Wird langsam Zeit für das erste Album des Monats für das Jahr 2019, oder? Und wir wagen mal zu prophezeien, dass nicht nur Robert Smith das fünfte Album der Schotten auch am Jahresende in seinen Top 10 haben wird.
Im Jahre 2003 in bzw. bei Glasgow gegründet, haben The Twilight Sad sich bis 2007 Zeit für ihr Debüt „Fourteen Autumns And Fifteen Winters“ genommen, aber die Mischung aus Shoegaze und Post-Punk fand sofort ihre Anhänger. Zum Nachfolger „Forget The Night Ahead“ (2009) kamen dann erstmals vereinzelte Synthesizer ins bis dahin gitarrendominierte Spiel (als Keyboarder stieß damals übrigens Martin Doherty zur Band, mittlerweile ist er bei den Chvrches), Album Nummer Drei („No One Can Ever Know“, 2012) hatte erstmals eine kräftige elektronische Ausrichtung, die das bislang letzte Album „Nobody Wants To Be Here And Nobody Wants To Leave“ (2014) zugunsten von mehr Emotionen wieder etwas zurückfuhr.
Und dann kam Robert Smith. Na gut, das ist verkürzt wiedergegeben. Aber die Legende von The Cure outete sich als großer Fan, coverte „There’s A Girl In the Corner“ und nahm die Schotten schließlich als Support mit auf die lange Tour. Als Krönung waren sie (neben Interpol, Editors, Goldfrapp und weiteren) schließlich auch Teil des letztjährigen Cure-Geburtstagsfestes im Hyde Park.
Das alles (plus viele private Erlebnisse, gute wie schlimme) ist nun in „It Won/t Be Like This All The Time“ eingeflossen, zudem haben die beiden Bandköpfe James Graham (Gesang und Texte) und Andy MacFarlane (Songwriting, Produktion, Gitarre) die langjährigen Livemitglieder Johnny Docherty (Bass) und Brendan Smith (Keyboards) endgültig als offizielle Bandmitglieder verkündet, außerdem wurde im vorigen Jahr nach freundschaftlicher Trennung vom Vorgänger mit Sebastien Schultz ein neuer Drummer verpflichtet. Konzentriertes gemeinsames Arbeiten, u.a. in einem einsamen Cottage am Loch Fyne, führte letztendlich zu ihrem vielleicht besten Album bisher.
Alle Stärken von The Twilight Sad finden sich hier gebündelt: Die Wucht der Gitarren, druckvoller Rhythmus, die Livequalitäten als Band, der wieder erheblich höhere Synthesizeranteil und die vielseitige und zu jeglichem Gefühlsausbruch in der Lage befindliche Stimme Grahams (immer noch mit feinstem schottischem Akzent). Dabei sind die Themen ernst, für die Welt sieht es auch nicht besser aus, aber Humor gehört trotzdem immer dazu, man betrachte nur mal die Songtitel.
Bereits [10 Good Reasons For Modern Drugs] zwinkert dem Hörer da zum Auftakt zu und fährt mit sattem Synthieeinsatz in Richtung dunklen Waves ab, gar nicht weit von den Kollegen Editors. Im Anschluss erhöht „Shooting Dennis Hopper Shooting“ den (Gitarren-)Druck, bevor bei „The Arbor“ erstmals deutlich die gewachsenen The-Cure-Einflüsse zu erkennen sind.
Den ständigen und doch bestens funktionierenden Wechsel zwischen Hell und Dunkel, zwischen Schwermut und Optimismus, gibt auch die Songreihenfolge wieder. „Vtr“ zeigt sich eingängig und zu Recht als singletauglich, darauf leidet „Sunday Day13“ melancholisch dahin und lässt sich unter Synthieflächen begraben, doch gleich danach springt das unwiderstehliche „I/m Not Here [Missing Face]“ dynamisch zurück unter die Lebenden.
Was der rätselhafte Songtitel „Auge Maschine“ wohl bedeuten mag? Vielleicht hat die Band es uns ja im Interview verraten, das ihr in den nächsten Tagen auf unseren Seiten finden könnt? Der Song, wieder mit schicken Synthies zwischen den Gitarren, erfreut jedenfalls auch das Ohr. Schwache Songs, Füllmaterial gibt es nicht auf „IWBLTATT“ (die und ihre langen Songtitel…), ob „Girl Chewing Gum“ nun mit Wucht die Mageninnenseiten massiert, bevor der Gesang Erlösung verspricht, oder „Let’s Get Lost“ kurz vor Schluss nochmal mit Tempo überrascht.
Und ganz ans Ende hat man noch eine Single und einen ganz großartigen Song in Tradition von The Cure/Joy Division/New Order gepackt. „Videograms“ kann vereiste Herzen schmelzen lassen. Genau das, was die Welt jetzt braucht.
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P.S. The Twilight Sad spielen (u.a., wir hoffen da auf noch mehr) vom 14.-16.06. auf dem Maifeld Derby, Mannheim und dem Traumzeit Festival, Duisburg. Wer sie beim Heimspiel erleben möge: Mitte August spielen sie mit The Cure, Mogwai und anderen in Glasgow!
P.P.S. Bonusbonbon: Von „Videograms“ gibt es einen wunderbaren Remix von Remix-Legende Andrew Weatherall. Bitteschön: