
Samstag, 03. Juni 2017
Der Samstag began mit einer groรen Tasse Kaffee und einem kurzen Check, was denn fรผr diesen Tag auf dem Plan stand. Ganz wichtig: Noch eine Lesung von Christian von Aster, der schon gut gelaunt an der Tรผr des Haus Leipzig wartete und uns hinein winkte. An diesem Tag las der Leipziger รผber die Schwestern der begrenzten Barmherzigkeit und deren Leipziger Ortsgruppe, die sich unter dem Vรถlkerschlachtdenkmal angesiedelt haben und in mehreren Akten das Bรถse bekรคmpfen mussten. Auch รผber russische Golems wurde aufgeklรคrt, die neben Lehm auch aus Wodka bestehen. Ganz allein musste Herr von Aster die Bรผhne nicht betreten, hatte er sich doch alle Nonnen und Bรถsewichte gleich mit ins Haus Leipzig geholt und im Anschluss gegen eine kleine Spende noch Fotos mit ihnen angeboten.
Genug Literatur fรผr einen Tag, weiter ging es in den Felsenkeller. Gรคhnend leer konnten wir den ganzen Saal bis zur Bรผhne รผberblicken. Nun gut, es war frรผher Nachmittag und Superikone bestimmt nicht jedem gelรคufig. So ganz geheuer war das nicht, was der Kรถlner da auf der Bรผhne ablieferte. Zu stampfenden Beats performte er in Mallorca-Schlagerstar-Manier ( und Optik) Songs mit mangelhafter deutscher Grammatik. Das wiederum sorgte zwar fรผr Bauchkrรคmpfe vor Lachen und damit musste man Superikone eine Art Unterhaltungswert zugestehen, war aber wohl nicht ganz Sinn der รbung und so verlieรen wir gegen Mitte des Konzertes den Felsenkeller. Der vor der Bรผhne versammelte Fanclub feierte seinen Helden aber weiter mit hoch in die Luft gerecktem Bier im Plastikbecher.
Geplant war eigentlich erst zu Scary Bitches im Tรคubchenthal aufzuschlagen, aber was wir da zu sehen bekamen, hat sich mรคchtig gelohnt. Eine italienische Band namens Soviet Soviet versรผรte uns den Tag mit Musik รผber die sich Brian Molko mรคchtig freuen dรผrfte. Gitarren, eingรคngige Stimme und ein Hauch Placebo stimmten uns auf die Scary Bitches ein, die mit ihren irren Kostรผmen fรผr Partystimmung sorgten. Selten hat eine britische Band auf einem Gothic Festival so viel Spaร gemacht und fรผr breit grinsende Gesichter gesorgt. Da war bestimmt Zauberei im Spiel und wenn man sich die Stage Outfits der Damen so betrachtet, scheint Hexerei an diesem Abend nicht ganz abwegig gewesen zu sein.
Leipzigs Localhelden von Klangstabil zogen eine Menge Publikum in die Agra. Nicht die tollste Location, weil der Sound schnell nach Brei klingt, aber immerhin die grรถรte. Und so zogen Boris May und Bandkollege nicht nur das Publikum an, das ihren sphรคrischen Klรคngen lauschen wollte, sondern auch alle, die vor dem Regen Schutz suchten. Dabei sorgten sie nicht nur mit โMath & Emotionโ zu Beginn ihres Sets fรผr vertrรคumte Gesichter vor der Bรผhne, sondern auch fรผr frenetischen Applaus zu ihrem Hit โShadowboyโ.
Es scheint als hรคtten wir einen gitarrenlastigen Samstag erwischt. Es zog uns in das Alte Landratsamt zu Esben And The Witch, um den Tag ausklingen zu lassen. Nach langem Soundcheck begannen Rachel, Thomas und Daniel ihr Konzert und erfรผllten das, was man ihr Motto nennen kรถnnte perfekt: โAncient music for primal visionsโ. Auch wenn der Sound im Landratsamt nur mittelmรครig war, Rachel rettete mit ihrer Stimme einfach alles und so verlieรen wir von einer tiefen inneren Ruhe erfรผllt die letzte Location des Tages. An dieser Stelle bleibt nur wรคrmstens zu empfehlen, den Berlinern einmal sein Gehรถr zu schenken.
Sonntag, 04. Juni 2017
Tรผrkei und Postpunk passt nicht zusammen? Passt doch und hรถrt auf den Namen She Past Away. Das Duo, das wรคhrend des Auftritts keine Mimik im Gesicht zeigte und sich nur spรคrlich bewegte, rockte an diesem Sonntag die Agra-Bรผhne und das vor halb vollem Haus. Das ist ziemlich gut fรผr einen Slot um diese Zeit und fรผr eine Band aus der Tรผrkei. Das Publikum dankte den beiden ihre Anwesenheit mit wabernden Tanzeinlagen und lautem Applaus. Geht doch!
Noch die letzten Songs von Decoded Feedback hรถrend, trafen wir am Kohlrabizirkus ein und es klang schon von auรen grausig. Nach einem kurzen Blick in die Location und der Feststellung, dass es viel zu laut war und immer noch schrecklich klang und den Kanadiern nicht gerecht wurde, beschlossen wir eine Weile auf dem Platz vor dem Kohlrabizirkus zu verweilen und noch ein Bier zu trinken, bevor es โNever Trust A Klingonโ hieร. Gewohnt den Launepegel nach oben treibend, alberten S.P.O.C.K auf der Bรผhne herum, schnitten Grimassen und Sรคnger Android gab den Spaรkasper und erfreute sich an Ballons in den schwedischen Nationalfarben. Wer fรผr sein Festival einen Freudenspender sucht, sollte dringend auf dieses Trio zurรผckgreifen, denn sie sorgen immer fรผr gute Laune. Der Sound war dann nahezu perfekt und fรผr den Kohlrabizirkus รผberdurchschnittlich gut als es wieder Lieder รผber Weltraumreisen, Aliens und die Enterprise zu hรถren gab.
Nach einer kurzen รberlegung, was man denn bis zum Beginn von Skinny Puppy noch so anfangen kรถnnte, entschieden wir uns, Desperate Journalist und danach Alcest einen Besuch abzustatten. Erstere spielten in der Kantine des Volkspalastes, wo im Vorjahr Drangsal ihre Songs zum Besten gaben. Gitarren und die unsagbare Energie von Jo Bevan dominierten den Auftritt. Wรคhrend ihre Bandkollegen eher ruhig auf der Bรผhne standen, gab das kleine blonde Wesen einfach alles, sang sich die Seele aus dem Leib und schaffte es mit dieser Performance in die Herzen derer, die diese Band erst am Sonntagabend kennengelernt haben. Bleibt zu hoffen, dass Desperate Journalist bald kein Geheimtipp sind und wir sie bald auf den grรถรeren Bรผhnen der hiesigen Festivals wiedersehen dรผrfen. Im Anschluss zu dieser Energieperformance hieร es etwas runterfahren bei den Franzosen von Alcest, die mit ihren dรผsteren Klรคngen die Kuppelhalle des Volkspalastes bespielten und somit noch fรผr einen ordentlichen musikalischen Dunkelfaktor sorgten.
Mit einer Mischung aus alten und neuen Songs wussten Skinny Puppy im Mitternachtsspecial zu รผberzeugen. Dass es eine Band noch einmal schaffen wรผrde, diese Location nicht wie eine Waschtrommel klingen zu lassen, grenzt schon fast an ein Wunder und so bleibt ein klein wenig Hรผtchen ziehen vor dem Soundtechniker der Kanadier, der Songs wie โTin Omenโ, โThe Chokeโ und das wohl bekannte โAssimilateโ perfekt klingen lieร. Musikalisch war dieses Konzert, das, was man als Abriss bezeichnen darf. Zwar fehlte mir eine groรe Pogoecke vor der Bรผhne und fast hรคtte ich den รผber Nivek Ogre lรคsternden Damen, die mit der Musik nichts anfangen konnten, aber ihre Lautstรคrke auch nach dezenten Hinweisen nicht drosseln wollten, kurzerhand die Nase gebrochen ( die Gedanken waren ob deren nervigen Kommentaren und Kulturbanauserei durchaus da), aber als Fazit dieses Auftritts bleibt nur zu sagen: Mehr davon! Bitte mehr davon, denn ihr wisst, wie man gutes Entertainment fรผr Ohren und Augen liefert!
Die wundervollen Galerien wurde von Stรถrbild erstellt, dem ihr auf Facebook gern einen Daumen nach oben geben kรถnnt.