Im April verรถffentlichten VNV Nation ihr neues Album „Judgement“, welches in Deutschland immerhin einen Charteinstieg auf Platz 55 schaffte. Am Rande eines ihrer von den Fans wie immer gefeierten Konzerte stand Mastermind Ronan Harris Rede und Antwort. Hier nun die zweite Hรคlfte unseres Interviews:
Gibt es einen persรถnlichen Favoriten fรผr dich auf dem neuen Album?
Ich mag viele der Songs aus verschiedenen Grรผnden. Wir spielen fรผnf oder sechs von ihnen live. Wir kรถnnten sogar sieben spielen, das war das letzte Mal bei โEmpiresโ so.
Welche Musik hรถrst du derzeit so privat? Ich wรผrde in Richtung Hard-Trance tippen.
Nein, Hard-Trance hรถre ich รผberhaupt nicht, schon ungefรคhr seit 2000 nicht mehr. Ich mag viel elektronische Rockmusik. Es gibt viel gute elektronische Underground-Musik im Moment, die in keine Kategorie passt. Ich hรถre Ambient, Chillout-Musik, Experimentalelektronik. In Hamburg gibt es viele interessante, schrรคge Undergroundbands.
Nun zu einer Frage, die du sicher dauernd hรถrst: Es geht ums Coachella-Festival. Seid ihr sehr stolz?
Ja. Auf das Coachella eingeladen zu werden, war das Grรถรte, das uns je passiert ist. Es ist nicht mit Rock am Ring oder einem anderen deutschen Festival vergleichbar, es ist unglaublich. Daft Punk waren fantastisch, Depeche Mode waren fantastisch, die ganze Atmosphรคreโฆ es ist das Grรถรte fรผr populรคre alternative Musik. Ein Magazin fragte, wie es sei, zwischen all diesen kommerziellen Kรผnstlern aufzutreten. Aber das ist doch keine Mainstream-Musik. Neben den ganzen Alternativgrรถรen triffst du da das Who-is-Who des elektronischen Undergrounds. Was uns auch fasziniert, ist, dass wir auf einem riesigen, ausverkauften Zweitagesfestival in Amerika an einer ziemlich hohen Position spielen. Das ist eine groรe Bestรคtigung fรผr uns: โVNV Nation, ihr seid keine Szene-Band.โ
Es ist sehr interessant, dass die Menschen, die uns dort sehen wollen, aus den verschiedensten Backgrounds – aus ganz anderen als ich – stammen. Die sind musikalisch viel offener. Hier hรถren die Leute zwar auch unterschiedliche Musik, aber eben innerhalb einer bestimmten Szene. Alternative Musik ist dort viel mehr eine Kultur. Ich hรถre viele verschiedene Musikstile, wie diese Menschen auch. In unserer Musik geht es ihnen meistens um Emotion und Message. Sie finden die Musik sehr positiv, aber durchaus auf eine anspruchsvolle Art und Weise. Die Texte werden als sehr inspirierend empfunden. Das ist es, was Depeche Mode fรผr mich in den 80ern waren.
Willst du wissen, was mein erstes Konzert war? Es war 1981, als Vince Clarke DM verlieร/verlassen hatte. Ich sah die Tour zu โA Broken Frameโ, als ich nach Dublin kam. Sie erรถffneten mit โMy Secret Gardenโ und spielten live eine ganz andere Version als auf Platte. Alan Wilder kam raus und spielte Keyboard, einer nach dem anderen kam heraus, und ich war wie gebannt. Ich sah sie auch in Manchester, als sie โNew Lifeโ verรถffentlichten, ich sah sie so einige Male in den 80ern. Sie waren schon so was wie eine Lieblingsband. Das hat sich รผber die Jahre etwas verรคndert, Violator und Ultra waren die letzten Alben, wo ich noch so eine Art besessener Fan war. Frรผher hatte ich den ganzen Kram an der Wand, so um die Black Celebration herum. Ich fuhr 1985 extra nach Berlin, um die Hansa-Studios zu sehen. Berlin war ein sehr interessanter Ort damals. All die Inspirationen fรผr โSome Great Rewardโ, was ein fantastisches Album war. รhnlich vielleicht, wie fรผr mich heute Hamburg sehr inspirierend ist.
Nun haben wir ein Alter erreicht, wo wir viel andere Musik hรถren, obwohl wir die Band immer noch sehr mรถgen. Aber wenn man mich 1986/87 nach einer Band gefragt hรคtte, die ich jeden Tag hรถren kรถnnte, wรคre die Antwort DM gewesen. Ihre Texte waren sehr inspirierend, sie haben mir durch viele Situationen geholfen. Als ich umgezogen bin, brachte Mark eine Mange alter Kassetten mit und ich habe seit langer Zeit mal wieder auf die Texte geachtet. Und ich dachte nur: Wow, diese Bedeutung, die habe ich frรผher so gar nicht erkannt. Ich hatte eine komplett andere Interpretation. Es ist eine interessante Band, sie wรคchst mit dir, wenn du รคlter wirst.
Viele Fans, sagen, das ist ein Lebensgefรผhl.
Genau. Martin Gore hat eine sehr einzigartige Perspektive auf die Welt. Er schreibt รผber menschliche Erfahrungen und Empfindungen. Ich sehe diese Band und denke mir: Die machen das jetzt seit 27 Jahren, wie geht das? Wie schaffen sie es, weiterzumachen? Das Traurigste fรผr mich war, als Alan Wilder die Band verlieร. Das war der Sound, den ich liebte. Es ist, was er mit der Band gemacht hat. Ich las viele Synthesizer-Magazine in den frรผhen 80ern, eines hieร โOne, Two, Testingโ. Dort las ich einen Bericht รผber die Aufnahmen von โA Broken Frameโ. Es ging darum, wie sie die Songs schrieben, wie sie mit Daniel Miller produzierten usw. Ab dem nรคchsten Album ging es in den Artikeln, die ich las, meistens darum, wie Alan Wilder dazukam. Mit seinen verrรผckten neuen Ideen und neuer Technik. Wie er Martin Gore half, den Sound aus seinem Kopf und auf Platte zu bekommen.
Doch zurรผck zu deinen Fragen.
Bevor wir nun zum Ende kommen, erlaube mir noch drei kleine Fragen:
a) Dein Lieblingsfilm zur Zeit?
Im Moment ist es wohl 300. Der Film ist unglaublich.
Und im Allgemeinen?
Der Himmel รผber Berlin, von Wim Wenders. Er heiรt im Englischen โMeanings of Desireโ, ein englischer Titel, aber gedreht in Berlin. Es ist eine perfekte Dokumentation, was es heiรt, ein Mensch zu sein. Ein sehr bekannter Film im Rest der Welt.
b) Welches Parfum benutzt du?
Antaeus von Chanel.
c) Auf wen freust du dich am meisten, wenn die Tour vorbei ist?
Sie wird noch fรผr einige Monate nicht vorbei sein. Ich weiร noch nicht, nach einer Tour brauche ich immer etwa zwei Wochen fรผr mich. Aber ich liebe das Touren. Das ist vielleicht unsere beste Tour bisher. Die Atmosphรคre ist fantastisch. Du hรถrst ja das Gelรคchter da drauรen. Das sind die Band und die Crew. Das ist eine groรe Gruppe von Freunden mittlerweile. Alle sind freundlich, lustig und spaรig. Wir haben eine gute Zeit.
Bildquelle: www.vnvnation.de (Fotos: Sven Lorenz)
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