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Amphi 2022 – Tag 2: Die Hitzeschlacht geht weiter

Von Patrick Friedland und Martina Meyer

Tag 2 des Amphi Festivals โ€“ und es wurde noch ein wenig heiรŸer. Diesmal gab es gar Temperaturen um die 30 Grad. Noch mehr Menschen als schon am Samstag suchten einen der raren Schattenplรคtze auf oder gingen direkt vor die Bรผhnen.

Wer fit genug war, stand pรผnktlich um 11 Uhr vor der Mainstage, um sich Johnny Deathshadow anzuschauen. Die im Gesicht stets horrorpunkig angemalten Deathrocker gaben ihr Bestes, das noch recht spรคrlich anwesende Publikum mitzureiรŸen, was auch durchaus gelang. Ich bin aber ehrlich: Stimmlich ist das Ganze wahrlich nicht mein Fall. (PF)

Hier kรถnnt ihr unseren Bericht vom ersten Amphi-Tag lesen.

Weiter ging es mit Elektronikern mit kurzer Anreise. Einmal รผber die A1 von Dortmund nach Kรถln konnten Rroyce fahren, die eigentlich im Rahmen des Festivals groรŸ auf ihre anstehende โ€žRROARRโ€œ-Tour im Herbst hinweisen wollen. Leider blieb, wie Sรคnger Casi verriet, das Banner in der Post hรคngen. Werbung in eigener Sache konnte das Trio aus dem Revier trotzdem machen, der treibende Synthie-Pop, garniert mit einzelnen Gitarrensounds und sympathischen Zwischenansagen lieรŸ die Laune der meisten Anwesenden sicht- und hรถrbar ansteigen. โ€žHabt Ihr Lust auf Tschakkatschakka?โ€œ, fragte Casi. Klare Antwort: Jep, hatten sie. (PF)

Weg vom Synthpop, hin zur Neuen Deutschen Hรคrte. Das GroรŸ der Mitglieder von Heldmaschine ist als Rammstein-Coverband Vรถlkerball deutlich erfolgreicher. Doch erst Auftritte mit eigens geschriebenen Songs befriedigen Kรผnstlerbedรผrfnisse ja meist so richtig, von daher verรถffentlichen Renรฉ Anlauff & Co. seit 2012 regelmรครŸig eigene Alben. Und einige Songs stehen der Qualitรคt der Hits der groรŸen Vorbilder in nichts nach. Ob โ€žRโ€œ, โ€žAuf allen Vierenโ€œ, โ€žRadioaktivโ€œ oder das abschlieรŸende โ€žWeiterโ€œ, die Songs sorgten fรผr richtig gute Stimmung vor der nun schon sehr gut gefรผllten Hauptbรผhne. Nur manch regulรคres Heldmaschine-Showelement, wie die Laserstrahlen, die Sรคnger Anlauff aus einem Schultergestell bei โ€žRadioaktivโ€œ schieรŸt, verpuffte im sengenden Sonnenlicht. Konnte man aber verschmerzen. (PF)

Mit Blick auf bunte Luftballons und dem Haarmann-Lied โ€žWarte warte nur ein Weilchenโ€ im Ohr, wuchs die Vorfreude auf DAS Hollywood-Projekt schlechthin. Einmal mehr vor der Main Stage eingefunden und in der Sonne brutzelnd, sollte sich dieses kurze Warten jedoch nachhaltig lohnen, denn bisher hatte ich Aesthetic Perfection immerzu verpasst. Mit bunten Hawaii-Hemden und weiรŸen Socken oder gar Kniestrรผmpfen bekleidet, hatte ich Mastermind Daniel Graves zwar nicht erwartet, aber es passte einfach wunderbar ins Konzept. ร„sthetisch das Clown-Outfit, perfekt die Show. โ€žWe are here to Partyโ€, gab der Frontmann zu verstehen und das traf sich gut. Ob โ€žNever Enoughโ€ oder โ€žAntibodyโ€, ein Kracher nach dem nรคchsten wurde von Band und Publikum frenetisch gefeiert. Und auch, wenn es eigentlich nicht nรถtig war, weil lรคngst geschehen, animierte WeiรŸgesicht Graves weiter: โ€žIt`s time to let the rhythm take controlโ€, hieรŸ es hier. Wer bis dahin noch nicht im Partymodus war, hatte spรคtestens jetzt keine Chance mehr, sich dem Tanzmusik-Hochgenuss zu entziehen. Ein Ende fand meine persรถnliche 50-minรผtige Sonnentanz-Eskalation mit dem Abschlusssong โ€žLove Like Liesโ€mit dem uns das bunt-schwarze Trio in den Tag entlieรŸ. Fazit: Ein ganz starker Auftritt der US-Amerikaner, der meine Erwartungen absolut รผbertraf. (MM)

Danach wurde es mit Samsas Traum deutlich gitarrenlastiger โ€“ und weniger freundlich. Berรผhmt-berรผchtigt fรผr seine Verbalauswรผrfe, enterte Alexander Kaschte die Stage und beleidigte direkt mal den Roadie als โ€žBesenjungeโ€œ, weil dieser es wagte, ihm Wasser mit Kohlensรคure zu reichen: โ€žSoll ich nun die Fans anrรผlpsen?โ€œ Mal ehrlich: Das hรคtte niemanden gewundert. Zwischen Anekdoten รผber die โ€žBauernstinkerโ€œ in seiner Schulzeit, die ihn bei einem seiner ersten Konzerte mit Tomaten beworfen haben, gab es zahlreiche bekannte Songs. โ€žEndstation Edenโ€œ, โ€žStromausfall im Herzspitalโ€œ und natรผrlich โ€žEin Fรถtus wie duโ€œ sowie โ€žKugel im Gesicht (9mm)โ€œ โ€“ eine runde Sache. (PF)

Um halb 5 ratterten die Sequenzer: Auf ging es zu Sturm Cafรฉ, die erste Band des Tages, die wir auf der Orbit Stage verfolgten. Puristische EBM war angesagt, die in witzigem Mรถchtegern-Deutsch verfassten Texte taten ihr รœbrigens. Schรถn: Es war auf der MS RheinEnergie deutlich voller als am ersten Tag zum gleichen Zeitpunkt. Ein ordentlicher Moshpit brachte das Schiff fast schon zum Wackeln, Szene-Hits wie โ€žStiefelfabrikโ€œ, โ€žEuropaโ€œ โ€“ aus traurigen Grรผnden wohl aktueller denn je โ€“ und โ€žKoka Kola Freiheitโ€œ trieben die unterdurchschnittlich schwach behaarte und รผberdurchschnittlich muskulรถse Masse vor der Bรผhne ordentlich an. Witzig, weil vรถllig sinnfrei, auch die letzte Aussage von Frontmann Jonatan Lรถfstedt nach 45 Minuten Vollgas: โ€žWir sehen uns im Backstage oder am Merchโ€œ โ€“ dabei dรผrfen Fans natรผrlich nicht ins Backstage und Merch der Schweden gab es leider auch keins. Nun ja. (PF)

Rar sind Auftritte von Dupont geworden. Tastenmann und Shouter Daniel Jonasson sah man zuletzt vor allem als dritten Mann neben Eskil Simonsson und Daniel Myer bei Covenant, hier stand nun aber mal wieder eine Show seines eigenen Projekts an. Und wie schon ihre Landsmรคnner zuvor bewiesen Jonasson und Shouter Riccardo Humor. Bestimmten die eher spรคteren, synthiepop-lastigen Songs die erste Hรคlfte, wurde es ausgerechnet ab der โ€žEndlich, die neue Boyband aus Schweden ist daโ€œ-Einblendung zur Set-Mitte auf der Videowand puristisch und hart. Body-Music-Klassiker wie โ€žBehaveโ€œ lieรŸen den Bereich vor der Bรผhne einmal mehr zum Fight Club werden, zu den letzten Songs zeigte sich Riccardo im blau-gelben Ukraine-Soli-Shirt. Kein Wunder, hatten Dupont doch ihre 2001er-Platte nach dem Land benannt. Schรถn wรคre neues Material des Duos, schlieรŸlich warten Fans schon seit zwรถlf Jahren darauf. Mal sehen, ob da vielleicht bald etwas kommt. (PF)

Grund zur Neugier gab es fรผr die Fans von Erdling auf der Theater Stage, auf der die neuen Bandmitglieder Max Nash und Valeria Ereth die Bรผhne rocken wรผrden. Von einer Freundin und Kollegin mit einem schwarzgefรคrbten Softdrink beglรผckt, musste ich doch noch kurz einmal in mich gehen, um zu รผberlegen, ob ich nun lieber meinen Durst lรถschen oder das Plastikflรคschchen doch besser mit nach Hause nehmen und in eine Vitrine stellen sollte. Denn eines war klar: Flasche, Inhalt oder gar beides mรผssten bei dem Preis vergoldet sein. Mit dem krachenden Sound vom Opener โ€žRabenherzโ€, der dieses herrlich wohlige Bauchgefรผhl hervorruft, ging es dann aber auch schon eindringlich und beschwรถrend los. Die Entscheidung bezรผglich des Umgangs mit dem Flรผssiggold, fiel im Laufe des รผberaus eindrucksvollen Konzerts. Denn wer tanzt, muss trinken. Ob der Mensch nun die Erde verdient hat oder nicht, darรผber darf sich ein Jeder selbst Gedanken machen. Doch hat er es garantiert mehr als verdient, dass eine Band wie Erdling darรผber singt. Und zwar laut und growlig, denn schlieรŸlich soll es ja auch wirken. Doch trotz geballter Klangenergie kam auch der emotionale Part an diesem Abend nicht zu kurz. So berichtete Frontmann Neill Freiwald von seinen negativen Erinnerungen an das Amphi 2019, verknรผpft mit einem erschรผtternden Anruf, nach seinem damaligen Auftritt und der Abberufung des Vaters ein halbes Jahr darauf. Zu hoffen bleibt, dass sein Plan, das Negative mit dem Positiven zu รผberschreiben, tadellos aufging. Das gesamte Theater, gut gefรผllt mit Erdling-Sympathie und Willenskraft, gab ausnahmslos alles dafรผr, ihm dies zu ermรถglichen. Nachdem die Leuchtkraft der โ€žSupernovaโ€ an diesem Abend mindestens verdoppelt und die โ€žGรถtterdรคmmerungโ€ gebรผhrend zelebriert wurde, geleiteten โ€žBlitz und Donnerโ€ die Audienz vielleicht nicht auf den Flug in die weite Welt, zumindest aber in Richtung Frischluft. (MM)

Nach einer kurzen Sichtung des bereits mรคchtig zerpflรผckten Merch-Stands und einer vorgezogenen Abschiedsrunde fanden die FรผรŸe nun noch ein letztes Mal in diesem Jahr den Weg zur recht angenehm klimatisierten Theater Stage. Sono sollte hier nun den letzten Act meines Festival-Besuchs darstellen. Es lag wohl an der รœberschneidung zu Diary Of Dreams, dass die Amphi-Premiere der Synth-Pop-Band nicht so stark besucht war, wie ich es erwartet hรคtte. Die ursprรผnglich Idee, das Konzert, aufgrund des anstehenden Heimwegs, etwas frรผher zu verlassen, erwies sich bereits mit den ersten Tรถnen als absolut utopisch. Es tat einfach so gut, der Stimme von Sรคnger Lennart A. Salomon zu lauschen und die Klรคnge, die Florian Sikorski den Keys entlockte, zu genieรŸen. Ein ganz simpler Automatismus, der den Kรถrper direkt wieder in den Bewegungsmodus versetzte. Beste Genesungswรผnsche fรผr Martin Weiland, der mit doppeltem Bandscheibenvorfall das Bett hรผten musste, gab es per Video-Botschaft. Obendrauf widmete das verbliebene Duo ihm den Song โ€žFlames Get Higherโ€œ. Klar, dass hier nochmal richtig Stimmung aufkam. Auch die neue Single โ€žLight It Upโ€ durfte an diesem wundervollen Sommerabend nicht fehlen. Zu Salomons Einfall โ€žWir bleiben heute den ganzen Tag im Clubโ€, passte der legendรคre โ€žMajor Tomโ€œ nicht ganz so ideal, doch gรถnnte man dem รคuรŸerst bewegungsfreudigen Frontmann auch gern eine kleine Verschnaufpause. Denn der hatte, sehr zur Freude seiner Anhรคnger*innen, โ€žrichtig Bockโ€ zu spielen und wollte seine Spielzeit gnadenlos auskosten. Dies sollte nicht allein ihm rundum gelungen sein, denn bis zum letzten Ton konnte man, bis auf die kleine Ausnahme, Club-Atmosphรคre und positive Energie aufsaugen. Einfach nur schรถn. (MM)

Alles andere als โ€žschรถnโ€œ, aber dafรผr umso mรคchtiger: Cat Rapes Dog. Die Band, die sich mit ihrem Namen aus kommerzieller Sicht so sehr ins Knie schieรŸt wie sonst wohl nur The Toten Crackhuren im Kofferraum oder unbekannte Deutschpunkbands, ist nichts fรผr Weichflรถten. Brutaler Elektropunk trifft auf dicke Riffs von Annelie Bertilsson und die kernigen Shouts von Magnus Fransson. Kracher wie โ€žHuman Remainsโ€œ, โ€žTrojan Whoresโ€œ und der wohl grรถรŸte Szenehit der Band โ€žMoosehair Underwearโ€œ zum krรถnenden Abschluss lieรŸen einen vergessen, dass die MS RheinEnergie normalerweise doch รผber eine recht gut funktionierende Klimaanlage verfรผgt. Zudem zeigten sich die Bandmitglieder sehr fannah und klatschten die lautstark mitgrรถlenden โ€“ von singen kann hier keine Rede sein โ€“ Fans in den ersten zwei Reihen mehrfach ab. Darunter auch ein kleines Mรคdchen im pinken Shirt, dass den Auftritt mit Micky Mรคusen auf den Ohren interessiert auf den Schultern ihres Papas verfolgte. Bleibt nur zu hoffen, dass ihr keiner erklรคrte, was der Bandname bedeutet. So oder so: Es wรคre schรถn, Cat Rapes Dog รถfter auf der Bรผhne zu sehen โ€“ mehr Energie geht kaum. (PF)

Fรผr deutlich mehr Melodie steht der letzte Act des Festivals auf der Orbit Stage. Dennis Ostermann und In Strict Confidence gehรถren in der Szene seit fast drei Jahrzehnten zum Inventar. Und obwohl Sรคngerin Nina de Lianin fehlte und Gitarristin Haydee Sparks mehrfach mit der Technik zu kรคmpfen hatte, war der Auftritt ganz formidabel. Fast alle wichtigen Hits erklangen, von โ€žZauberschlossโ€œ รผber โ€žForbidden Fruitโ€œ und โ€žSet Me Freeโ€œ bis โ€žSomebody Else’s Dreamโ€œ. Den frenetischen Jubel und laute โ€žZugabeโ€œ-Rufe hatten sich ISC redlich verdient. Gespielt genervt fragte Dennis die Menge: โ€žZugabe …muss das sein?โ€œ Die Antwort war eindeutig โ€“ und zรผgig knickte der Sachse mit der tiefen Stimme ein: โ€žNa gut, wenn wir schon mal hier sind …โ€œ Eine extrem treibende, recht EBM-lastige Version von โ€žHerzattackeโ€œ setzte den fulminanten Schlusspunkt auf dem Schiff. (PF)

Und dann waren da noch der โ€žCheckerโ€œ, der Pix und ihre drei Mitstreiter. Eisbrecher lieรŸen auf der Hauptbรผhne alle Songs weg, mit denen sie groรŸ geworden sind. Aber mal im Ernst: Wem hรคngen โ€žSchwarze Witweโ€œ, โ€žVergissmeinnichtโ€œ und โ€žLeiderโ€œ ohnehin nicht mittlerweile zum Halse raus? Stattdessen gab es einige neue Stรผcke wie โ€žFakkโ€œ oder โ€žNein Dankeโ€œ, sowie jรผngere Live-Standards wie โ€žHimmel, Arsch und Zwirnโ€œ, โ€žPrototypโ€œ oder โ€žWas ist hier los?โ€œ. Auch wenn die Temperaturen so gar nicht zu einer โ€žEiszeitโ€œ passten, lieferten die Bayern wieder ein Set in gewohnt mitreiรŸender Qualitรคt und erfreuten ihre Fans nach dem unverzichtbaren โ€žMiststรผckโ€œ noch mit einer Raritรคt. Der letzte Song des diesjรคhrigen Amphi Festival war das 14 Jahre alte โ€žHerzdiebโ€œ โ€“ wahrlich selten live gehรถrt. (PF)

Gegen 22 Uhr war das Festival leider schon wieder viel zu schnell vorbei. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Szene nach all den Veranstaltungsverbote nach solchen Erlebnissen lechzte und diese einfach braucht. Organisatorische Mรคngel gab es trotz aller schwierigen Umstรคnde kaum, lediglich den Wunsch nach mehr Schattenplรคtzen am Tanzbrunnen teilten wohl alle Gรคste. Vielleicht findet das Team ja zukรผnftig Lรถsungen fรผr diese Situation. FleiรŸig in Sachen Booking waren die Verantwortlichen jedenfalls schon. 30 von 40 Bands sind bereits bestรคtigt, darunter Urgesteine wie Deine Lakaien und Front 242, aber auch aufregende Newcomer wie Whispering Sons, Actors oder Rue Oberkampf. Den 29. und 30. Juli kommenden Jahres sollte man sich also dick im Kalender anstreichen, der Kartenvorverkauf hat auf www.amphi-shop.de bereits begonnen. (PF)

Sven Plaggemeier

Hi, ich bin Sven und betreibe als Grรผnder die Webseite depechemode.de. Hauptberuflich leite ich ein Team von Content-Spezialisten bei einem Telekommunikationsunternehmen. Vernetze Dich gerne mit mir bei Facebook, LinkedIn oder Xing.

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