihr Übriges dazu bei. Ich hatte das Gefühl ich wäre auf einer sterilen, gut verpackten Massenveranstaltung gelandet, die von Außen und der Werbung nach glänzt, aber irgendwie ihrer Seele beraubt wurde.

Als ich dann nach ausführlicher Innengeländerunde in die Arena selbst trat, konnte ich Rabia Sorda zum ersten Mal auf einer so großen Bühne erleben. Irgendwie sahen Erk Aicrag und Bandkollegen ziemlich verloren auf dieser riesigen Bühne aus. Wie immer zogen sie professionell und sehr energiegeladen ihre Show durch und animierten zum Mitmachen. Vom Rang aus kam leider nicht die übliche Rabia-Sorda-Energie bei den Zuschauern an, direkt vor der Bühne aber schon und so wurde fleißig „Radio Paranoia“ mitgesungen.

Für weitere musikalische Untermalung am Samstag sorgten natürlich die Belgier rund um Front 242, die ich mir auch vom Rang aus ansehen konnte. Auch hier fehlte das klassiche Festival-Mitmach-Feeling. Warum ich nicht unten im Parkett war? Ganz einfach, es war schon ziemlich voll und ich nach einem langen Tag voller Freunde suchen, im Kreis rennen, verirren und Weg suchen ziemlich erschöpft. EBM aus dem Sitzbereich ist nicht das selbe wie mittendrin sein, da macht auch das Mitsingen wenig Spaß, zumal im Rangbereich ohnehin kaum gesungen wurde. Vom Bereich direkt gegenüber der Bühne, konnte man die Band auch kaum erkennen und so blieb lediglich mit Kollegen Witze darüber zu reißen, dass man jetzt das EBM-Rentenalter erreicht habe und sich Shows schon im Sitzen angucken müsste.

Der erste, der an diesem Tag mit so einer riesigen Halle umgehen konnte war tatsächlich Steve Naghavi und seine Mannen von And One. Was andere an diesem Tag nicht geschafft hatten, schaffte er binnen zwei Songs. Mitklatschen – und zwar im großen Stil. Mitsingen. Tieffreudige Gesichter. Nicht in der kompletten Arena, aber schon bei recht vielen Zuschauern. Steve war an diesem Abend wohl das Sonnenlicht, was den Rest des Tages gefehlt hatte, riss Witze darüber, dass er das Amphi Festival günstig erstanden hätte und es wieder in den Tanzbrunnen verlegt würde und sorgte mit seiner Mischung aus ruhigen und Mitsingsongs für Stimmung in der Lanxess Arena –  bis auf die Ränge.

Am Sonntag wurden dann die Bands mit in den Festivalplan eingebracht, die am Tag zuvor nicht spielen konnten. Einige wurden komplett gestrichen. So fand ich es sehr schade, dass SITD zu sehr früher Stunde gespielt haben und ich aufgrund zu spät gelesener Informationen (Leider habe ich erst am Sonntagmorgen Facebook auf Informationen gecheckt) mitbekommen, dass auch Diorama eine neue Spielzeit bekamen. Eine bessere Informationsverteilung wäre wirklich sehr wünschenswert gewesen.

Aus Pressesicht muss ich sagen, dass ich noch nie so einen großen Aufenthaltsbereich für Presse und VIP-Leute gesehen habe, der noch dazu so sauber und ruhig gestaltet war. Aber das nur am Rande. Am Sonntag war dann die Stimmung des Publikums auch ein bisschen weniger grau als am Tag davor. Vielleicht auch, weil man sich langsam mit dem neuen Gelände anfreunden konnte und allmählich wusste, wo man langgehen musste. Noch immer fehlten Schilder, was gerade das Finden der zwei Außenbühnen erleichtert hätte, aber Im-Kreis-Laufen war man ja bereits vom Innenbereich gewöhnt, also warum sollte es Außen anders sein?

Der Außenbereich erinnerte mich stark an das Agra-Gelände des WGT, so gab es Met, Essen für alle (ja, auch für die, die keine Fleischesser sind) und natürlich Shoppingmöglichkeiten und auch die Essenspreise waren sehr human.

Auf der Green Stage (der größeren Außenbühne) spielten Welle:Erdball mit neuer Sängerin Lady Lila vor einem zum Teil sitzenden Publikum. Vielleicht täuscht mein Eindruck, aber ich habe das Gefühl, dass die Band 90% ihrer Setlist stetig wiederholt, was es für mich allmählich langweilig macht, mir die Band anzusehen. Immerhin wurde zu Klängen eines C64 geklatscht und getanzt – und das obwohl es einige Regentropfen gab.

Auf der Orbit Stage (kleinere Außenbühne) spielte dann das absolute Highlight meines Sonntags und eigentlich meines kompletten Amphi Festivals: Henric de la Cour. Der gute Mann sieht gruseliger aus als es seine Musik ist. Im Publikum hörte man den Satz „Na, der sieht ja gar nicht so aus wie die Musik, die er spielt“. Und tatsächlich, in engen Hosen, Tanktop und mit Kunstblut verziert lieferte Herr de la Cour keinen Aggrotech sondern eine Mischung aus Gitarrenklängen und Synthiepop. Absolut hörenswert, weil er live genauso gut klingt wie auf Platte!

Die Herren rund um S.P.O.C.K. hatten vor ihrem Auftritt um reges Erscheinen via Facebook gebeten. Und es hat tatsächlich funktioniert. Eine ziemlich volle Lanxess Arena bot nicht nur vielen Besuchern einen Unterschlupf vor den zeitweiligen Regeneinlagen, sondern wurde auch ein Zuhause für Fans der Schweden, die wie immer einen sehr, sehr hohen Unterhaltungswert hatten. Mitsingsynthpop vom Feinsten und neben Herrn Naghavi die ersten am Sonntag, die die Halle im Griff hatten und für gute Publikumsinteraktionen sorgten. Es gibt kaum eine Band über deren Erscheinen ich mich mehr freue – egal auf welchem Festival oder in welchem Miniclub sie auch spielen mögen, weil sie es auch nach all den Jahren schaffen für richtig gute Stimmung zu sorgen und den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Gänsehaut zum Festivalabschluss gab es am Sonntag dann durch VNV Nation, die für ein durch Handylampen und Feuerzeuge erleuchtetes Gebäude, Wellen auf den Rängen, Mitsingen, Tanzen und zum ersten Mal während des gesamten Festivals für Stimmung von vor der Bühne bis in die hinterste Ecke sorgten. Ronan Harris freute sich darüber, dass er nun wisse wie es bei einem Depeche Mode Konzert auf der Bühne aussehen würde, verkündete eine Jubiläumsbox im Herbst und weitere Konzerte und brachte wohl spätestens bei ‚Illusion‘ ziemlich viele Menschen zum Mitfühlen und Feuerzeug zücken. Es war magisch eine hell erleuchtete Arena zu sehen, die von tausenden kleinen Lämpchen erleuchtet wurde. Kennt man sonst wirklich nur bei Martin Gore Songs und ist wohl der Moment des Amphi 2015, der allen Besuchern in Erinnerung bleiben wird. Danke VNV!

Fazit:
Ich erspare uns allen die Vergleiche mit dem Tanzbrunnengelände und wie schön es dort war und gebe zu bedenken, dass die Lanxess Arena wirklich viele Sitzplätze bietet und so einem alternden (verzeiht mir diesen Ausdruck) Szenepublikum gerecht wird. Wer nicht mehr stehen kann, setzt sich eben auf den Rang und kann von da aus genießen. Dass von dort oben selten Stimmung aufkommen wird, muss man wohl hinnehmen. Eine große Band wie Depeche Mode füllt mit Sicherheit den ganzen „Saal“ und schafft es auch für Stimmung bis in die letzte Ecke zu sorgen – eben weil alle Besucher nur für diese Band da sind. Bei einem Festival, wo so viele unterschiedliche Bands und Musikstile zusammenkommen, wird es schwer sein ausreichend gute Laune und Gefühle zu vermitteln – nicht jeder mag jede Band. Das macht es für mich schwer, dem neuen Amphigelände viel Positives abzugewinnen. Ein Festival lebt für mich nicht von der Tatsache, dass man zeltet oder auf dem Gras sitzen kann, sondern von der Atmosphäre. Ich habe mich überwiegend verwirrt und wie in einem Hamsterrad gefühlt, gescheucht irgendwie. Es gab in meinen Augen nicht genug ruhige Ecken, um einfach mal mit Freunden zu reden oder neue Leute kennenzulernen. Das Amphi 2015 bestand aus viel umherlaufen und schauen, dass man den richtigen Weg findet. Positiv zu erwähnen ist dann aber wieder die Tatsache, dass es mal keine 30Minuten-Warteschlange vor dem Damen-WC gab und alles in dem Bereich sauber war. Gibt es sonst sehr selten. Ich glaube, das Amphi hat sich einfach weiterentwickelt und vielleicht kommt der Teil mit den Gefühlen, der Atmosphäre und dem Angekommensein auch nach ein paar Jahren dort an. Vielleicht brauche ich nach so langer Zeit am Tanzbrunnen auch einfach eine Eingewöhnungszeit – genau wie alle anderen. Schlecht und ziemlich unglücklich war das, was man von einigen Besuchern im Rollstuhl lesen konnte: So gab es wohl schlechte Sicht und eine erschwerte „Zufahrt“ zum Gelände. Sollte man im nächsten Jahr vielleicht optimieren, genau wie die Beschilderung und die Sache mit der Sonntagsparty. Ja, wir wollten auch gern am Sonntag noch einmal Tanzen gehen, also streicht uns doch bitte diesen Teil der Veranstaltung nicht. Ein bisschen grau vom Amphi bleibt mit dem Gefühl, dass man sich wohl mit dem neuen Gelände abfinden muss und mit der Hoffnung auf einige Verbesserungen nach diesem Testlauf im Jahr 2016 auch dieses gewisse Festivalfeeling dort wieder einkehrt. Ohne Sturm und gestrichene Bands (Obwohl ich hier noch einmal anmerken möchte, dass ich selten eine so schnelle Umgestaltung der Spielpläne gesehen habe. Lob dafür! Bitte im nächsten Jahr zeitnaher auf Facebook, der Festivalseite und auch ab und zu als Aushänge an die Türen des Geländes verteilen. Dann verpasst auch niemand mehr was!).

Impressionen vom Festival gibt es übrigens von Daniela Vorndran – bitte hier klicken.

Josie Leopold

Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrückter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews führe, Beiträge verfasse oder versuche Wordpress davon zu überzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.

2 Kommentare

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  1. Ganz so negativ sehe ich das „neue“ Festival an der Arena nicht.
    Wie mein Vorgänger war ich auch recht gut informiert, da ich zum Infostand am Abend (Sa) tigerte und das „Dunkelvolk“ freundlicherweise mir die Order für den nächsten Tag ausdruckte. Außerdem standen Zeiten irgendwann auch auf den Monitoren.

    Weniger Probleme hatte ich mit dem Kreislaufen. Klar, dreimal musste ich mich auch „drehen“ bevor ich in etwa musste, wo ich bin. Zur Orientierung halfen mir diverse Stände oder Futterstationen, nachher war es total einfach.
    Ob eine zusätzliche Beschilderung hilfreich gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln. Die hätte man doch bei der Anzahl der Besucher schlichtweg übergesehen.

    An sich ist mir die Stimmung nicht so negativ aufgefallen. Ob gute oder weniger gute Atmosphäre lag doch an die jeweilige Bands bzw. in wie weit sich das Publikum für die jeweiligen Interpreten interessierten.
    Z.B. bei Argonoize war die Stimmung bis in den hinteren Reihen zu spüren.

    Selbst bei den Massenveranstaltungen wie von dir erwähnt Depeche Mode hält sich auf den hinteren oberen Plätzen überschaubar, während jeder Block näher zur Bühne die allgemeine Akustik und Körperbewegungen interviver werden.

    Manchmal frage ich mich, welche Vorstellung die Besucher von einem Stadt-Festival haben. Ich meine, die Arena ist Luftlinie 1000m von der Innenstadt und dem HBF entfernt.
    Wo gibt es denn so was?
    Jetzt kommt mir nicht mit dem WGT, dass ist schließlich ein ganz anderes Konzept und der Musikfreund muss um seine Lieblingsband zu sehen kreuz und quer durch die Stadt laufen.
    Überall muss man Kompromisse eingehen. Das Mera ist zum Beispiel auf ’nem „Acker“ mitten in der Walachei

    Auch der Tanzbrunnen hatte viele Nachteile.
    Kapazität schon längst überschritten, das stickige Staatenhaus mit der schlechten Akustik, keine Möglichkeit eine Band ganz mal gechillt und relaxt anzuschauen, Getränkepreise (zumindest für die Nichtalkoholischen) extrem hoch….
    Nur meinen Beachclub weine ich ein Träne nach.
    Ganz zu schweigen, dass das Gelände in dem Ausmaß nicht mehr zu Verfügung steht.

    Warten wir das nächste Jahr mal ab und hoffen, dass diverse Kinderkrankheiten ausgemerzt werden !

  2. Im Prinzip gebe ich dir Recht, und ich muß gestehen, ich habe bei der ein oder anderen Band auch einfach nur auf dem Rang gesessen, mir die Musik angehört und entspannt :-)
    Allerdings finde ich (und das als Lob für die Veranstalter), dass die geänderten Zeitpläne durchaus gut kommuniziert wurden (Facebook kann ich nicht beurteilen, aber Samstag abend wurden die Pläne für Sonntags schon auf alle Sreens in der Halle aufgespielt).
    Ich fürchte allerdings auch, dass wir uns mit der neuen Location abfinden müssen, und hoffe, die Müllberge werden nächstes Jahr etwas weniger!

Kommentare sind geschlossen.

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