Ihr kennt das bestimmt: Es ist kurz vor Heiligabend, drauรen ist es grau. Ihr wollt eigentlich in der Sonne mit einem Cocktail liegen, stattdessen bereitet ihr Essen fรผr Heiligabend vor, wickelt noch gestresst Geschenke ein oder habt euch sogar noch einmal in den Supermarkt begeben, weil ihr wie ich die Sรผรigkeiten fรผr den Nachwuchs vergessen habt. Selbst Schuld, Josie. Selbst Schuld. Was tut man sich fรผr die offizielle Besinnlichkeit nicht alles an, oder?
Lange liegt das aktuelle Album von Janosch Moldau schon auf meinem Schreibtisch, ich habe eine Rezension zugesagt, ich habe verschoben und eigentlich sollte ich gerade Kรคsesalat machen, Trauben schnippeln und die Katzen aus dem Geschenkband heddern. Stattdessen habe ich mir jetzt Zeit fรผr โHostโ genommen, das mir mit den Worten โ Du darfst Schreiben, was du willst, du darfst es auch zerreiรenโ vom Kรผnstler selbst รผberlassen wurde. Was ihn schon noch ein bisschen sympathischer macht als ohnehin schon. Bereit fรผr die 23.-Dezember-Depression aus Synthpop? Ich bins.
Fangen wir mit dem Opener an. So entzรผckend ich das leicht trashige Video zu โBroken Shoulderโ auch finde, so ungern mag ich den Song. Ich weiร nicht genau, was mich daran stรถrt, schon beim ersten Hรถren waren dieses Stรผckchen Musik und ich keine Freunde, was wohl an dem leicht schiefen und jaulenden Gesang von Janosch Moldau liegt. So viel Weinerlichkeit ist schwer ertrรคglich fรผr mich โ ob nun mit oder ohne Vorweihnachtsstress. Nein, den Song kann ich wirklich nur bedingt weiterempfehlen. Viel besser wird es dann mit โSimon of Cyreneโ. Geiler Scheiร, Herr Moldau. Statt jetzt komplett im Melancholie-See unterzugehen, hat der Synthpopzwerg ( Zwerg, weil ich ihn persรถnlich so drollig finde) eine tanzbare Nummer rausgehauen, die mich echt erheitert. Ich mรถchte wirklich durch mein Geschenkbandchaos tanzen und bin spontan auch nicht mehr sauer auf die Katzen, die alles auรer ihr Spielzeug fรผr Spielzeug halten. Kurz vorbei ist der Kochstress, es gibt nur noch Liebe. Musikalische, synthetische Liebe.
Zack, Pianoklรคnge. Das war’s mit Tanzen, das wars mit Freude, der Meister des Melanchopop haut wieder in die Tasten und wenn man dann noch aus dem Fenster sieht, alles ist grau, drauรen keine Menschenseele, es fehlt Vitamin D, es fehlt Serotonin und dann schlรคgt einem โEmbrace Meโ voll ins Gesicht. Unbarmherzig, roh, schmerzhaft. Und was mich bei โBroken Shoulderโ noch am leicht jaulenden Gesang stรถrte, passt in diesem musikalischen Ambiente perfekt. Man stelle sich diesen Song bitte bei einem Glas Rotwein auf dem Beifahrersitz auf einer Fahrt ins Nirgendwo, Hauptsache weit weg von Zuhause und irgendwohin, vor. Perfekter kรถnnte ein Soundtrack nicht sein. Ich habe รผbrigens keine Ahnung wie Herr Moldau das macht und wie diese Tracklist zustande gekommen ist, das nun folgende โEmotionallyโ lรคsst ein wenig Licht ins betrรผbte Gemรผt, ist wieder leicht tanzbar und leitet unsere kleine depressive Reise ins nichts, in eine Fahrt mit Ziel รผber, nur um dann mit โSacred Loveโ wieder betrรผblich zu werden. So langsam glaube ich, Janosch Moldau hat eine schwerwiegende emotionale Stรถrung, anders kann ich mir das Laune-Auf-Und-Ab der Trackaneinanderreihung nicht erklรคren. Ich weiร nicht, ob das der Versuch ist, eine innere Zerrissenheit zwischen zwei Gefรผhlswelten darzustellen oder ob er und sein Bandkollege sich nicht einigen konnten, wohin die Reise gehen soll. โSacred Loveโ hat jedenfalls einen typischen Janosch-Moldau-Rhytmus zum Mitwippen und klingt in einigen Sequenzen als wรคre es der Sphรคrenfeder von Meister Martin Gore entsprungen. Vielleicht ist Janosch Moldau sein geheimer Cousin oder wir haben da beim Songwriting alle was verpasst und der Meister selbst hat ihm geholfen.
โSense For Godโ macht mich in den ersten Klรคngen so gar nicht an und der Titel wirkt fรผr mich als Atheistin wohl doch eher abschreckend und dann schlรคgt der Janosch-Moldau-Rhytmus wieder zu und es klingt a plรถtzlich nach Pet Shop Boys. Akzeptabler Song, wird aber nicht mein Favorit. Kommen wir nun zu einem Ton, den ich als Synthesizer-Waschbrett bezeichnen mรถchte. Klang sehr witzig und dann kam wieder dieser jaulende Gesang, der sich so gar nicht zu diesem Sound zu fรผgen scheint. Auch der Titeltrack, โHostโ, und ich werden keine Freunde. Als Instrumental vielleicht, mit diesem Gesang und dem Effekt nach einer kurzen Pause, wird das einfach nichts. Schade eigentlich. Und als wolle mich Herr Moldau wieder mit seinem Emotionswandel quรคlen, wird es im Anschluss wieder schwer depressiv. Was mir gefรคllt, es gefรคllt mir, was ich da hรถre. โAngel of Hopeโ knallt und zieht gleichzeitig runter. Sehr schรถner Track, um demnรคchst mit ausschweifenden langsamen Bewegungen durch den รถrtlichen Grufticlub zu tรคnzeln. Einmal das Serotonin endgรผltig im Keller, wird das auch beim tieftraurigen โHe Wants Me Repentโ nicht besser. โAbelโ schlieรt โHostโ sehr gut ab und erinnert an โThe Sinner In Meโ von Depeche Mode, also von der Instrumentierung her.
Was soll ich abschlieรend sagen? Streckenweise gefรคllt mir der sehr weinerliche Gesang von Janosch Moldau nicht, die Instrumentierung ist aber bravourรถs. Und wรผrde der Ulmer ein bisschen weniger wehleidig klingen, kรถnnte er wohl ein grรถรeres Publikum erreichen. Ob das sein Ziel ist, vermag ich an dieser Stelle aber nicht zu mutmaรen. Ich mag โHostโ, zwischenzeitlich muss man sich aber gut รผberlegen, ob man den Gesang schafft oder auf Einzeltracks zurรผckgreift.
Review: Janosch Moldau – „Host“
Von Josie Leopold

Von Josie Leopold
Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrรผckter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews fรผhre, Beitrรคge verfasse oder versuche Wordpress davon zu รผberzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.
…initially I „got stuck“ on the cool musical performance of Janosch Moldau…one (of many) reasons I started to luv the band, is that their music obviously tends to move & touch people (in many different ways)? Can’t stop listening 2 it!!!??