Heieiei, die Vorzeichen waren wahrlich nicht gut. Der Bassist, in dieser Band von erheblich größerer Bedeutung als üblich, verlässt die Band. Das Album wird nach der Band benannt, oft ein Zeichen von Einfallslosigkeit. Doch es darf Entwarnung gegeben werden: Auch auf Album Nr. 4 bleiben Interpol Meister der düsteren Melancholie.
Sänger und Texter Paul Banks, Gitarrist und Hauptsongwriter Daniel Kessler und Schlagzeuger Sam Fogarino sind also nur noch zu dritt. Carlos Dengler, Bassist, Mit-Songwriter, wesentlicher Mitwirkender bei der Studioarbeit und nicht zuletzt optisches Aushängeschild Interpols, ging im Frühjahr. Details bleiben im Dunkel, manchmal ist es einfach so, dass man sich im Leben neu orientieren muss. Doch an „Interpol“, welches das schwere Erbe der Meisterwerke „Turn On The Bright Lights“ (2002), „Antics“ (2004) und „Our Love To Admire“ (2007) antreten muss, hat er noch mitgearbeitet, so dass seine markanten und komplexen Bassläufe erst zukünftig fehlen werden.
Nach dem dunkel funkelnden, kompakten, eigentlich zwingend am Stück zu hörenden Debüt, dem nicht viel fröhlicheren, innerlich vielleicht etwas zerrissenen Nachfolger und dem sich etwas öffnenden und vergleichsweise fast opulent instrumentierten Drittwerk – wohin segelt das Schiff Interpol jetzt? Nun, nicht direkt zu neuen Ufern, die Veränderung findet sich weiterhin nur im Detail. Ihren ganz speziellen Sound variieren Interpol erneut eher nuanciert, was aber die die Band abgöttisch liebenden Anhänger kaum stören wird.
Wie schon der Vorgänger (und eigentlich alle Interpol-Alben) braucht es ein paar Durchläufe. Zunächst stellt man fest, dass es wieder minimalitischer zugeht als zuletzt und die Songs eine Weile benötigen um sich im Ohr und Hirn zu verankern. Dann erkennt man mehr und mehr die Feinheiten, an denen dieses Mal wohl Alan Moulder als Produzent auch einigen Anteil hat. Da wäre zum Beispiel die Stimme von Paul Banks, der natürlich wieder intensiv seine kryptischen Texte zum Vortrag bringt, der aber oft deutlicher als zuvor in den Vordergrund gemischt wird und gerade in der zweiten Hälfte so einige neue Klangfarben zeigt.
Apropos: Zwei Albumhälften, das scheint wieder in Mode zu kommen. Auch hier kann man deutlich einen Strich in der Mitte ziehen. Da sind die ersten fünf Stücke, die problemlos als typische Interpol-Stücke durchgehen, von den markanten Gitarren auf „Success“, über das getragene „Memory Serves“ und das etwas optimistischer klingende „Summer Well“ bis zu den Singles „Lights“ (von wegen Licht: ein ziemlich sperriger Brocken ist das, aber irgendwann klickt es und man liebt den Song) und „Barricade“.
Auf der zweiten Hälfte wird dann mehr experimentiert, man lockert die Strukturen, versucht hier und da Neues. „Always Malaise (The Man I Am)“ zieht als Klagelied einsame Kreise, die Stimme mitunter seltsam weit draußen, das Piano verloren anschlagend. „Safe Without“ stuckert gewollt monoton vor sich hin, so dass man bei den ungewohnten Klängen von „Try It On“ fast aufschreckt. Was klimpert da, wer pfeift da, trommelt der Fogarino etwa einen Breakbeat? Eine Überraschung, ein Highlight. Die zarte Liebesverliererballade „All Of The Ways“ holt einen dann schnell wieder auf den Boden zurück, bevor zum Finale das grandiose „The Undoing“ komplexe Haken schlägt.
Interpol mögen am Scheideweg und vor einer ungewissen musikalischen Zukunft stehen. Die Gegenwart jedoch haben sie uns mit einem weiteren schaurig-schönen Album verbessert.
(Addison)
P.S. Interpol live: 18.11. Wien – 20.11. Berlin – 22.11. Dortmund