Alison Goldfrapp ist eine Interviewpartnerin, die man sich erarbeiten muss. Sie wirkt zunächst reserviert, antwortet eher knapp, kontert auch mal mit Gegenfragen – taut aber schließlich doch auf und ist spätestens beim Thema der künstlichen Intelligenz voll bei der Sache. Ein Gespräch, nicht nur über ihr Solodebüt „The Love Invention“:
depechemode.de: Fühlt sich das jetzt wie ein Debütalbum an?
Alison Goldfrapp: Auf eine lustige Art und Weise tut es das tatsächlich. Und auch wieder nicht.
Ich habe das auch Daniel Miller und Gareth Jones gefragt, du kennst sie ja von Mute. Sie haben schließlich auch ein Debüt für ihr elektronisches Projekt veröffentlicht.
Ah, ja, Sunroof! Die haben für uns mal einen Remix gemacht.
Bist du die Aufnahmen schon mit dem Gedanken angegangen, dass das jetzt ein Soloalbum wird?
Absolut, ja.
Wann hast du dich dazu entschieden, nach all den Jahren als Band Goldfrapp?
Ich kann mich gar nicht so genau erinnern. Zunächst dachte ich gar nicht über ein Album nach, sondern eher über eine EP. Ich dachte, das wäre ein sanfter Weg, ohne zu viel Druck. Etwas Kleines, Spaßiges. Aber dann wuchs es. Das muss so Ende 2020 gewesen sein. Ich denke, vielen geht es so, dass durch die Pandemie das ganze Zeitgefühl verloren gegangen ist.
Die Jahre 2021 und 2021 sind irgendwie verschwommen.
Total.
Hängt diese Veröffentlichung ein bisschen mit deiner Kollaboration mit Röyksopp zusammen?
Ich hatte mich entschieden, dass ich etwas anderes machen, mit anderen Leuten arbeiten wollte. Etwas, wo nicht mein Name draufsteht. Ich wollte wieder ein bisschen Spaß haben. Ich hatte mein Mojo ein wenig verloren.
Und es hat funktioniert.
Ich habe das wirklich genossen. Und die beiden sind so liebenswerte Typen. Ich dachte ja, ich könnte nach Norwegen und mit ihnen abhängen, aber wegen … du weißt schon … kam es nicht dazu.
Sie haben mir im Interview erzählt, dass die Zusammenarbeit mit dir großartig war, auch weil du alles unternimmst, damit deine Stimme und der Song perfekt funktionieren.
Das ist sehr nett.
War dieses Album jetzt harte Arbeit – oder hat es sich natürlich entwickelt?
Einige Sachen haben sehr schnell geklappt und erschienen sehr einfach, andere wiederum waren viel schwerer. An manchen Tagen fließt es ganz leicht, an anderen muss man es aus sich herauszwingen.
Welche waren die ersten Tracks, die du fertig hattest?
Zuerst waren da „The Beat Divine“ und „Never Stop“.
Wie lange hat es insgesamt gedauert?
Ich habe ein paar Skizzen im Jahr 2021 gemacht, aber das meiste passierte 2022.
Hast du an irgendeiner Stelle daran gedacht, das unter einem komplett anderen Namen zu veröffentlichen?
Ich habe für eine Sekunde darüber fantasiert. Aber dann sagte mein Management: Mach dich nicht lächerlich!
Im Promozettel und in deinem Onlineshop wird der Titel „Dancefloor Priestess“ verwendet …
Wirklich? Das wusste ich gar nicht … [überlegt] … Aber es gibt schlimmere Dinge, als die man bezeichnet werden kann. [lacht]
Du musst dir den Titel vielleicht mit Róisín Murphy teilen, an die ich bei dem Album an ein paar Stellen denken musste. Es hat eine ähnliche Energie.
Wir kennen uns nicht persönlich, aber ich kenne ihre Musik und habe sie performen gesehen, sie war großartig. Aber das ist interessant: Man macht etwas mit einem Dancebeat und wird mit jeder Menge Leute verglichen. Besonders bei Frauen. Journalisten vergleichen gerne Frauen miteinander.
Es ist eben schwer, über Musik zu schreiben.
Aber mit Männern macht man(n) das nicht, oder?
Würde ich so nicht sagen.
Gib mir mal ein Beispiel.
Okay … Männer sind ja meistens in Bands … Wenn ich beispielsweise die Editors nehme …
… Dann klingen die wie …
… Joy Division, New Order, Interpol …
Hm. Okay.
Wolltest du von Anfang an ein Album mit House und Disco aufnehmen?
Es sollte ein rhythmusbasiertes Album werden. Meine Inspirationen waren Dance und Elektropop.
Hast du dir vorher alte Houseplatten, vielleicht vom Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, angehört?
Ich höre eine Menge verschiedener Sachen. Ich habe mir Italodisco angehört, Elektropop. Viel Musik. Immer Musik, ich liebe Musik, egal, welchen Genres.
Hast du unterschiedliche Gerätschaften benutzt, das Album klingt ja doch anders als Goldfrapp?
Ich wollte, dass die Produktion viel moderner klingt. Und ich wollte keine akustischen Instrumente.
Du hast es selbst produziert und mit einigen Leuten kollaboriert.
Richard X, James Greenwood und ich haben es produziert, ja.
Wie kamst du auf die beiden?
James hat mit Kelly Lee Owens [die zuletzt auch Depeche Mode supportet hat, Anm. d. Red.] gearbeitet, die finde ich großartig.
Oh ja!
Also habe ich ihn gefragt, ob er Interesse hat. Und Richard wurde mir empfohlen. Ich wollte einfach neue Sachen ausprobieren.
Meinst du, man kann deine Co-Worker aus den einzelnen Tracks heraushören?
Absolut, ja.
Ich habe Toby Scott in „In Electric Blue“ erkannt. Das klingt sehr nach Xenomania und ist der vielleicht am modernsten klingende Track auf dem Album.
Ja, obwohl es zugleich auch retro klingt. Viele der Songs haben Retro-Referenzen, aber eine moderne Produktion.
In diesen Zeiten ist der Albumtitel sehr interessant. „The Love Invention“ – da kommt das vielleicht älteste Thema der Menschheit zusammen mit dem ewigen Drang nach Fortschritt.
Ja, das ist eine Art Widerspruch, der mir gefällt. Ich mag die Idee dahinter, ohne sie selbst so richtig zu verstehen. Ich wollte damit spielen. Auch mit dieser Figur des „Doctor What“ [aus dem Titeltrack], der diese Maschine und diesen Trank erfindet, um einem diese ultimative Liebeserfahrung zu bereiten.
Eine Art Konzept, das sich auch durchs Album zieht.
Ja, das ist so ein bisschen „Strict Machine“. Wissenschaft und Menschheit. Ich mochte immer schon diese widersprüchlichen Dinge. Mensch und Natur und wie wir uns in unserer Umgebung sehen.
In den Videos spielst du mit dem sehr aktuellen Thema KI. Wie kam es dazu?
Ich bin fasziniert von KI. Es ist so eine interessante und verrückte Sache. Ich habe online ein paar Werke von Claudia [Rafael, mit der die Videos aufgenommen wurden] – ich glaube, sie kommt aus Berlin – gesehen und fand, dass da etwas sehr Schönes dran war. Dann habe ich etwas weiter recherchiert und fand es eine gute Idee, diese neue Technologie zu nutzen. Videos fand ich immer etwas langweilig – ich liebe sie einerseits, wollte aber mal etwas anderes machen. Und die KI hat diese gewisse Unvorhersehbarkeit und passte zur Idee mit Mensch und Maschine. Wir haben mich also lange vor diesen wunderschönen Hintergründen gefilmt, die Mat Maitland angefertigt hatte, und das dann an die KI gegeben. Man hat also etwas sehr Kontrolliertes, gibt es weiter – und die KI kann man nicht mehr kontrollieren, die macht jedes Mal etwas anders.
Bist du der Diskussion über ChatGPT und KI gefolgt? Da gibt es ja aktuell viele Debatten.
Ja, diese Dinge haben auch eine dunkle Seite. Da muss man sehr aufpassen.
Es geht ein bisschen Richtung Terminator.
Das ist schon auch beängstigend, allerdings.
Ich musste bei dem Album, den Videos und den Themen an ein paar Filme denken. Kennst du die deutsche Regisseurin Maria Schrader, die „Unorthodox“ und „She Said“ gemacht hat?
Oh ja! Beides gesehen und sehr gemocht.
Sie hat auch einen Film mit dem Namen „Ich bin dein Mensch“ – der englische Titel ist „I’m Your Man“ – gedreht. Mit Dan Stevens. Die weibliche Hauptfigur [gespielt von Maren Eggert] ist eine Wissenschaftlerin …
Ich glaube, ich habe von dem Film gehört …
… Und er ist ein Liebesroboter, den sie testen soll. Sie ist erst sehr skeptisch, aber es entwickelt sich eine Art Liebesgeschichte. Das ist so ein bisschen die Story deines Albums, oder?
Yeah! Den will ich sehen! Schreibst du mir den bitte auf?
Gerne. Das sind so Themen, die in der Zukunft verstärkt aufkommen werden, denke ich.
Bestimmt. Ich will das auch weiter erforschen. Das ist ja auch schon in älteren Filmen ein Thema, wenn man z. B. an das Orgasmatron denkt. Ich mag so alte Sci-Fi-Filme.
Nun zu einem meiner Favoriten auf dem Album – „The Beat Divine“.
Oh, das ist auch einer meiner Favoriten.
Meine Frau – noch größerer Goldfrapp-Fan als ich – würde zu dem, wie zu so einigen Goldfrapp-Songs, sagen: Das ist ein Rummachsong.
Oh [freut sich]. Gut! Ja, der ist ein bisschen verführerisch. Ich mag das Tempo, diese Art Slow Disco.
Nach den ersten Tracks, die sehr tanzbar sind – „Digging Deeper“ ist auch sehr 90s – geht das Album etwas mehr in die atmosphärische Richtung. Auch mit „Fever (This Is The Real Thing)“.
„Fever …“ ist etwas ernsthafter für mich, ja.
Und danach „Hotel (Suite 23)“ …
Das ist noch einer der Songs, der sehr früh fertig wurde.
Dann wäre da noch „Gatto Gelato“ – ich habe einen Eisladen gefunden, in Port Talbot, Südwales, der heißt so.
Wirklich?! [lacht]
Das ist ja saukomisch. In den Fünfzigern entstand eine große italienische Community in Südwales, glaube ich. Der Titel war Richards Idee, das war ein Arbeitstitel. Erst wollten wir den ändern, aber dann mochten wir ihn. Er kommt von den DJs in Italodiscos. Als man für die früher White Labels als Promo gemacht hat, nannte man die Gatto Gelato.
Und der Track klingt auch sehr nach Italo.
Ja, der klingt sehr anders und hat viel Spaß gemacht.
Abschließend: Wirst du mit dem Album auf Tour gehen?
Ich hoffe es doch sehr!
Vielen Dank für das Gespräch!
www.facebook.com/AlisonGoldfrappOfficial
Künstliche Intelligenz – Faszination und Kopfschmerz ;)
KI = NWO!
Kein Mensch kann so etwas gut finden. Es ist in der Tat beängstigend …. aber nicht aufzuhalten.