Auch im Weihnachtskalender muss Platz für Sammelbesprechungen sein. Heute mit ein paar übers Jahr verteilten Soundtracks: Fly (Songs inspired by the film Eddie The Eagle), Tschick und Atomic (A Soundtrack by Mogwai).
Wir fangen mal an mit einem Fest für Fans von 80er-Jahre-Pop. Der Film „Eddie The Eagle“ über Eddie Edwards, den kultigen Dauerletzten im Skisprung, das andere Ende von Weißflog und Nykänen, ist sehr unterhaltsam und sehenswert. Und Produzent Matthew Vaughn (Regisseur von „Kick-Ass“, „Kingsman“ u.a.) hatte die Idee, Musik zu verwenden, die zum 80er-Stil des Films passte. Doch der Clou war: Keine alten Hits, sondern neue Songs von alten Helden. Unter den Fittichen von Gary Barlow.
Schräge Idee, oder? Doch der Mann von Take That hat ein eindrucksvolle Liste an Künstlern zusammengetrommelt und mit ihnen (als Songwriter, Produzent etc.) ein stilvolles Scheibchen aufgenommen. Holly Johnson, Howard Jones, Marc Almond, Tony Hadley, Midge Ure, Nik Kershaw, ABC, Kim Wilde, Andy Bell, Heaven 17, Paul Young, OMD – wow, oder?! Und tatsächlich komplett neue Songs, und den meisten hört man den Spaß an, den sie dabei hatten.
Wo es vielleicht nicht so geklappt hat: Tony Hadley (klingt nach Schmalzbarlow pur), ABC (aber bei deren eigenen Platten ist ja auch seit Langem nicht mehr als heiße Luft drin), Paul Young (Kitschgrenze überschritten, nichts Neues bei ihm). Wo es besonders gut geklappt hat: Holly Johnson (hat immer noch die Power of Love), Marc Almond („Out Of The Sky“ ist ein astreiner Synthiepop-Hit), Kim Wilde („Without Your Love“ groovt wie Sau!), Andy Bell (diese Stimme!), Heaven 17 (funky) und OMD (wobei die feinen Stimmchen zum eingängigen „Thrill Me“ von den Schauspielern Taron Egerton und Hugh Jackman kommen). Knüller und Füller, Hitgranaten und Kitschbomben. Ganz wie in den Eighties halt.
Eines der großartigsten deutschen Jugendbücher schrieb vor ein paar Jahren der mittlerweile leider viel zu früh verstorbene Wolfgang Herrndorf. Nun ist „Tschick“ endlich von Fatih Akin verfilmt worden. Mit ein paar beachtlichen Jungdarstellern und genau dieser wunderbaren Atmosphäre, die schon das Buch auszeichnete. Also: Buch kaufen/lesen, Film ansehen!
Und der dazu zusammengestellte Soundtrack kann sich auch sehen lassen und sollte (nicht nur) in den Jugendzimmern der Republik Pflichtmaterial sein. Eingerahmt von ein paar Scoreschnipseln von Vince Pope gibt sich Rang und Namen der einheimischen Indieszene (und ein paar Gäste von weiter her) die rostige Ladaklinke in die Hand.
K.I.Z und Henning May (von AnnenMayKantereit) sind mit ihrem Hit „Hurra die Welt geht unter“ am Start, die Beginner rappen von „Thomas Anders“ (klar, ein Wortwitzspiel), die Beatsteaks covern Stereolab und lassen Tocotronics Dirk von Lowtzow ans Mikrofon, Courtney Barnett streichelt Gitarre und Herzen, die Legenden von Fraktus lassen den Affen nochmal die Liebe suchen (im fiesen Alex Christensen Remix), Seeed fetzen sowieso immer, Bilderbuch wetteifern damit in punkto Coolness – und Richard Clayderman fährt auch mit in die Wallachei. Gute Reise!
Jetzt aber ein ernsthafteres Thema. Mogwai haben ja schon mehrfach mit Soundtracks beeindruckt. Mit dem zur Fußballer-Doku „Zidane: A 21st Century Portrait“ z.B., insbesondere aber mit dem zur französischen Erfolgsserie „Les Revenants“ (läuft bei uns als „The Returned“, bitte unbedingt mal reinschauen!). Nun folgte der zu „Atomic“ – einer BBC-Dokumentation anlässlich des 70. Jahrestages der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.
Wer das Glück hatte, beim wunderbar kuratierten Popkultur-Festival die Live-Aufführung im Berliner Admiralspalast zu erleben, der weiß, was für ein wuchtig-dramatischer Score den Schotten hier gelungen ist. In Kombination mit den eindringlichen Bildern des Films, die mehr eine Collage aus den Hoffnungen der Forscher und Menschen, den aus heutiger Sicht naiven Schutzmaßnahmen und den schockierenden Auswirkungen des Atomzeitalters (und wir sind noch lange nicht durch damit!) sind, drückt Mogwais Musik den Kloß erst richtig in den Hals.
Die Glasgower schichten dabei Soundwand auf Soundwand, wie man das von ihnen gewöhnt ist und an ihnen liebt. Die Tracks fließen gewichtig ineinander, viel Elektronik, dazu schwere Instrumentierung, die sich live zum ohrensausenden Orkan auswächst. Fröhliche Elemente findet man nur an den gelegentlich lichten Stellen, wo Wissenschaft und Fortschritt das Positive der Geschichte ins Spiel bringen. Ansonsten verbreitet sich eine düstere, bedrohliche Atmosphäre – und das soll auch so sein.
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