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Album des Monats

Review: Deichkind – Neues vom Dauerzustand

Wir verleihen den Titel Album des Monats Februar 2023 auf depechemode.de. An Deichkind. Ausgerechnet. Ja haben wir denn eine Delle am Helm?

„Klaffender Riss in der Nuss
Hier fehlt der Fahrer im rasenden Bus“

Eines der vielen fabelhaften Synonyme für permanente Hirnüberforderung, mit denen ebenjener Denkzentrumsbeulentrack das achte Album der Hamburger eröffnet.

„Ganz egal, die Richtung stimmt (Immer, immer gradeaus)“

Das rappt er so, der Kryptik Joe. Dabei weiß man doch längst, dass man dem Wahnsinn, den er, Porky und La Perla sowie die ganzen Features – Roger Rekless (mittlerweile wohl nicht mehr nur live festes Mitglied der Gang), Clueso, Fettes Brot, Dexter, Drunken Masters, Gereon Klug uvm. – abfeuern, nur dann mit vollem Genuss folgen kann, wenn man des Um-die-Ecke-Denkens mächtig ist.

„Fete verpennt, Fete verpennt
Alle sind da außer Greta und Sven“

Nein, nicht (nur?) diese Greta. Nein, nicht (nur?) unser Sven. Aber ja, auf klassische Spaßtracks, wie sie jedes Deichkind-Album bereithält, muss man nicht verzichten. Auch wenn die Band sich angesichts der Weltlage zu Recht dazu entschieden hat, inhaltlich gelegentlich ernster zuzupacken.

„Ich hänge hier im Wald rum
Ohne Hafermilch und Heizung“

Mit so einer schräg daherkommenden Single (inklusive Gejodel) traut sich auch nicht jeder, eine neue Platte anzuteasern. Mit einem Track, der deutlich länger braucht, um den Hörer zu greifen, als andere. Aber im Zweifel kann man sich ja erstmal vom umwerfenden Video (Referenzen checken!) packen lassen.

„Kids in meinem Alter gucken nach atemberaubenden Gartenlauben
Kids in meinem Alter haben in eurem Alter eine Wohnung für fünfhundert Euro bekommen“

„Gefährliches Halb-Googeln“ und andere bekloppte Verhaltensweisen, die sich unsere auch schon etwas angereifte Generation zugelegt haben, bekommen wiederholt gnadenlos und mit brillantem Assoziationsfeuerwerk den Spiegel vorgehalten.

„Ich hab‘ Klopapier von Gucci, schneid‘ Delfine in mein Sushi

Ich bin doch ein Mensch
Hinter viel zu hohen Mauern kann es niemand seh’n“

Die Leere in Kopf und Seele des unsere Welt bestimmenden einen Prozents kann man wohl kaum anschaulicher bebildern als in „Auch im Bentley wird geweint“. Mit Clueso unter der Kapuze.

„WM in Katar (Merkste selber)

Doppelhaushälfte (Merkste selber, ne?)
Kinosterben beklagen
Aber dann schön Netflix gucken (Merkste selber)“

Und immer dann, wenn man es sich nickend in seinem Bessersein gemütlich macht, wird man selbst beim Mausen erwischt. Das ist angenehm erdend.

„Bunga-bunga, Banana, Copacabana
Fressen Macarena, tanzen Makkaroni“

Wenn eine Satire wie „Lecko mio“ mit ihrem Gagarefrain demnächst auf deutschen Partyinseln ein Hit wird, das wäre schon ein herrlicher Spaß, oder?

„Ke-Ke-Keller mit Konserven, die Kollegen nenn’n mich Prep-Gott
AppleCare, Peli-Case für mein Laptop“

Der Deutsche geht eben gerne auf „Nummer Sicher“. Ohne Selbstbeteiligung.

„Nee,?heute will ich nicht, danke
Könn’n wir das nicht morgen machen?“

Prokrastination ist kein Fremdwort. Also für viele von uns. Auch für den Verfasser dieser Rezension? Ma‘ drüber nachdenken. Obwohl, jetzt nicht, lieber chillen, denn: „Kein Bock“.

„Bei dem, was die da oben labern, da platzt mir der Kragen
Ich will die Dinge wieder so haben, wie sie früher waren“

Hier wird es doch mal explizit politisch. Der „Wutboy“ stellt sich als hässlicher kleiner Bruder vom „Woodburger“ vor (mit Grüßen an die Beste Band der Welt™).

„Bitte Bier aus der Drohne
Aber bloß keine Bowle“

Und gleich danach doch noch ein Partytrack, als wären wir Mitte der 90er. Mit Fettes Brot im norddeutschen Partykeller.

„Ich so: „Wodka oder Gin?“ (Ey, Mann, ich will nicht fahr’n)“

Kater hinterher eingepreist.

„Komm ma‘ in die Gänge, Jung?, schreib doch ma‘ ein’n Hit (Wie denn?)“

Oder eben gleich 14 davon. Wie auf „Neues vom Dauerzustand“. Mit Beats und Elektro, wie es auf diesen Seiten hier angemessen ist. Darum: Album des Monats.

Depechemode.de-Wertung:
★★★★★ (4/5)

Deichkind – Neues vom Dauerzustand kaufen:

PS: Deichkind auf Tour:

SF_Deichkind_InderNatur

21.06.2023 AT – Wien, Wiener Stadthalle

22.06.2023 München, Olympiahalle

23.06.2023 Leipzig, Festwiese

07.07.2023 Dortmund, Westfalenpark

08.07.2023 Frankfurt am Main, Festhalle

04.08.2023 Stuttgart, Cannstatter Wasen

25.08.2023 Hannover, Expo Plaza

26.08.2023 Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld

01.+02.09.2023 Berlin, Parkbühne Wuhlheide

www.deichkind.de

www.facebook.com/Deichkind

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

3 Kommentare

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  1. Uiuiui, was für eine massive Testosteroneinlage !
    Ohne jemanden wie Martin der mir seiner introspektiven Genderfluidity dem Schrei nach Frauenquoten den Wind aus den Segeln nimmt – oder sonstigen Windsbräuten… hier feiert die Urgesellschaft der Seemänner wohl fröhliche Neuaufstände.
    Leider sehr Geil! haha :D

    • P.S. – die Live-Auftritte von Deichkind sind oft extrem aufwändig, und die Tickets kosten trotzdem zwischen 50-60 EUR, ich finde das echt super fair!
      Irgendwie werd ich grad scheinbar zum Deichkind-Fan. Mir war nicht klar wieviel kreative Power hinter dem Projekt steckt – ein ganzes Künstlerkollektiv.
      „Bon Voyage“ war mir zu klebrig und einige Sachen dazwischen (bspw. das Video zu „Leider Geil“) einfach zu heftig, da komme ich dann doch nicht mit.
      Aber der Output der letzten Jahre und das was hier zu sehen ist ist ja nun wirklich super.

  2. Hammer! Bin erfolgreich geplättet :)

Kommentare sind geschlossen.

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