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Im Soundcheck: Citizens!, Errors, Twin Shadow und Anatopia

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England, Schottland, USA (via Dominikanische Republik), Berlin (via Argentinien, Israel und Amsterdam). Goldiger Electropop, faszinierende Synthiespielereien, eine echte Enttäuschung und fröhlich durchgeknallter Alles-ist-möglich-Quatsch, in dieser Reihenfolge.

citizens_soulVor drei Jahren versüßten uns ein paar englische Jungens mit einem Haufen herrlich eingängiger Singles den Sommer. Nun haben die Citizens! nachgelegt. Wird das zweite Album wieder so schmissiges Material und typische Kitsuné-Popmusik bieten, oder gehen diese Bürger neue Wege auf der Suche nach der „European Soul“?

Das Debüt hatte ja mit Riesensingles wie „True Romance“ oder „Reptile“ begeistert, dann aber auf Albumlänge nach einer starken ersten Hälfte auch so einiges an Füllstoff beinhaltet. Wer nun Weiterentwicklung oder anhand des Albumtitels gar Tiefe (Seelensuche, hallo!) erwartet hätte, wird enttäuscht sein. Wer aber flotten Electro-/Indiepop der Metronomy-Hot-Chip-Zoot-Woman-Schule sucht, wird gut bedient.

Wieder hauen die Herrschaften einem gleich die zwei schmissigen Vorabsingles („Lighten Up“, „Waiting For Your Lover“) um die Ohren, so dass man bald ahnt, dass die das Tempo kaum 14 Stücke lang durchhalten werden. Und definitiv hätte man da drei, vier, fünf Stücke ohne Qualitätsverlust streichen dürfen. Aber es folgen dann doch noch so einige hübsch-klebrige Hitanwärter („My Kind Of Girl“, „Trouble“, „Have I Met You“), so dass das Album letzlich doch so viel Spaß macht, dass man den Burschen nicht böse sein kann. – 7 von 10 klebrigen Ohrenkäfern


 

M:CAD DrawingsKey ProductionD0368 CD 4pp GF wallet remus spinDie Errors kommen wie ihre Kumpels von Mogwai aus Glasgow, machen ebenfalls (größtenteils, aber das ist nun auch vorbei, s.u.) instrumentale Musik und veröffentlichen auch auf deren eigenem Label. Schwupps, schon hat man die Schublade Postrock an der Backe. Die trifft zwar nicht mal mehr für Mogwai zu, aber egal. In Britannien nennen sie das neuerdings Post-Electro, na immerhin.

Ein klarer Fingerzeig, wohin es mit dem vierten Album „Lease Of Life“ gehen könnte, war auch die gemeinsame Tour mit den Chvrches. Und es stimmt eindeutig, Errors sind viel poppiger geworden. Die Synthies kreisen freudig erregt, und da sind richtige Electropop-Singles auf dem Album, inklusive weiblichem Gastgesang (das infektiöse „Slow Rotor“ und das irgendwo auf einer Wolke neben der Church Of Seven Bells schwebende „Dull Care“). Oder man singt selbst, mal eher zurückhaltend oder auch mal mit mehr Schwung wie im großartigen, fast an die Pet Shop Boys erinnernden „Genuflection“.

Doch die Errors, die das Album weit draußen auf der Isle Of Jura aufnahmen, bleiben auch weiterhin experimentell und lassen auch ihre Vorlieben für Krautrock und kraftwerkeske Sounds Luft zum Atmen. So gibt es exzellente Synthesizer-Eskapaden wie den Titeltrack oder das versponnene „New Winged Fire“. Und apropos versponnen: Die finalen 13 Minuten von „Through The Knowledge Of Those Who Observe Us“ sind der Wahnsinn. – 8 von 10 unter Strom gesetzte Whiskyfässer

https://vimeo.com/121665418


 

twin_eclipseWas ist denn da schief gelaufen bei George Lewis jr., besser bekannt als Twin Shadow? Bei dem Mann, der uns mit „Forget“ (2010) und „Confess“ (2012) zwei wunderschöne 80er-New-Wave-Retropopalben bescherte? Denn was er in diesem Frühjahr mit „Eclipse“ fabriziert hat, ist streckenweise fast ein musikalisches Verbrechen.

Okay, cheesy und hemmungslos eingängig waren seine Songs auch bisher schon. Doch während er sich bisher größtenteils stilsicher das Beste aus den 80ern vorgenommen und ins Heute überführt hat, sollte nun wohl der ganz große US-Erfolg her, und das mit den klebrigsten Mitteln, die die R’n’B- und Schmonzpop-Soundbanken zwischen 1987 und heute so ausspucken.

Dabei kann der immer noch was, natürlich. Der Opener „Flatliners“ ist ein bombastischer Einstieg, und „When The Lights Turned Out“ ein verdammter Ohrwurm (allerdings mit teuer produzierten Billigbeats). Doch dann kommen mit „To The Top“ und „Alone“ zwei der ekligsten, kalkuliertesten Möchtegernmegahits des bisherigen Jahres (denen später noch weitere Ausfälle folgen), von denen sich der Hörer lange kaum erholen kann, so dass man erst später realisiert, dass da durchaus noch ein paar Perlen zwischen all dem Schmalz versteckt sind. Wir werten das hier mal als Ausrutscher und geben (noch gnädige): – 5 von 10 Ofenkäsetöpfen


 

anatopia_userZum Schluss noch was positiv Beklopptes. Henrietta Morgenstern (Eltern Argentinier, aufgewachsen in Israel) trifft Klaus Plötzlich in Amsterdam und zieht mit/zu ihm nach Berlin. Er schreibt die Musik, sie die Texte, dazu performt sie. Anfangs sollte es punkig werden, dann siegte der Synthesizer und jetzt präsentieren die beiden als Anatopia blitzsauberen Synthiepop.

Allerdings welchen der schrägeren Sorte, eine echte „User Experience“ eben. Das fängt beim gewollt eher schrecklichen als schönen Artwork an und hört bei der exaltierten Bühnenshow nicht auf. Auch die Sounds und die Songinhalte flippern aufs Unterschiedlichste durch den Raum. Vom abgenutzten Kirmessynthie bis zu knackigen Electro-Sounds ist einiges am Start. Da darf man sich von den nahezu geradlinigen und hübsch in Ohr und Beine gehenden ersten Stücken „Logic“ und „Don’t CC“ nicht täuschen lassen.

Denn kurz darauf radebrecht „Ausländer“ den Vogel vom Ast. Und es gibt weitere schräge Geschichten aus der digitalen Welt, über MySpace-Tom (Wer erinnert sich?), Julian Assange bis hin zu einem ulkigen „Heart Drive“ und einem coolen „Virus“. Das alles schwankt qualitativ noch zu sehr um gänzlich zu überzeugen, macht aber Spaß und hat Potential. – 6 von 10 zufriedenen Usern


 

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Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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