Neuerscheinungen in Hülle und Fülle. Wenn es nach der Menge der Veröffentlichungen ginge, herrschte bestimmt keine Krise. Ab sofort werden wir euch monatlich an dieser Stelle einen kurzen Überblick über Platten liefern, die im vergangenen Monat sonst noch so erschienen sind. Mit Bewertung und allem übrigen, aber eben eher kurz und knapp.
Gleich mal ein Sampler zu Beginn. Kompakt schickt „Pop Ambient 2012“, die bewährte und von den Fans heiß erwartete jährliche Ambient-Compilation, ins Rennen. Wobei Rennen hier natürlich irreführend ist, denn Tempo ist das Gegenteil von Ambient. Alles fließt, alles schwebt, von Mohn (Jörg Burger & Wolfgang Voigt), über Superpitcher, Triola und bvdub bis zu Loops Of Your Heart. Beats will und braucht hier wirklich niemand. Äußerst entspannend.
Nach so viel Ruhe braucht es immer etwas Lärm, um den Kreislauf wieder hochzufahren. Da kommen uns Enter Shikari mit „A Flash Flood Of Colour“ gerade recht. Trancecore nannte man das mal, was diese Verrückten da anzetteln. Mittlerweile ist da mehr Struktur drin, aber es ist immer noch ein Höllenlärm aus bratzigen Gitarren, satten Synthies, Gebrüll, Gesang und urplötzlichen Breaks. Nicht mal so weit von Linkin Park weg und mit viel besser integrierten Dubstep-Momenten als kürzlich Korn. Ein schönes Guilty Pleasure für zwischendurch.
Und weil es gerade gut passt, setzen wir gleich mit den Nintendo-Sound-Krachmachern von den Bondage Fairies fort. Die sind jetzt zu viert, auf der Bühne gern maskiert und reißen auf ihrem nach sich selbst betitelten dritten Album zehn zackige Tracks in einer halben Stunde runter. Das rauscht etwas zu hektisch durch, für künftige Platten empfehlen wir, sich vielleicht auch mal ein bisschen Zeit zu nehmen. Denn die eingängigen, poppigen 8-Bit-Sounds hätten das verdient – und Highlights wie „Clone“, „1-0“ oder „Devil“ versprechen mehr.
Hui, „Fascinated By The Chaos“ von Nomenklatür (dem Projekt zweier Oliviers, Brucker und Rossi) fängt ja mal mit einem richtig starken Dark-Wave-Stück an. „It’s All In The Air“ schillert dunkel, bietet harte Electro-Sounds und eine gute Melodie sowie eine weibliche Gaststimme. Da die beiden Macher sich im Berliner Ostgut kennengelernt haben, ist ihnen aber auch zeitgemäßer Techno nicht fern. Eine Mixtur, die man heute nur noch selten hört, die aber hier erfreulich frisch und mit vielen schönen Synthesizerklängen daherkommt.
Wo wir gerade bei französischen Duos sind, schieben wir doch gleich AaRON nach, was frei nach Peter Pan Artificial animals Riding On Neverland heißt. Passend zu den melancholischen Geschichten, die Olivier Coursier und Simon Buret auf „Birds In The Storm“ erzählen. Musikalisch ist das mal Electropop, mal eher Indiepop, stilistisch wollen sie sich da nicht festlegen lassen. Burets schöne Stimme ist das Bindeglied und gute Songs wie das flotte „Ludlow L“, das schwelgerische „Rise“ oder das coldplay-eske „Inner Streets“ fördern den Wiederhörwunsch.
Musik aus Wales, da schlägt das Herz des Cymru-Urlaubers höher! Benjamin Damage & Doc Daneeka sind mit ihrem ersten gemeinsamen und in Berlin aufgenommenen Album „They! Live“ bei Modeselektors Label 50 Weapons gelandet. Darauf verarbeiten sie nun zahlreiche Einflüsse aus Techno, House und Dub(step) und warten neben einer angenehm dunklen Stimmung sowohl mit introspektiv atmosphärischen Tracks (die gar, wie in „No One“, an Burial erinnern) als auch mit echtem Clubfutter wie „Creeper“ oder „Deaf Siren“ auf. Tipp!
Lee Burton heißt bürgerlich Lefteris Kalabakas (Keine Griechenwitze jetzt!). Nachdem der Künstler früher schon unter dem Alias Liberto unterwegs war, ist „Busy Days For Fools“ sein zweites Album als Lee Burton. Darauf schafft er es, entspannten Tech-House mit wohldosierten Elementen des Folk zu verknüpfen. Der Trend der Entschleunigung geht also weiter und führt hier zu einem warm tönenden Album, das Dubstep-Elemente („Breath“) ebenso wie Tanzbares „The Fool’s Open Up“) in Einklang bringt.
Hip Hop, Alter? Nein Grime. Aber genug Korinthen gekackt, Wiley, der (Mit-)Erfinder dieses Genres, leidet offensichtlich unter Arbeitswut. So dass er bereits wenige Monate nach seinem letzten Album mit „Evolve Or Be Extinct“ nachlegt. Das passt bei uns durchaus rein, denn neben den knackigen Raps dominieren hier massiv elektronische Sounds, die ordentlich die Boxen erschüttern. So springt auch unsereins (allerdings nicht auf Albumlänge, da zeigen sich doch nach hinten einige Längen) zu Krachern wie „Boom Blast“ oder „Link Up“ mit.
Zum Abschluss noch etwas David Lynch. Obwohl der Meister visueller Albträume hier gar nicht mitmacht. Aber wie oft uns die Trailer Trash Tracys auf ihrem Debüt „Ester“ Anspielungen auf Angelo Badalamentis Titelmelodie von Twin Peaks unterjubeln, das ist schon erstaunlich bis frech. Doch es funktioniert und verstärkt die spukige Wirkung dieser zehn kurzen Dreampop-Shoegaze-Dramödien enorm. Dazu leicht abseitiger Damengesang, hallende Keyboards – nur den Nebel muss man sich dazudenken.
Jetzt Benjamin Damage & Doc Daneeka oder andere dieser Alben bei Amazon bestellen
Zu Amazon