Das Soundcheck-Testlabor läuft auf vollen Reagenzgläsern. Schon wieder wurden vier vielversprechende musikalische Lösungen destilliert. Willkommen zur Zeitreise rückwärts, von modernem Post-Dubstep über experimentelles Chaos bis tief hinein in die guten alten 80er!
Wer von The XX auf ihr persönlich kuratiertes Night + Day Festival (u.a. im verwunschenen Berliner Spreepark, herrlich war’s!) eingeladen wird, muss schon etwas Besonderes auf dem Kasten haben. So wie Dominic Maker und Kai Campos, die als Mount Kimbie mit ihrer eigenwilligen Auslegung moderner Elektronik-Klänge schon eine ganze Weile Lieblinge der Blogs und Fans sind („Crooks & Lovers“ war 2010 bei vielen weit vorn) und diesen Status mit ihrem neuen Album „Cold Spring Fault Less Youth“ untermauern.
Auf diesem haben sie ihren gerne als Post-Dubstep bezeichneten Sound weiterentwickelt. Geschuldet sicher auch den häufigeren Live-Auftritten, sind zu der nach wie vor vielseitigen Elektronik mehr organische Töne hinzugekommen. Echtes Schlagzeug, ein bisschen Gitarre, weniger Samples, viel mehr Gesang. Das werden die Anhänger verkraften, denn die Tracks biedern sich trotzdem nach wie vor keinerlei Trends oder gar dem Formatradio an, sondern bleiben originell und unberechenbar.
Man höre nur das starke „Made To Stray“ – unaufdringliche Sounds, nervöse Beats, und in der zweiten Hälfte dreht der einsetzende Gesang das Stück plötzlich in Richtung Pop. Oder gleich am Anfang das unberechenbare Doppel aus dem melancholischen „Home Recording“ und dem erdigen „You Took Your Time“, in dem King Krule seinen Gastrap fast singt. Mount Kimbie sind zugänglicher geworden, bleiben aber ungreifbar und erhalten sich somit das mysteriöse Element und dem Hörer die freudige Spannung. – 8 von 10 ausgelasteten Warp-Kernen
http://youtu.be/Vsdv2Fxrd8A
Auch die Dänen von When Saints Go Machine veröffentlichen ihr (außerhalb der Heimat gezählt, ansonsten ist es nämlich das dritte) zweites Album nach dem – auch von uns – hochgelobten „Konkylie“. Auch sie haben ihren Sound verändert. Doch „Infinity Pool“ macht es dem Hörer nicht so einfach es zu mögen. Woran es liegt? Gar nicht so leicht zu sagen. Vielleicht an der allgemeinen Unordnung auf der Platte?
Okay, was schnell auffällt, ist, dass so umwerfende Euphoriehits wie „Church And Law“ hier einfach mal fehlen. Und dass man sich ein wenig mit der Orientierung schwergetan hat (was die Band auch durchaus bestätigt, die mehrere Ansätze bei den Aufnahmen verwerfen musste). Der Hörer muss sich durch einige Überraschungen arbeiten – z.B., dass auf dem Opener „Love And Respect“ erstmal nicht das gewohnte Antony-Falsett von Sänger Nikolaj Manuel Vonsild, sondern Gastrapper Killer Mike den Ton angibt (danach und dazu darf Vonsild aber wieder). Trotzdem ein guter Auftakt.
Wie sich überhaupt letztlich vieles zum Guten wendet. Okay, nehmen wir zur Kenntnis, dass der Vorgänger nicht erreicht wird und dass manche Stücke hier etwas ziellos ausfransen. Es bleibt aber ein mutig experimentierendes, sehr elektronisches Album, auf dem es so einiges zu entdecken gibt, vor allem, wie variabel moderne elektronische Musik sein kann. Und ein paar Fast-Hits sind dann doch drauf. – 7 von 10 seltsamen Poolkonstruktionen
When Saints Go Machine – Love And Respect ft. Killer Mike from When Saints Go Machine on Vimeo.
Ein herrliches Plattencover hat es schon einmal, das zweite Album der Brooklyner von Small Black. Nacktes Paar auf der Leiter, unten sonnt sich Freund Kroko. Da kann man den Leistungskurs schon einmal eine Weile heruminterpretieren lassen. Die Musik auf „Limits Of Desire“ selbst lässt sich dagegen recht schnell einordnen. In das proppevolle Fach elektronischer Popmusik mit tiefer 80er-Verwurzelung.
Und zwar genauer in der Spielart, die so gerne Chillwave genannt wird. Wobei die Synthies, die selbst vor richtig eingängigen (cheesy) Parts nicht zurückschrecken, durchaus immer mal wieder das Tempo anziehen und auch echte Drums und Gitarre nicht als störend abgewiesen werden. Jetzt ist es eben für die Zuneigung des geneigten Hörers entscheidend, ob er jene Schwäche für diesen weichen, anschmiegsamen, verträumten Pop hat, ohne dass wir gleich wieder von John-Hughes-Filmen schreiben müssen (ups, schon geschehen).
Also: Unter den zehn Songs hier sind genügend aufmerkenswerte Perlen versammelt – vom starken Auftakt „Free At Dawn“ über die kultigen Synthies in „No Stranger“, das sonnige „Breathless“ bis hin zum gefühlvollen Finale „Outskirts“ um uns 80er-Romantiker zu erfreuen. Wer zum Beispiel Washed Out oder Twin Shadow mag, sollte hier unbedingt mal reinhören. – 7,5 von 10 Molly Ringwalds
Wenn als musikalische Bezugspunkte OMD, Tangerine Dream, Vince Clarke und Jan Hammer angegeben werden, erweckt das natürlich eine bestimmte Erwartungshaltung. Gut, dass Rainbow Arabia dieser mit ihrem zweiten Album „FM Sushi“, auf dem sie die Folkloreeinflüsse des Debüts komplett gegen (mehr) 80er-Synthetik eintauschen, erfüllen können. Und das größtenteils ohne in die peinliche Retrofalle zu treten.
Obwohl man natürlich – neben dem Stilwechsel im Vergleich zum ersten Album – mit so gewollt „geborgten“ Synthiesounds wie im köstlichen Ohrwurm „He Is Sorcerer“ (Simon etwa? gez.: Ein Insider.) keine Probleme haben darf. Oder damit, dass „Math Quiz“ klingt, als hätte sich Sängerin Tiffany Preston in ein altes Amiga-Spiel verlaufen. Doch entscheidend ist eben, dass sie und ihr die Keyboards beackernder Ehemann Danny, neuerdings unterstützt von Dylan Ryan, wissen, was sie da tun und darüber hinaus gute Songs unter das historische Klangbild packen.
Neben erwähnten Stücken kann man da noch einige nennen: Den Titelsong mit seinen zarten asiatischen Elementen oder die atmosphärischen „Lacking Risk“ und „Precreation“. Klassischer Synthiepop ist das also, mit gelegentlichen Soundtrack-Anmutungen zwischen Miami Vice und Science-Fiction-Filmen. Und neben obigen Einflüssen ergänzen wir mal noch The Knife (wenn sie denn noch poppig wären) und Chromatics. Passt. – 7,5 von 10 flackernden Neonschildern
http://youtu.be/ZGFAO5s_OyM
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