An diesem Wochenende haben die Berliner und ihre Gäste noch einmal in diesem Jahr Gelegenheit, Sono live zu erleben. Beim illuster besetzten Glass Danse Festival, auf dem außerdem u. v. a. auch GusGus, Austra und eine Band namens Weird Wolves (mit einer gewissen Ava Gore) auftreten. Früher im Jahr haben Lennart, Martin und Florian ja bereits ihr tolles neues Album „In The Haze“ herausgebracht. Beim Konzert im Berliner Frannz Club sprachen wir backstage mit den Dreien:
depechemode.de: Ich war ja sehr beruhigt, dass ihr dieses Mal nicht vorher in Leipzig gespielt habt, sondern euch Leipzig bewusst ans Ende gelegt habt.
Alle: Ja!
Da braucht ihr dann das Equipment hinterher nicht mehr. [damals wurde der Band in Leipzig das Equipment aus dem Auto gestohlen, Anm. d. Red.]
[alle lachen]
Martin Weiland: Dann kann der Scheiß weg.
Letztes Mal hattet ihr vorher nicht so einen richtigen Plan, habt ihr gesagt. Da wolltet ihr nur so ein paar Singles, vielleicht eine EP, rausbringen. Wie war das dieses Mal?
Lennart A. Salomon: Eigentlich ähnlich. Wir haben ja 2020 die Best Of herausgebracht. 20 Jahre Sono. Eigentlich wollten wir eine Jubiläumstour machen, und die hat ja aus Gründen nicht stattgefunden. Da es jetzt einfach drei Jahre später ist, dachten wir, wir können jetzt nicht mit einer drei Jahre alten Best Of auf Tour gehen. Da haben wir halt zwischendurch im Studio gesessen, haben Songs geschrieben. Irgendwann waren wir an einem Punkt, wo wir gesagt haben: Jetzt können wir auch ein Album machen. Zack, haben wir etwas fokussierter gearbeitet.
War denn die Richtung des Albums klar, oder hat sich das irgendwann ergeben, dass es recht konsistent in Richtung Clubtauglichkeit geht?
Lennart: Findest du? Ich finde, es hat komplett zwei Farben. Es hat diese Eighties-Pop-Farbe und halt diese Club-Farbe. Das entstand tatsächlich im Prozess des Schreibens und Produzierens. Wir haben uns ein bisschen Input von außen geholt und auch mit anderen Produzenten zusammengearbeitet, weil wir wieder elektronischer arbeiten wollten.
Habt ihr euch früh festgelegt, dass das ein recht kompaktes Album werden soll? Ich habe da einen Freund, der sagt die ganze Zeit: Frag sie, warum das Album so kurz ist!
Florian Sikorski: Das haben wir, als es fertig war, festgestellt. Dass es doch recht kurz ist.
Lennart: Eigentlich ist ja das Thema Album durch. Du machst heutzutage eher EPs oder Single für Single für Single. Aufgrund der einfachen Tatsache, dass du, wenn das Album draußen ist, nichts mehr pitchen kannst. Weil es dann als alt gilt. Dann kommst du nicht mehr auf Playlisten. Deshalb haben wir vorher auch gedacht, wir machen eher eine EP. Und dann hatten wir so viele Songs, dass wir dachten: So, jetzt sind wir bei sieben Songs – dann können wir auch noch drei machen, dann haben wir ein Album fertig.
Florian: Ich persönlich stehe ja total auf kurze Alben.
Ihr habt ja mit mehreren Leuten zusammengearbeitet. Wie kamt ihr zu denen?
Lennart: Phaze bist du angegangen [deutet auf Martin], der macht ja mehr so Drum’n’Bass.
Martin: Der hat aber schon die „Chasing The Light“ mitproduziert. Wir haben ja immer schon so eine leichte Drum’n’Bass-Affinität gehabt, aber sind halt keine richtigen Drum’n’Bass-Produzenten. Da kam so die Idee, dass man da mal einen Profi ranlässt [lacht]. Nee, dass man sich austauscht. Und der Florian Harres, so heißt er ja richtig, hat da so ein paar adaptive Beats und kleine Spielereien geliefert, und dann haben wir einen Mix aus seinem und unserem Resultat gemacht. Mit André Winter hatten wir auch schon „Chasing The Light“ aufgenommen. Und einen Remix hatte er für uns gemacht.
Lennart: Genau. Und dann habe ich mit dem schon vor zehn Jahren gearbeitet. Da haben wir Musik für einen Soundtrack gemacht. Danach waren wir zusammen mit VNV Nation auf Tour. In der Zeit ist tatsächlich auch schon „New Kid In Town“ entstanden. Und eigentlich hat auch André das wieder aufs Tableau gebracht, ob das nicht was fürs Album wäre. Den haben wir dann noch auf den Stand von 2022 gebracht.
Der hat ja eine ziemliche Ähnlichkeit zum „Drive“-Soundtrack.
Martin: [gespielt erstaunt] Waaas? Nein!
Kavinsky und so.
Martin: Diese Ähnlichkeit ist völlig zufällig. [grinst]
Lennart: Das ergab sich irgendwie so. Beim Original fehlte uns da noch so eine Hauptmelodie. Und weil das eh so achtzigerjahremäßig ist, hat das gut dazu gepasst.
Das ist ja in den letzten Jahren ja auch wieder stark aufgekommen, durch „Drive“ und „Stranger Things“. Ich weiß gar nicht, ob ich letztes Mal schon den Film „The Guest“ empfohlen habe.
Alle: Nee.
Dann jetzt. Toller Soundtrack.
Martin: Wir hoffen ja, dass wir für die letzte Staffel „Stranger Things“ noch aufgegriffen werden. Unser großer, geheimer Wunsch. [lacht]
Nochmal zu Drum’n’Bass. Den hört man ja auch noch auf einem meiner anderen Favoriten des Albums – „Together“. Wie kam es zu dem – und wie kommt man auf „Ein Fall für zwei“? Und darauf, das dann in Verbindung zu bringen?
Martin: Die Idee ist schon uralt, die hatten wir irgendwie schon vor langer Zeit.
Lennart: Und dann haben wir festgestellt, dass das noch niemand gecovert hat.
Florian: Ausgangspunkt war der, der diese Spiegel-TV-Musik gesampelt hat.
Martin: Dann passte es gut in dieses Achtziger-Jahre-Konzept.
Lennart: Und dieses Tempo bietet einfach Drum’n’Bass an [summt die Titelmelodie und klopft den Rhythmus].
Gab es da Nachfragen oder Probleme? Ihr musstet das ja vermutlich abklären.
Martin: Genau. Aber Herr Doldinger findet es super. Seine Frau übrigens auch.
Lennart: Inge!
Martin: Das haben wir ganz regulär angefragt.
Lennart: Irgendjemand hatte den Kontakt, dann haben wir direkt mit ihnen gesprochen und die fanden es super.
Ich hatte dann vor dem inneren Auge Günter Strack, wie er zu Drum’n’Bass tanzt.
[Lennart lacht schallend]
Martin: Kann man das nicht mal so A.I.-mäßig machen?
Lennart: Mit Deep Fake! Geil!
Apropos Musikvideos. Ihr habt ja letztes Mal schon gesagt, dass ihr die wieder für wichtiger erachtet. Und auch jetzt habt ihr wieder ein paar gedreht. Ihr seht das also weiterhin so.
[alle nicken]
Lennart: Fakt ist, wenn du Leute erreichen willst, machst du das über Bilder. Und inzwischen sind wir bei fast 100.000 Veröffentlichungen auf Spotify. Jeden Tag. Wenn du dich da durchsetzen und deine Fans erreichen willst, musst du das visuell tun.
Martin: Wir sind eigentlich immer schon eine visuelle Band gewesen. Das siehst du auch heute Abend, wir haben uns visuell wieder etwas ausgedacht. Das macht einfach 50 Prozent der Show aus.
Ich habe gerade ein Interview mit Sven Regener gelesen. Der sieht das komplett gegenteilig. Ich sehe das ja eher wie ihr, dass das eine tolle zusätzliche Ebene bringt. Er sagt, dass das heute nicht mehr nötig ist und er überhaupt keinen Bock auf diesen Videokram hat.
Lennart: Deswegen schreibt Sven Regener auch nur noch Bücher [grinst]. Aber das ist auch eine komplett andere Generation und ein komplett anderes Publikum. Ich mag Element Of Crime total gerne, das ist überhaupt nicht wertend gemeint. Die brauchen das auch nicht.
Florian: Das steht vielleicht so für sich.
Lennart: Ja. Und da geht es ja auch viel mehr um die Texte, die Lyrik dahinter. Da brauchst du das Visuelle nicht so. Wir haben alleine dadurch, dass wir in Deutschland sind und auf Englisch singen, eine Sprachbarriere. Bis die Inhalte tatsächlich beim Hörer ankommen, musst du ihm noch eine Brücke bauen.
Die Texte sind dieses Mal ein bisschen kürzer und einfacher – oder sagen wir freundlicher – gehalten. Bei „Human“ waren doch einige sehr düster. Dabei ist die Welt jetzt nicht direkt besser geworden.
Lennart: Aber vielleicht die persönliche [Welt].
Martin: Ich weiß, was du meinst. Es ist ein bisschen leichter geworden. „Human“ war relativ schwer. Das Hauptding, „Somewhere Beyond The Sea“, hat das ja eigentlich ausgemacht.
Lennart: Das war tatsächlich eine relativ düstere Platte. Das hier [„In The Haze“] ist eine, ich möchte fast sagen, beschwingte Platte.
Martin: Eine was?
Lennart: Beschwingt.
Martin: Ei!
Lennart: In dieser Phase des Schreibens war es eben nicht so düster. Ich nutze das, wenn ich Texte schreibe, als Ventil. Da hat man mal düsterere Phasen und mal welche, die nicht so düster sind. Was lustig ist, wenn man überlegt, dass das Album zwischen 2020 und 2022 entstanden ist. Wo es wirklich nicht leicht war, das Leben.
Martin: Aber vielleicht war das auch so ein bisschen die Sehnsucht. Man wollte das leichter machen.
Lennart: Absolut.
Martin: Das Ziel war ja auch, eine Ode an die Achtziger zu machen, eine Zeit, aus der wir ja auch kommen. Zum Beispiel diese Kollaboration mit Rafael Cerato. Da passen dann auch so schwere Texte nicht.
Lennart: Es kann ja deep sein, aber es müssen nicht immer Todesfantasien sein.
Dann habt ihr ja mit „Joy Of Life“ auch den passenden Einstieg gewählt. War klar, dass der an den Anfang soll?
Lennart und Martin: Nee.
Martin: Eigentlich sollte der erste Titel der B-Seite, also das Interlude „The Haze“ an den Anfang. Das dauert aber so wahnsinnig lange, bis es da losgeht. Und „Joy Of Life“ hat ja auch so eine Art Intro, mit diesen künstlichen Bläsersätzen. Das kommt aber schneller zum Punkt, deswegen haben wir das getauscht.
Lennart: Spannend finde ich ja, dass der „Joy Of Life“ heißt, aber gar nicht so klingt. Da ist so eine Ton-Text-Schere. Dieses sich selber im Spiegel angucken, so, Alter, komm mal klar.
Denkt man bei der Trackorder auch an die modernen Gegebenheiten wie Streamingdienste?
Lennart: Bei der Trackorder? Nein.
Ich meine, wenn ihr jetzt das Interlude an den Anfang packt, springt ja der 18-jährige Spotify-Durchschnittshörer gleich weg.
Martin: Den sprechen wir eh nicht an.
Lennart: Dadurch, dass wir ein Album machen, ist das Thema Spotify eh durch. Und dann ist es eine rein künstlerische Entscheidung. Du musst im Album eine Dynamik haben.
Martin: Wir sind da oldschool.
Florian: Alleine, weil wir ein Album machen.
Martin: Wir hauen ja zwischendurch Singles raus, da guckt man dann auch, dass die ein bisschen spotifykonform gemacht werden. Aber wenn wir dann mit dem Album rauskommen, haben wir wieder andere Versionen der Titel. Die jetzt nicht nach drei Sekunden mit dem Chorus anfangen.
Lennart: Ich spreche da jetzt auch für mich. Manchmal haben wir da schon interne Diskussionen. Aber irgendwann habe ich gesagt: Ich habe keinen Bock, für Algorithmen zu schreiben. Ich schreibe erstmal hauptsächlich für mich. Neulich habe ich ein Interview mit einem Jazzmusiker gehört, der gefragt wurde: Wenn ihr so Jazz macht, schreibt ihr eigentlich für den Player oder für den Hörer? Und er sagte: Wir schreiben immer für den Hörer, aber der Player ist der erste Hörer. Das fand ich ganz geil. Du wirst heute auf der Bühne sehen: Wir haben da eine Megazeit. Das klingt jetzt egoistisch, aber wir drei schreiben und spielen erstmal für uns. Und sobald wir uns damit richtig wohl fühlen, schwappt das dann über.
Manchmal hat man ja auf Alben Tracks in Versionen mit einem langen Mittelstück oder Outro – dieses Mal sind die Tracks fast alle um die drei Minuten lang. Von „Still Here“ gibt es ja bereits eine längere Version – das könnte man sich bei den anderen Tracks auch denken. Oder das ganze Album in einer Extended Version – gibt es da Überlegungen?
Martin: Ehrlich gesagt nicht. Es gab von „Trusting You“ eine lange Version, von „Still Here“, von „Light It Up“. Das gab es erst die langen Versionen, jetzt die kurzen.
Florian: Kurz und kompakt war der Gedanke. Das, was wir sagen wollten, ist gesagt. Alles andere wäre jetzt eine künstliche Verlängerung.
Martin: Dafür haben wir einige Songs für die Liveshows verlängert.
Ich habe mit der Länge des Albums auch kein Problem. Ich hätte allerdings den Akustiktrack am Ende weggelassen.
Martin: [interessiert] Ja?
Der reißt mich am Ende so ein bisschen raus.
Lennart: Das Einzige, was ich denke, ist, wir hätten eine längere Pause zwischen dem letzten Track und der Akustikversion machen sollen. Wenn man da noch zwei Sekunden länger Pause hätte, hätte sich das besser angefühlt. So als Bonus.
Martin: Man kann ja einfach den letzten Track auf der Platte zerkratzen.
Bands wie Depeche Mode machen ein Etching auf die vierte Seite, andere machen es per Hand.
[Gelächter]
Vor diesem Ende ist ja mit „Disconnect“ der eine Track, der etwas länger ist – und der auch so ein bisschen dunkler gefärbt ist.
Florian: Der war auch einer der ersten Titel, die wir fertig gestellt haben. So ein bisschen ein Bindeglied zum letzten Album.
Lennart: Es war auch so ein bisschen schmerzhaft, den zu machen. Den haben wir lange liegen lassen. Von dem gibt’s viele Versionen.
Martin: Aber er hat uns nicht losgelassen.
Ich finde auch, die letzten beiden Songs – also „Light It Up“ und „Disconnect“ – sind so die, welche die Sono-Quintessenz ausmachen.
Martin: „Light It up“ ist ja so ein bisschen die Antwort auf „Keep Control“, der hat sehr große Ähnlichkeit vom Songwriting.
An die „Solid State“ hat mich ja auch „Still Here“ erinnert.
Martin: Stimmt. Der Cerato [mit dem der Song produziert wurde] ist ja auch irgendwie ein Freund der Familie mittlerweile, mit dem steht auch schon das nächste Stück in den Startlöchern.
Letztes Mal wart ihr quasi unabhängig, jetzt seid ihr wieder bei Kontor. Wie kam es dazu? Ihr wart ja damals von der Labelsache recht bedient.
Lennart: Weil sich viele Vorzeichen geändert haben. Wenn du einen Partner in der Industrie hast, der alleine schon die Kosten in der Albumproduktion, für die Fertigung des physischen Produktes, übernimmt, ist das fantastisch. Du hast dann ein ganz anderes Netzwerk.
Martin: Wir haben auch eine Edition beim Verlag von Kontor. Da ist also alles unter einem Dach. Es ist eine gute Vernetzung da, was Songwriter und Produzenten angeht.
Lennart: Wir sind auch inzwischen in einem Alter, wo wir uns nicht mehr so reinreden lassen. Wir machen da unser Ding, haben da schon gewisse künstlerische Freiheiten.
Florian: Es sind auch technische Dinge, wie einfach die Herstellung einer Vinylplatte. Da macht man sich keine Vorstellungen, wie kompliziert das ist. Wie viele Anpressungen es beim letzten Album gegeben hat, die zu uns zurückkamen. Wo wir gesagt haben: Was habt ihr denn da gemacht? Sind da Metallspäne auf die Lackfolie gefallen? Bei Kontor schickst du das Master an deren Partnerfirma, und es kommt so zurück, wie es sein soll.
Lennart: Also es hat viele Vorteile, vor allem künstlerische, wenn du selber das Label bist und alles entscheiden kannst. Aber es ist auch nett, wenn man sich einfach auf die künstlerische Arbeit konzentrieren und gewisse Dinge wegdelegieren kann.
Ihr habt ja auch alle eure eigenen Standbeine, als Produzenten oder Solokünstler. Hat das auch Einfluss auf Sono?
Lennart: Ja, das eine funktioniert für mich nicht ohne das andere. Sono klingt so, weil wir drei unabhängig von Sono so unterschiedliche Typen sind. Ich glaube, dass diese drei Farben, die wir da reinbringen, essenziell sind. Das befruchtet sich schon, dass von den anderen immer Einflüsse kommen, die ich bei meinem Kram nie machen würde. Und Martin würde bei seinen Sachen nie das machen, was ich sagen würde. Das clasht auch manchmal, das ist aber gut so.
Martin: Rrreibung erzeugt Wärme!
[alle lachen]
Dann frage ich zum Schluss noch wie immer, was ihr gerade so im Tourbus hört.
[lautes Gelächter]
Martin: Das kannste dir jetzt mal aufschreiben!
Lennart: „Margarethe“ von Buddy Ogün. Und „Shoo Shoo Shoo“ von Anke Engelke und Bastian Pastewka.
Oh ja, über den haben wir uns auch schon beömmelt.
Martin: Und hast du den neuen Song von denen schon gehört? „Texas Girl“. [sucht sofort die Szene von „LOL“ auf seinem Handy]
Lennart: So komme ich heute Abend auch nochmal raus.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sono spielen am 11.11. beim Glass Danse Festival im Berliner Astra (es gibt noch Tickets) und im nächsten Jahr am 02.03. beim E-tropolis Festival in Oberhausen und am 16.03. beim Eonly Festival in Leipzig.