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Im Interview: Lykard über Techno, Luftschutzkeller und Martin Bodewell

Da ist man gerade damit beschäftigt, sich aktuelle Veröffentlichungen anzuhören, da landet Lykard auf dem Schreibtisch. Kurze Recherche und dann die Feststellung, dass da doch Gesprächsbedarf besteht und das nicht nur zur aktuellen Single „Unsterblich“ mit Martin Bodewell von Orange Sector. Anhören könnt ihr das Musikstück auf Bandcamp und wenn es euch gefällt auch darüber erwerben. Genug der Werbung, Zeit für Fragen.

Hallo Vasi. Wir haben uns lange nicht gehört. Gelesen. Aber ich habe aufmerksam verfolgt, was du gerade so treibst und aktuell bist du nicht nur an einer neuen limitierten Frozen Plasma- Veröffentlichung dran, sondern hast auch ein neues Projekt mit dem Namen Lykard gestartet. Das wievielte ist das jetzt? Ich komme langsam nicht mehr nach mit dem Zählen.
Also in zeitlicher Reihenfolge: NamNamBulu, Reaper, Frozen Plasma, Future Lied To Us, Lykard. Eigentlich nur 5. Wobei NamNamBulu zwischendurch viele Jahre pausiert war, Reaper ebenso. Hauptfokus lag und liegt noch immer auf Frozen Plasma. Jedes Projekt hat jedoch seinen eigenen Reiz und – zumindest für mich – seine Berechtigung. Man könnte jetzt sagen, ich solle mich lieber auf ein Projekt konzentrieren. Dies würde mich jedoch nicht im geringsten auslasten zumal aus privaten Gründen bei Beteiligten der Band mal mehr, mal weniger Zeit für das jeweilige Projekt zur Verfügung steht. Aber natürlich geht es auch darum, etwas kreative Abwechslung zu haben.   

Dein neues Baby heißt Lykard. Ich habe mich drangesetzt und versucht rauszufinden, was ein Lykard ist. Spielst du World of Warcraft? Da gibt es nämlich einen Hohepriester, der den Namen trägt.  
Tatsächlich hatte ich keine Ahnung, dass es eine Figur mit dem Namen gibt. Ich habe in jungen Jahren (also gestern) extrem viel gespielt. Auch die ersten Warcraft in den 90er Jahren. Selbstverständlich auch auf privaten und öffentlichen Lan Parties. In den letzten Jahren hab ich aber komplett den Bezug zu Games verloren. Mich haben natürlich einige  darauf hingewiesen, dass besagter Priester so heißt. Da war der Name aber schon beschlossen.  

Jetzt klingt das ja so gar nicht nach Vasi Vallis.  
Back to the roots, also. Was viele nicht wissen, ist, dass du früher im zarten Alter von 16 Jahren in den Bereichen Acid House, Chicago House und später auch Trance und Techno unterwegs warst. Nun bestand Acid House ja unter anderem aus den Geräuschen eines Roland TB 303. Hattest du so ein cooles Teil?  

Leider nein. Freunde von mir schon. Oder mein Musiklehrer. Sowas konnte ich mir nicht leisten. Damals war der Musikladen das Paradies. Dort konnte man testen, träumen und die Verkäufer nerven. Die hatten aber viel Verständnis mit uns. Ich musste also auf Equipment von Kumpels oder eben von meinem Musiklehrer zurückgreifen. Damals hatte ich ein Tascam Mehrspurgerät (Auf Kassette!) welches ich immer dabeihatte. Was aufgenommen war, war aufgenommen.  Die Sessions waren also sehr spontan und die Möglichkeiten begrenzt. Was rückblickend eher kreativitätsförderlich war. Mein erster Sampler war ein Roland S10. Damit konnte ich endlich Wortfetzen auf die Tasten verteilen und „Jack Your Body“ von Steve Silk Hurley nachbauen.  

Wie kommt man als Schweizer mit griechischen Wurzeln denn mitten in der Schweiz auf die Idee, solche Musik zu machen?
Naja, das war damals sehr angesagt. Also Acid, Acid House, House im Generellen. Ich habe damals schon Chicago House Kassetten gemixt und sie verkauft. War nicht legal aber unheimlich cool. Zumindest dachte ich das. Ich habe mit 15/16 regelmäßig in mehreren Clubs aufgelegt. Vor allem Chicago House und später eben Acid House. Und wie gesagt davon Mitschnitte auf Kassetten gemacht und mit diesen gedealt. Gangsta!   

Warst du damals auch auf so halb-legalen Parties wie es sie in England gab oder hast du dich lieber in die Musik verkrochen? Falls du sowas beigewohnt hast, was ist deine spannendste Erinnerung? 
Ja auf jeden Fall. Zürich war damals viel konservativer als andere Städte in Europa. Ich hatte einen roten Pager. Das hieß, dass ich ein „Verteiler“ also ein „Multiplikator“ war. Es gab zeitweise 18 Standorte. 18 Telefonnummern von 18 Verteilern waren jeweils mit dem Standort verbunden. Wenn also die Nummer xxxx auf dem Pager erschien, musste man zu Standort 16. Da fand die Party statt. Das klingt einfach, war aber viel komplexer, weil jeder Verteiler ja eine andere Telefonnummer hatte. Später haben wir dann illegal Plakate aufgehängt mit entsprechend kryptischen Angaben. Erlebnisse der kuriosen Art gab es etliche. Von Kurzschlüssen und Lahmlegung ganzer Häuserblocks , also Stromausfall bis zum Gerücht, dass Juan Atkins auftauchen würde. Es tauchte auch jemand auf, der so aussah und den wir quasi angebetet haben. Aber er war es nicht. Er hat es aber sichtlich genossen. Gerüchte wurden damals noch anders verbreitet. Bestes Erlebnis war aber eine Party in einem Luftschutzkeller, welcher mit allerlei militärischem Proviant versehen war. Also dieses Astronautenessen, ewig haltbare Kekse usw. Schmeckte alles super, bekam aber sehr vielen gar nicht. So richtig nicht. Es wurde also vielen übel. Ohne sanitäre Anlagen war das ein Fiasko. Weshalb die Party schnell aufgelöst wurde. Stand am übernächsten Tag prominent in der Zeitung mit allerlei Verschwörungstheorien.  

Wie kommt man denn von Acid House und Classic House zu Trance und Techno und später zu Electropop? 
Chicago House, Acid, Techno Trance waren normale, zeitliche Entwicklungen, die man so mitgemacht hat. Vieles hat sich überschnitten, vermischt, separiert. Es gab fast jeden Monat irgendeine Splitterrichtung. Ich habe sogar sehr erfolgreich Eurodance gemacht. Ich wollte und will mich da einfach nicht limitieren.  Was mir Spaß machte, habe ich gemacht. Oder zumindest versucht. Ich habe auch einige Hip-Hop Tracks gemacht zu Zeiten, als ich Moses P. absolut verehrt habe. Zu Szenemusik kam ich erst Anfang 2000 als ich VNV hörte und mir dachte, dass kein wirklich großer Unterschied zu einigen bekannten Trance Hymnen zu hören war. Außer natürlich der völlig ungewohnte und prägnante Gesang und ein bisschen Dreck im Sound. Trance war damals schon sehr clean. Wie schon beschrieben fand ich das spannend, habe es also probiert. Und ich probiere noch heute (lacht).

 Lykard klingt aber so gar nicht nach Trance und Techno, sondern die erste Single eher nach EBM. Lag das am positiven Gesamteinfluss deines Gastsängers Martin Bodewell(Orange Sector)?  
Wenn Du Dir das Instrumental anhörst, klingt das (meiner Meinung nach) kein bisschen nach EBM. Das ist einfach ein elektronischer, minimalistischer Track. Die Vocals von Martin sind bei Unsterblich natürlich dermaßen prägnant, da er eine Referenz im EBM ist, dass der Track sofort entsprechende Assoziationen weckt. Ich habe prelistenings mit Leuten veranstaltet, die mit klassischem EBM überhaupt keine Erfahrung haben und die fanden die Mischung interessant. Das war aber nur der erste Track. Wart mal ab was da noch kommt. Das wird noch viel technoider und monotoner. Auch wenn man sich über den Begriff Techno in der Szene gerne und teilweise sehr engstirnig streitet.

Hast du zaubern müssen, um Martin für dein Projekt zu gewinnen oder hattest du leichtes Spiel, weil Orange Sector auch auf dem gleichen Label wie du sind? Oder hatte Infacted-Labelchef Torben Schmidt da seine Finger mit im Spiel? 
Nein, er war sehr offen für die Zusammenarbeit nachdem er das Demo gehört hat. Martin wird im übrigen immer wieder für Kollaborationen angefragt. Sehr häufig aus der Technoszene weil seine Stimme einfach extrem stark ist und das nicht nur für klassische EBM Shouts. Ich hab nur gestaunt wie professionell, schnell, und auf welchem Niveau die Vocal Aufnahmen bei mir im Studio verliefen. Zudem ist mein Studio momentan in Hannover wo ich versuche, lokale Musiker mehr zu verbinden und zu Zusammenarbeit zu überreden. Martin wohnt ja auch in der Nähe. Ich bin das einfach so gewohnt, dass man das so macht. Meine Studioräume und die vieler Freunde waren, sofern ich welche hatte, immer auch Orte der Begegnung verschiedenster Musiker und Künstler. Nicht nur um sich musikalisch auszutauschen, sondern auch gesellschaftlich, politisch und anderweitig. Ich denke da sehr gerne an meine 2 Jahre in Gelsenkirchen im Studio 600 bei Krischan Wesenberg zurück. Da wurde morgens erstmals philosophiert, wurden politische Debatten abgehalten und dann erst musiziert.  

Nach meinem Kenntnissstand ist eine EP geplant. Wann können wir mit der rechnen? 
Noch vor dem Sommer. Sie wird natürlich sehr clubbig. Nur sind momentan alle Clubs zu. Wir werden sie trotzdem schnellstens auf Infacted Recordings releasen.   

Die finalen Worte gehören dir. 
Ich gebe zu, schon immer Udo Jürgens Fan gewesen zu sein.  

Josie Leopold

Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrückter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews führe, Beiträge verfasse oder versuche Wordpress davon zu überzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.

5 Kommentare

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  1. Bitte nicht böse sein,

    nüchtern ist das nichts besonderes, vielleicht ab 2 Promille könnte funktionieren.

    SPARK! – Maskiner von 2016 ist das letzte gute EBM Album . Ich liebe SPARK!
    oder auch Neu https://youtu.be/xz63HQoN5Rg

    • Na wenigstens magst du SPARK! und drischt mir hier nicht Nitzer Ebb um die Ohren. Da bin ich gleich ein bisschen glücklicher :)

    • ha,ha,

      neue Technik, neue Möglichkeiten,frisches Blut.

      Spark! ist außergewöhnlich ,deswegen erwähnenswert.

  2. Zitat: „Ich habe sogar sehr erfolgreich Eurodance gemacht.“
    Das ist doch nicht etwa eine Provocation?

Kommentare sind geschlossen.

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