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Über die Apokalypse, Slayer-Shirts und den Blues von Depeche Mode

Karin Park im Interview: „Werden wir wirklich Sex im Pfarramt haben?“

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Karin_Park_5432_credit_Christoph_VoyAm Freitag erscheint “Apocalypse Pop” (Amazon), das neue Album von Karin Park. Skandinavischer Electropop deluxe. Anlass genug für ein persönliches Treffen mit der sehr großen und sehr schönen Schwedin.

Hallo, ich bin Thomas von depechemode.de…

Oh, ich fühle mich geschmeichelt, dass ihr mich interviewen wollt!

Der Titel deines neuen Albums lautet „Apocalypse Pop“. Ein sehr ausdrucksvoller Titel und eine starke Kombination aus hell (Pop) und dunkel (Apokalypse). Wie kam dir dieser Titel in den Sinn?

Als ich das Album abgemischt und mir die Songs und die Texte angehört habe, hatte ich das Gefühl… das ich eigentlich von Anbeginn der Aufnahmen an hatte…, dass ich den Dingen einfach ein bisschen ihren Lauf gelassen und mich selbst ein wenig mehr entspannt habe. Kennst du das Gefühl, als wenn du auf einer Klippe stehst und denkst, es sei okay zu springen, weil es egal ist, was darunter ist? Das spürte ich, als ich das Album schrieb. Ich wollte die Musik einfach nur schreiben ohne nachzudenken, was danach passiert, mit der Veröffentlichung und all dem. Außerdem hatte ich vor eine Weile eine schwere Zeit mit meinem Freund, dem Krebs diagnostiziert wurde. Daher hatte ich das Gefühl, dass ich einfach nur rausgehen, wieder etwas Spaß haben sollte, denn letztendlich hat das hier ja keine größere Bedeutung. Und Apokalypse heißt für mich auch irgendwo, dass das Licht am Ende über die Dunkelheit siegt, was ich als eine gute Metapher für mein derzeitiges Leben sehe.

Es ist ja nicht nur der Albumtitel. Die Musik erzeugt auch starke Bilder im Kopf, mit all den düsteren Sounds und manchmal recht dunklen Texten, kontrastierend mit den eingängigen Melodien. Liebst du es Gegensätze zusammen zu bringen?

Ja. Ich denke, die Platte sollte – wie das Leben – wie eine Reise sein. Mal ist es dunkel, mal hell, mal beides. In vielen Interviews rede ich derzeit über diese Themen. Es ist eine relevante Frage. Da ist nicht viel Grau. Es ist eine Mischung verschiedener Formen von Schwarz und Weiß, ohne dass es Grau ergibt. Wenn ich auf meine fünf Alben schaue, dann sind sie wie musikalische Tagebücher. So sollte ein Album für mich sein – manchmal ist einfach alles beschissen und manchmal total großartig.

Da stimme ich vollkommen zu. Einige der Texte sind auch sehr direkt, mit so manchem expliziten Ausdruck. Stimmt es beispielsweise, dass der Song „Hard Liquor Man“ sowohl von einem Mann handelt, den du kanntest, als auch von Leuten wie Putin?

Das stimmt. Es war ein persönliche Story über ein mächtige Person, die ich kenne, die mich sehr enttäuscht hat. Und dann habe ich in der Nacht, bevor ich den Song schrieb, ein Interview mit einer der Frauen von Pussy Riot gesehen. Sie kommt aus dem Gefängnis, und vier Stunden später spricht sie auf CNN über Putin und zeigt ihm quasi den Mittelfinger. Es ist nicht wirklich ein politischer Song, aber es fühlte sich beim Schreiben ein bisschen so an, also ob man einen Song für eine Demonstration schriebe. Man könnte also sagen, Putin hat mich inspiriert [lacht].

Dann ist er ja doch für etwas gut.

[lacht] Er ist nicht für vieles gut, aber manches kann nützlich sein.

Hast du das Album eigentlich wieder mit Christoffer Berg und Barry Barnett aufgenommen?

Nein, ich habe dieses Mal mit insgesamt sechs Leuten gearbeitet. Fünf Songs mit einem Produzenten und den Rest mit verschiedenen.

Wer war derjenige mit den fünf Songs?

Er heißt Dan Brown. Er lebt in Bristol, hat schon mit Massive Attack gearbeitet und ist ein wirklich guter Produzent. Man wird noch viel von ihm hören. Außerdem habe ich das Album mit einem Mann abgemischt, der u.a. für M.I.A. arbeitet. Der macht einen tollen Job, insbesondere hinsichtlich der Bässe und Drums.

Ja, ich finde, da sind eine Menge starker Percussion-Sounds auf dem Album. Hat dein Bruder die eingespielt oder spielt er nur live für dich?

Er hat sie eingespielt. Manchmal nehme ich ein paar Drumsounds selbst als Demo auf, aber das Einspielen übernimmt dann er. Die Drumsachen haben wir dann alle in meiner Kirche aufgenommen.

Ich habe gelesen, dass du jetzt in einer Kirche lebst. Wie kam es dazu, und wie ist das, in so einem Gebäude zu leben?

Es ist schon etwas Besonderes. Wir haben da schon gefilmt, für das Video zu „Restless“ vom letzten Album. Die großen Fenster, die man im Hintergrund sieht. Es ist in meiner Heimatstadt. Meine Eltern haben mich mit in die Kirche genommen, und ich habe als Kind im Kirchenchor gesungen. Mit der Zeit sind die Leute immer älter geworden, keiner hat mehr die Gemeinschaftsarbeit gemacht. Zum Schluss waren im Prinzip nur noch meine Eltern und ich dort. Meine Geschwister sind nicht so oft mitgekommen, aber da ich gesungen habe, musste ich mit. So stand die Kirche 15 Jahre lang mehr oder weniger leer. Ich sagte zu mir, eines Tages kaufst du die Kirche, und dann tat ich es.

Sehr interessant…

Wir haben unser Schlafzimmer im Pfarramt. Das erste Mal, als wir da schliefen, sagten wir zu uns: „Werden wir wirklich Sex im Pfarramt haben?“ Verrückt!

Ein bisschen spooky, schätze ich.

Es ist wirklich manchmal etwas spooky, weil da so viele Geräusche in so einer Kirche sind. Es fühlt sich aber nicht nach Geistern an, sondern mehr so spirituell. Man kann definitiv spüren, dass da etwas in diesem Gebäude ist, mehr als in einem normalen Haus.

Ein YouTube-Kommentar unter deinem Video zu „Look What You’ve Done“ bezeichnet dich als die „böse Zwillingsschwester von Robyn“. Ich halte das für eine ziemlich treffende Beschreibung deiner Musik, wie siehst du das?

Ich habe das auch gelesen [grinst] und denke, das ist tatsächlich eine gute Beschreibung. Das stört mich überhaupt nicht.

Wo ich gerade Robyn erwähnte: Gerade in den letzten Jahren kam eine Menge an starker elektronischer oder Popmusik aus Skandinavien, meistens von Frauen wie dir, Robyn, Susanne Sundfør, Fever Ray, Jennie Abrahamson, Linnea Olsson etc.. Kannst du dir das erklären?

Ich denke, möglicherweise hat Skandinavien einen Vorreiterstatus, was Gleichberechtigung angeht. Es ist dort vielleicht leichter für Frauen Kontrolle über ihre eigene Karriere zu bekommen. Kann sein, dass ich Unsinn erzähle, ich vermute nur. Viele Leute meinen, dass Männer und Frauen in Schweden relativ gleichberechtigt sind. Außerdem haben wir in Skandinavien viele Vorbilder für weibliche Künstlerinnen, zu denen man aufschauen kann. Es ist wichtig zu sehen, dass es schon jemand vor einem geschafft hat. Da haben wir Abba… oder auch Roxette – das sind massive internationale Karrieren. Mit elektronischer Musik im Speziellen kenne ich mich nicht so aus, aber es könnte jede Art von Musik sein. In Norwegen beispielsweise ist Black Metal sehr groß, einfach weil sich da seit den frühen 80ern eine Szene entwickelt hat… Susanne Sundfør ist nicht sehr elektronisch, oder?

Doch. Auf den letzten beiden Alben hat sie sich stark in die elektronische Richtung entwickelt, auf dem kommenden Album wird das wohl auch so sein.

Ah, ich wusste nur, dass sie aus der Singer/Songwriter-Ecke kam.

Du erwähntest Kollaborationen mit Booka Shade und Pandora Drive. Pandora Drive singt auf „Hurricane“, dem letzten Track auf deinem Album. Booka Shade haben davon einen Remix gemacht, richtig?

Ja, Booka Shade haben einen Remix von dem Stück gemacht, Maya Jane Coles ebenso. Aber ich habe mit Booka Shade auch noch einen neuen Song aufgenommen.

Der ist aber nicht auf dem Album, oder?

Nein, der wird von ihnen später im Jahr veröffentlicht werden, ich singe also auf ihrem Song.

Sind noch weitere Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern geplant?

Derzeit nicht. Ich habe schon eine Menge Kollaborationen gemacht, ich sehe mich immer danach um und bekomme auch viele Anfragen diesbezüglich, aber im Moment steht da nichts weiter an.

Du hast den norwegischen Beitrag für den Eurovision Song Contest im vorigen Jahr geschrieben (für Margaret Berger). Wie kam es dazu, und wie waren deine Eindrücke von diesem Event?

Ich wurde schon seit Jahren gefragt, ob ich da mitmachen würde. Ich hatte dann diesen Song fertig, den ich sehr mochte, aber der nicht zu mir als Sängerin passte. Also fanden wir Margaret, und es hat funktioniert. Ich war dann ja auch vor Ort dabei, und es hat viel mehr Spaß gemacht, als ich erwartet hätte.

Wir sprachen ja schon über deinen Bruder David als Drummer. Ein Freund von mir lässt die Frage ausrichten, wie viele Slayer-Shirts er besitzt?

[lacht schallend] Er besitzt ein paar, aber nicht so viele. Ich denke, er wechselt es nicht so oft. Vielleicht drei Stück?

Und er ist natürlich Slayer-Fan.

Na klar. Als er damit anfing, sagte ich zu ihm: „Vielleicht solltest du etwas tragen, dass zu unserer Musik passt?“ Er antwortete: „Nein, ich trage ein Slayer-Shirt, fuck off!“ Also sagte ich nur, okay, zieh‘ an, was immer du willst. Dann fingen die Leute an, es zu kommentieren, von da an musste er es tragen, es hat sich zu einer Art Kult entwickelt. Er ist nun eine Marke.

Wo wir von Favoriten sprechen: Kannst du uns etwas über deine Lieblingsmusiker oder deine musikalischen Einflüsse erzählen?

Depeche Mode waren immer ein großer Einfluss für mich. Und The Cure. Ich denke, Robert Smith war meine große Inspiration fürs Singen. Für viele Mädchen mögen das Mariah Carey oder Celine Dion sein, für mich war das eben Robert Smith. Und ich mochte immer The Knife, mit denen mich ohnehin jeder vergleicht. Fad Gadget war auch eine große Inspiration für meine letzten beiden Alben.

Hast du ihn noch live erlebt?

Leider nicht, ich war noch zu jung, als er starb.

Ach schade. Ich habe ihn einmal gesehen, als Support auf der Exciter-Tour von Depeche Mode. Verrückte Live-Show.

Ah. Und ich weiß, dass Depeche Mode ihn am Anfang ihrer Karriere supportet haben. Ich wünschte, ich hätte ihn sehen können. Er hat auch als Frank Tovey einige spannende Sachen veröffentlicht, vielleicht nicht so eingängig, aber ebenso toll… Jetzt, in der jüngeren Vergangenheit habe ich auch Leute wie Captain Beefheart für mich entdeckt und mehr so bluesy Sachen. Was ich an Depeche Mode so mag, ist, wie sie Blues in ihre elektronische Musik integrieren. Das habe ich auf meinem neuen Album auch ein wenig versucht, weil ich denke, meinem letzten Album fehlte so ein bisschen Blues. Es ist für mich ein Zeichen, musikalisch zu reifen, indem ich erkenne, dass der Blues die höchste musikalische Form ist. Oder wenigstens die wesentlichste Grundlage für Musik.

Ja, er gibt der Musik Herz. Martin Gore ist ja auch ein riesiger Blues-Fan, der womöglich privat mehr Blues als elektronische Musik hört.

Ja, daher habe ich also begonnen mehr Musiker wie Jack White, Elvis oder Howlin‘ Wolf zu hören. Und ich versuche das irgendwo in meine Musik einfließen zu lassen. „Look What You’ve Done“ oder „Shake With The Devil“ zum Beispiel sind recht bluesy, auf ihre Art.

In diesem Zusammenhang noch die Frage, welche neue Musik du gerade hörst und ob du einen Geheimtipp für uns hast?

Ich kann da Burial Hex empfehlen, nicht zu verwechseln mit Burial. Sehr spezielle Musik, keine Popmusik, aber besonders das letzte Album ist sehr gut. Eine Mischung aus sehr unterschiedlichen Stilen.

Okay, da höre ich mal rein. Zur letzten Frage: Du hast dein neues Album als dein vielleicht letztes Popalbum und den Beginn eines neuen Kapitels bezeichnet. Was hat das zu bedeuten und wohin geht es danach?

Ich weiß selbst nicht genau, was ich damit meine. Es ist nur so ein Gefühl. Es werden sicher nicht die letzten Popsongs für mich sein, aber eher kein ganzes Album mehr davon. Vielleicht mache ich zukünftig mehr mit anderen Künstlern zusammen, und auf jeden Fall möchte ich mehr experimentieren. Im Moment fühlt es sich wie das Ende einer musikalischen Ära für mich an.

Vielen Dank für das Interview!

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P.S. Unsere Besprechung des neuen Albums folgt in den nächsten Tagen. Und hier sind noch die aktuellen Konzerttermine:
15.04.2015 – Berghain (Berlin)
16.04.2015 – Prinzenbar (Hamburg)
17.04.2015 – Gebäude 9 (Köln)
18.04.2015 – Karlstorbahnhof (Heidelberg)
19.04.2015 – Feierwerk (München)

www.karinpark.com
www.facebook.com/karinpark

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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