Nach immer wieder verschobenen Tourdaten kehren Nitzer Ebb im April auf die Konzertbühnen von Europa zurück. Bevor die Band mit der Tour beginnt, haben Douglas, Bon, David und Simon unsere Interviewfragen kurz beantwortet. Sie haben über die Pandemie-Zeiten, über die etwas komisch abgelaufene US-Tour vom Ende letzten Jahres und auch über ihre bevorstehenden Konzerte (auch mit Nine Inch Nails) erzählt.
depechemode.de: Douglas, du bist der Frontmann – abgesehen von ein paar Gesangsstücken von Bon – von Nitzer Ebb schon seit fast 40 Jahren. Genießt du noch immer diese Rolle?
Douglas McCarthy: Es ist so erfüllend, wie es immer war. Ich mag auch gerne, wenn Bon diese Rolle übernimmt.
Dein langjähriger Freund und Mitmusiker Bon hat während der Quarantäne Cover-Songs – aufgenommen unter einem Zitronenbaum in seinem Garten in LA – auf YouTube veröffentlicht. Und womit hast du dich in der langen „Corona-Zeit“ beschäftigt?
Douglas McCarthy: Bon, ich und ein anderer Musiker aus LA haben ein neues Projekt namens DRAG gestartet. Ich habe auch bei einigen anderen Projekten als Gast mitgewirkt.
Als die US-Tour Ende letzten Jahres begann, musstest du nach dem Tourstart aus gesundheitlichen Gründen die Bühne vermissen. Was denkst du, hat Bon die Herausforderung, dich auf den Konzerten zu ersetzen, gut gelöst?
Douglas McCarthy: Da ich mich gerade dann erholte, konnte ich seine Leistung nicht aus erster Hand miterleben, aber nach dem, was ich gehört habe, hat er seine Sache ausgezeichnet gemacht, und ich war dankbar, dass er die Rolle übernehmen konnte.
Bist du jetzt wieder gut in Form? Die Fans haben sich nämlich Sorgen um dich und um deinen Gesundheitszustand gemacht. Wartest du schon auf die Rückkehr auf die Bühne und auf das Treffen mit den Fans?
Douglas McCarthy: Mir geht es weit mehr besser, danke. Ich freue mich auf diese kommende Europatournee und auf alles, was damit zusammenhängt. Unsere Proben waren hervorragend und ich erwarte wie immer eine großartige Reaktion unserer Fans.
Nicht nur mit Nitzer Ebb, sondern auch mit deinem anderen Projekt Fixmer/McCarthy wirst du wieder aktiv sein. Bedeutet das auch die Aufnahme von neuen Tracks oder nur Live-Shows mit dem alten Material?
Douglas McCarthy: Es wird möglicherweise neue Tracks mit FM geben. NE wird auf den überarbeiteten Versionen von klassischen Songs basieren, die wir mit Dave Gooday begonnen haben.
Gibt es Lieblingssongs von dir aus eurem Backkatalog, die du besonders gerne live performst? Werdet ihr eure Fans im Frühling und im Sommer auch mit Überraschungen faszinieren?
Douglas McCarthy: Ich genieße ehrlich gesagt alle Songs im Set, aber bestimmte Songs sind an manchen Abenden einfach der Hammer, je nach Beteiligung des Publikums.
Wie sieht es aktuell mit deinem Lemontree-Projekt aus, Bon? Hast du weitere Cover-Lieder aufgenommen?
Bon Harris: Ich habe zwei Sets mit neuen Songs vorbereitet. Eigentlich wollte ich die nächste Folge noch vor meiner Abreise aus L.A. aufnehmen, aber mir lief die Zeit davon. Ich werde die Songs jetzt bei der Superbooth in Berlin und bei der Hotbox-Show in Chelmsford am 30. Juni live vorstellen – eine Show, auf die ich mich sehr freue!
Die US-Tour vom Ende letzten Jahres wird für dich bestimmt unvergesslich sein. Du musstest nämlich fast eine ganze Tour lang die Bühne alleine beherrschen und alle Songs singen bzw. shouten. Wie erinnerst du dich jetzt, ein paar Monate später an diese Abende? Hast du diese plötzliche Frontmann-Rolle genossen?
Bon Harris: Ich singe immer gerne – aber die Umstände, die das notwendig machten, haben mir nicht gefallen. Es war eine Notmaßnahme, aber wir alle ziehen es vor, Doug bei guter Gesundheit bei Nitzer Ebb zu sehen. Ich habe mein Bestes getan, um den Fans eine angenehme Show zu bieten, und das ist natürlich eine gewisse Genugtuung. Ich bin sehr dankbar, dass die Fans dies als eine zufriedenstellende Übergangslösung empfunden haben. Jetzt ist alles wieder beim Alten, Doug ist stärker denn je – und darüber bin ich sehr froh.
Wie verlaufen die Vorbereitungen auf die bevorstehende Tour? Gibt es schon eine fixe Setlist oder arbeitet ihr noch an der endgültigen Version? Gibt es neue Tracks in der Liste?
Bon Harris: Wir haben größtenteils eine feste Setlist, aber ich bin sicher, dass wir unterwegs verschiedene Variationen ausprobieren werden.
Es wird auch gemeinsame Konzerte mit Nine Inch Nails geben. Wessen Idee war es, Trent Reznor & Co. zu supporten? Ich denke, ihr habt sie mit dem von euch kreierten musikalischen Genre Ende der 80er/Anfang der 90er stark beeinflusst. War das ein Zufall? Hat das nur damit etwas zu tun, dass die beiden Bands mit Flood gearbeitet hatten, oder habt ihr einfach zur rechten Zeit den Wind der Veränderung in der Elektro-Underground-Musik gespürt?
Bon Harris: Flood ist immer ein großer Einfluss, das ist also ein roter Faden. Die Möglichkeit, für NIN in Cleveland zu spielen, ergab sich durch unseren Booking-Agenten in den USA. Ich glaube, nachdem wir zugestimmt hatten, gefiel den Leuten, die NIN buchen, die Idee, dass wir bei ein paar anderen Shows auftreten.
Fast 40 Jahre ist es schon her, dass ihr – junge, aufmüpfige Skaters mit Musiker-Ambitionen aus Chelmsford – erstmals auf die Bühne getreten seid. Was fällt dir als erstes ein, wenn du jetzt auf diese Tage zurückblickst?
Bon Harris: Ich genieße die Tatsache, dass ich immer noch den Geist und die Energie erkenne, die ich jetzt – als Männer mittleren Alters – in uns sehe, wenn ich uns als Teenager ansehe. Der Geist ist immer noch sehr stark vorhanden.
Wie siehst du die Zukunft von Nitzer Ebb? Möchtet ihr nur als Nostalgie-Band mit Live-Shows weitermachen, oder gibt es noch Chancen auf neues Material von euch?
Bon Harris: Alles ist möglich. Ich denke, im Moment haben sowohl Doug als auch ich neue musikalische Ideen, die für neue Projekte besser geeignet sind. Wir entwickeln die NE-Live-Show weiter, nehmen Änderungen am Sound vor, so dass auch die Live-Show in ständiger Entwicklung ist und nicht nur eine statische Nostalgie-Nummer. Ich denke, jedes neue Produkt von NE wäre eher eine Art Update-Version älterer Songs. Es gibt ein paar neue Ideen, die wir in der Bibliothek haben, die für NE geeignet sein könnten, also wer weiß? Wie ich schon sagte – alles ist möglich.
David, es ist schon mehr als zwei Jahre her, dass wir uns zum letzten Mal in Barcelona getroffen haben. Da habt ihr ein feines Clubkonzert im Sala Apolo noch als Quartet (Douglas, Bon, Simon und du) gegeben. Und dann gab es – dank der Corona-Pandemie – eine längere Zwangspause. Im späten Herbst und am Winteranfang letzten Jahres ging die Band wieder auf Tour in die USA, jedoch ohne Simon. Gleich zu Tourbeginn hatte Douglas leider gesundheitliche Probleme und Bon musste die Rolle des Frontmanns übernehmen, um nicht alle Shows absagen zu müssen. Welche Erinnerungen hast du von diesen merkwürdigen Konzerten?
David Gooday: Die letzte Amerika-Tournee war ohne Douglas sehr seltsam. Nur wir beide auf der Bühne sorgten für eine ganz andere Show.
Ich muss sagen, ich hatte Spaß, wie wir ihn immer haben, aber es ist nicht die Show, die wir gerne machen. Bon war fantastisch, als er für den Gesang eingesprungen ist, und er hat einen hervorragenden Job gemacht.
Und obendrein durftest du Bon nach Kanada nicht begleiten. Was war der Hintergrund dieser Verordnung?
David Gooday: Die kanadische Show, die ich nicht gemacht habe, war eine Qual. Ich saß im Flughafen von Newark fest und musste dann den Weg nach Detroit finden, um die Crew am nächsten Tag wieder zu treffen. Alles wegen einer zehn Jahre alten Verurteilung, aber die Kanadier sind immer ein bisschen pingelig, wenn es um deine Vergangenheit geht.
Die Europa-Tour wurde wieder verschoben, aber im Frühling geht die Band wieder auf die Reise, mindestens als Trio. Es gibt Städte, wo du noch nicht aufgetreten bist, zum Beispiel Prag, Wien, Warschau oder Budapest. Warst du schon einmal als Tourist in einer dieser ostmitteleuropäischen Städte?
David Gooday: Der einzige Ort, an dem ich schon einmal gewesen bin, war Wien vor vielen Jahren auf der ersten Ebb-Tournee.
Diejenigen, die dir in den sozialen Medien folgen, wissen schon, dass du an irgendwelchem neuen Stoff arbeitest. Könntest du uns bitte ein paar Worte darüber erzählen?
David Gooday: In den letzten Jahren war es sehr merkwürdig, dass ich mich wegen des Covids nicht mit Simon treffen konnte. Aber ich habe es gewagt, neues Material zu schreiben… Ich konnte es nicht wirklich STARK nennen, da nur ich allein daran beteiligt war. So habe ich beschlossen, ein Projekt unter meinem Künstlernamen DTG zu machen. Alles, was ich gemacht habe, ist live, keine Computer, keine Bearbeitungen, direkt auf die Festplatte, was du hörst, ist das, was du bekommst. Es wird einige Live-Streams in der Zukunft geben und es gibt eine neue Bandcamp-Seite: starkdtg.
Simon, mehr als zwei Jahre ist es schon her, dass wir uns zum letzten Mal getroffen haben. Du hast Nitzer Ebb auf ihrer aktuellen Tour begleitet, wo die Setlist im Vergleich zu den früheren Shows stark überarbeitet wurde. Es war mehr elektronisch und tanzorientiert. Hatte das mit deinem musikalischen Seitensprung mit David Gooday, STARK, etwas zu tun?
Simon Granger: Ja, das stimmt. 2017 / 2018 sprachen wir mit Bon und er bat uns, einige Nitzer Ebb-Tracks mehr im Stil eines STARK-Live-Sets zu interpretieren. Wir haben einige Elemente herausgenommen und uns mehr auf den Bass und die Percussion konzentriert. David stellte in einem kalten, miserablen Januar in etwa vier Wochen ein Sample zusammen und wir arbeiteten immer wieder daran. Bon und Douglas gefiel das Konzept, und so wurde es schließlich zur neuen Struktur des Live-Sets. Bon und David verfeinern es ständig, und die Stücke können von Show zu Show variieren. Zwei Jahre sind sehr schnell vergangen.
Beschäftigen dich noch immer die Design-Arbeiten neben den Musiker- und DJ-Tätigkeiten?
Simon Granger: Ja, aber nicht in der Art und Weise, wie es manchmal unter großem Druck geschieht. Normalerweise mache ich nur Sachen für Freunde, im Moment arbeite ich für Bon an seinem Projekt Songs From The Lemon Tree. Das ist schön zu machen, sehr entspannt. Ich bin eigentlich kein DJ, die STARK Live-Shows sind eher ein kontrollierter Zufall. Das Format hat allerdings einige Parallelen zum DJing, wenn ich so darüber nachdenke.
Deine Freundin ist eine begabte Fotografin, die auch im Pop-Biz tätig ist. Seid ihr die größten Kritiker oder Fans des Werkes des anderen?
Simon Granger: Ich bin definitiv ein Fan ihrer Arbeit. Wir kamen zum ersten Mal über ein Bild von Octave One ins Gespräch, das sie aufgenommen hat. Sie schafft es, aus jedem einzelnen Bild, das sie aufnimmt, etwas herauszuholen. Sie genießt auch den Prozess des Grafikdesigns – so lernen wir wirklich viel voneinander. Es gibt immer etwas Neues zu lernen.
Womit hast du deine Zeit während der Pandemie zugebracht? Hast du etwas Kreatives gemacht?
Simon Granger: Ich hatte das Glück, dass ich meinen Vollzeitjob immer noch von zu Hause aus ausüben konnte. Es war schön, jeden Tag spazieren zu gehen und aus offensichtlichen Gründen Menschenmassen zu vermeiden. Ich habe es wirklich genossen, und ich bevorzuge eine weniger hektische Umgebung. Mit Davids Hilfe habe ich ein sehr kleines modulares Eurorack-System zusammengestellt, das ich jetzt benutze. Es ist wirklich hilfreich, dass es auch leicht ist. Was die Kreativität angeht, so neige ich dazu, ständig Dinge in meinem Kopf zu entwerfen – manchmal wird etwas daraus, manchmal nicht.
Die Europa-Tour beginnt – nach einer langen Zwangspause – Mitte April. An welchen Konzerten wirst du auch teilnehmen?
Simon Granger: Ich trete dieses Mal nur wenige Male auf, da ich berufliche Verpflichtungen habe. Ich werde diesen Monat am 26. in London sein, am 17. Juni in Cornwall mit NIN, am 05. August beim M’era Luna und möglicherweise gibt es noch ein weiteres Konzert, das noch bestätigt werden muss.
Hier findet ihr die Konzertdaten und Orte inkl. Kartenkauf:
http://www.nitzer-ebb-produkt.com/#shows
Bleibt Ebb-ed!
Cool, bei Nitzer Ebb gibt es für mich noch einiges zu entdecken, ich habe die damals nicht so verfolgt – wahrscheinlich weil es mir damals zu heftig/aggressiv erschien und mit meinem damalige Umfeld nicht kompatibel war… aber jetzt ist die Zeit vielleicht gekommen.
START/Nitzer Ebb „Fall in Love with Me“ ist ja wohl der Oberhammer… bekomme schon seit Tagen nicht genug davon… Danke für den Link!!!