Wenn im deutschen Fernsehen Trailer und Werbung mit neuer Musik unterlegt werden oder gar „brandneue Hitalben“ angepriesen werden, möchte man meistens schreiend Reißaus nehmen vor den Santianos dieser Welt. Aber manchmal siegt auch das Gute. Sogar mit Electro-Pop! Auftritt Claire.
Apropos Auftritt: Der Rezensent hatte das Glück, die Band wenige Wochen vor Erscheinen von „The Great Escape“ im gemütlichen kleinen Club (im Rahmen des First We Take Berlin Showcase Festivals) zu erleben und war von der Dynamik des Münchener Fünfers beeindruckt. Das mit einer vielseitigen und kraftvollen Stimme begabte Energiebündel Josie Claire Bürkle am Mikrofon und ihre vier Knöpfchendreherjungs (die aber auch Gitarren und Schlagwerk bedienen) daneben bzw. dahinter beherrschen ihren sogenannten „Neon-Pop“ und ihre Sounds.
Die Sounds. Ja, das ist tatsächlich moderner Electro-Pop internationaler Gangart aus Deutschland, der endlich mal nicht ansatzweise nach dem hundertdrölfzigsten Synthiepop-Klon à la … (bitte hier eine passende L’angweilertruppe einsetzen, und damit ist auch genug gelästert für heute) klingt. Nein, hier kommt mal etwas Frisches, das auch anderswo bestehen könnte. Wenn wir mal die göttlichen Hundreds ausklammern, wer wäre da sonst noch?
Allem voraus ist als Hörbeispiel natürlich der vorab schon reichlich verwendete Knaller „Pioneers“ zu nennen. Satte Synthies, wummernder Beat, (New-)Wave-Atmosphäre, ein Hit, der bleibt. Aber auf dem Album ist noch eine Menge mehr Eingängiges zu finden. Die Single „Games“ mit gefälligen French-House-Sounds wirft fast schon zu viele „Ohoho“-s in die Menge. Noch besser gefällt aber gleich der Opener „Broken Promise Land“ – auch hier druckvolle Elektronik, poppige Melodie, schmissiger Refrain, passt, wackelt und hat Luft. Und der vierte Song der Tracklist, die nächste Single „The Next Ones To Come“, vergreift sich sogar an Grandmaster Flash’s „The Message“ und kommt damit ungestraft durch.
So ein bärenstarker Auftakt lässt sich selten bis zum Ende durchhalten. So rutscht zwischendurch, gerade bei ruhigeren Momenten, auch mal etwas Füllstoff dazwischen. Doch das beschränkt sich auf zwei, drei Stücke, mit dem irgendwo zwischen Moroder und Róisin Murphy oszillierenden „Overdrive“ ist der Schwung gleich wieder da, „Invincible“ streckt seine Fühler Richtung Indieland, ca. Two Door Cinema Club, aus, „A Million Drums“ hat gut bei Miike Snow hingehört und mit „In Two Minds“ erreicht man kurz sogar die Nähe zu The XX.
Mit dem donnernden Dancefloorkracher „Resurrection“ setzen Claire noch ein Ausrufezeichen zum Abschluss. Unter ein Album, das große Erwartungen für die Zukunft weckt.
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P.S. Claire sind im November und Dezember noch reichlich auf Tour. Die Tourdaten könnt ihr der Bandhomepage entnehmen.