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Zwischen Apathie und sedierender Lethargie

Review: Lana Del Rey – Honeymoon

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Elizabeth Grant hat einen Charakter produziert: LANA DEL REY. Sie lebt in dieser schillernd schönen, fragilen Hollywood-Blase. Eine unvergessliche Stimme, angefüllt mit einer Vergangenheit, die sie – im Gegensatz zu ihrer Kunstfigur – nicht hat. Polarisieren wird sie immer, denn sie präsentiert ein – möchte man meinen – inzwischen veraltetes Frauenbild: devot, genügsam, abhängig, frivol und stereotypisch für die 50er/60er in Amerika.

Vielen entgeht jedoch die Ironie, mit der sie spielt. Lana Del Rey ist so amerikanisch wie Don Draper in der Serie Mad Men: Eine selbst geschaffene Kunstfigur, die verschleiert, wer sie in Wahrheit ist, die sich von Nichts nach ganz oben gekämpft hat und dennoch, oder gerade deswegen, mit ihren Dämonen zu kämpfen hat. Melancholisch und getrieben, mit jenem fatalen Hang zur Selbstzerstörung. Und das hört man auch auf ihrem dritten Album „Honeymoon“ (Interscope). Wie mit allen Del Rey-Werken ist es ein schmaler Grat zwischen seliger Apathie und sedierender Lethargie.

In „Freak“ scheint ihre Stimme dunkel durch die dunklen Straßen Los Angeles’ – flamingofarbenen Neonröhren gleich. Sie flackert, mal höher mal tiefer. Gleichzeitig warm und kalt. Neonlicht ist zwar Licht, aber zunächst ein kaltes. Vielleicht kann man es erst dann als warm bezeichnen, wenn man im grellen Großstadtdschungel seine Geschichten erlebt hat. Wenn die Dunkelheit zum schützenden Tuch geworden ist, der Schmutz zum Ornament und die Neonröhren zum heimeligen Kaminfeuer. Schauspieler James Franco sagte kürzlich, er sehe in Lana alles, was er an Los Angeles liebe: „I am sucked into a long gallery of Los Angeles cult figurines, and cult people, up all night like bikers and vampires“. Lana Del Rey trägt diese Atmosphäre mit sich an die Côte d’Azur. In ihrer Welt gehört zur nostalgischen Schönheit immer das brutale und gefährliche Element, der Riss in der perfekt lackierten Oberfläche.

So klingt „Salvatore“ nach sizilianischen Mafia-Dramen in schwarz-weiß. Ein marschierender Drumbeat und anschwellende Streicher sorgen für die entsprechende Dramatik. Lana Del Rey beschreibt den Song folgendermaßen: „It has a little bit of an old world Italian feel, it’s kind of a weirder song, but I love the chorus.“ Und doch bricht sie mit der Nostalgie – wie gewohnt gekonnt – auf ihre angeborene New Yorker Eastside-Manier, indem sie zeitgenössische Referenzen reinbringt: „On the downtown scenes, baby blue / Beatboxing and rapping in the summer rain / Like a boss, he sang jazz and blues“. „24“ klingt nach einem Song für den nächsten James Bond Film – mit Lana als Bond Girl. „The Blackest Day“ und „Swan Song“ schwelgen in Melancholie, klingen aber auch so, als sei sie davon leicht gelangweilt.

„High By The Beach“ klingt zugleich französisch und nach Hip Hop. Nach düsterem Film Noir und nach Brooklyns Straßen. Die Monotonie des Songs ist gleichzeitig auch eine seiner Stärken: „I was driving by the beach a lot. This was probably one of the last ones on the record…Even with the harmonies, it almost sounded monotone. But with the beat, it has this trap influence“, erzählte sie im britischen Radio. Retro-Synthesizerklänge und immer wieder diese lauernde Nancy-Sinatra-Düsternis. Als ob sie im nächsten Moment aus ihrem marihuanainduzierten Schwebezustand zu sich kommt, ihren goldenen Colt auf eine verflossene Liebe richtet, um abzudrücken, und anschließend im nächsten Moment auf eine blendend weiße Yacht steigt, einem kitschigen Sonnenuntergang entgegensegelnd während das Meer vor sich hin glitzert.

In „Terrence Loves You“ stellt Lana Del Rey ihr dreioktaviges Contralto, unter Beweis. Streicher, bluesige Elemente, ein paar Töne Saxophon getragen von rhythmischen Beats. Alle David Bowie-Fans dürften hier freudig aufhorchen: „Ground-Control to Major Tom“ schmachtet sie. Bowie’s Astronaut, der die Verbindung zur Erde kappt, Sinnbild von Abwesenheit. Ein Junkie, der sein all-time-low erreicht hat. Besonders auffällig ist das Zitat: „Here… am I floating in my tin can, far above the Moon. Planet Earth is blue and there’s nothing I can do“. Auch Lana befindet sich in diesem Zustand – „High By The Beach“ – gleitet hinfort unter der französischen Riviera-Sonne, weit weg vom drögen Alltag. „Planet Earth is blue and There’s Nothing I can do“.

Dieser Gedanke findet sich in „God Knows I Tried“ ebenfalls wieder. In einer American Bubblegum-Blase gleitet sie durch den sternengesprenkelten Weltraum – nicht von dieser Erde und doch vertraut, weil wir uns alle schon dorthin geträumt haben, wo sie sich ganz offensichtlich ihr neues Zuhause aufgebaut hat. Es ist dieses Kino-Element, der alte Hollywood-Glamour, der Lana faszinierend macht. Ihre Songs bewegen sich stets im Radius von Hollywood-Epik: randvoll, wenn nicht gar überbordend, mit Streichern. In „Music To Watch Boys To“ gibt sie sich als Voyeurin. Zu ausschweifenden Klängen, beobachtet sie traumverloren Männer, singt „I like you a lot“ in psychedelischem Echo. Es erinnert an eine Film Noir-Szene: Lana, die Femme Fatale mit taxierendem Blick. „Don’t Let Me Be Misunderstood“ schließt das Album auf großartige Weise. Ein jazziges Cover des Nina Simone Klassikers. Toll umgesetzt, bleibt im Ohr und Lanas Stimme transportiert hier ganz besonders persönliche Leidenschaft und Hingabe. Fender Rhodes und Streicher harmonieren miteinander – wie auf dem ganzen Album. Worte wie Perlen. Ein leicht psychedelisches Cover, dass von Lanas Kreativität und Wagemut lebt. Einer der besten Songs auf einem gelungenen Album, das außer „Art Deco“ kaum Schwäche zeigt.

Eleni Blum

"The only truth is music" (Jack Keruac)

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