Letztens, als man noch Konzerte besuchen konnte (Falls diesen Artikel mal irgendjemand ausgrรคbt: Wir bewegen uns in Zeiten von Corona.): Mary Komasa betritt die kleine Bรผhne der Berghain Kantine, die mit einem Streichquartett, Schlagzeug und diversen Tasteninstrumenten reichlich vollgestellt ist โฆ
Von der Bรผhnenattitรผde der Kรผnstlerin wird spรคter noch zu reden sein. Doch zunรคchst wollen wir sie erst einmal vorstellen: Mary Komasa, in Poznan geboren, in Warschau in einer kunstaffinen Familie aufgewachsen, zieht, bevor sie 20 wird, in die Welt und nach Paris. Um eine Modelkarriere zu verfolgen. Spรคter verschlรคgt es sie weiter ins Musikermekka Berlin, und sie (die schon als Kind Orgel, Klavier, Cembalo und Operngesang gelernt hat) kehrt zurรผck zur frรผhen Liebe Musik.
Ihr Debรผtalbum โMary Komasaโ erscheint 2015 und erzielt vor allem in der polnischen Heimat Achtungserfolge. Fรผr den internationaler ausgelegten Nachfolger โDisarmโ lรคsst sie das Industrial-Hip-Hop-Duo God Colony an die Regler, auรerdem ist wie immer ihr Ehemann, Filmkomponist Antoni Komasa-Lazarkiewicz, dabei, der die orchestralen Parts รผbernimmt.
Das Album erscheint Ende 2019 und sei hiermit wรคrmstens empfohlen. Wรคhrend das Debรผt noch in verschiedensten Stilen wilderte, ergibt sich hier ein kongruenteres Soundbild, ohne dass Eintรถnigkeit drohte. Hรถhepunkte: das von cool-bedrohlichen Synthies umgroovte โDegenerate Loveโ, das tief in den 80ern verwurzelte und von einem druckvollen Refrain gekrรถnte โSauvagesโ, das nach zwei Minuten orgelnder Verhuschtheit mit saftiger Elektronik ausbrechende โNow Silenceโ, das an Maya Jane Coles erinnernde โCloserโ und der Titelsong mit seinen dramatischen Streichern.
Und nun zurรผck zum Konzert in der Berghain Kantine. Ein in jedem Falle sehenswerter Auftritt, der beim Publikum durchaus unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Was vor allem daran liegt, dass die Kรผnstlerin ein, hm, mitunter kรผnstliches Auftreten bevorzugt. Viele Posen (Rollenspiel, Unsicherheit oder รberbleibsel aus dem Modebusiness?), die nicht immer so recht zur ansonsten absolut ausreichend ausdrucksstarken Musik passen. Manchen stรถrt es, andere nicht.
Die musikalische Umsetzung mit Marys vielschichtigem Gesang und packenden, sich zum Teil von den Albumversionen abhebende Live-Arrangements, bei denen neben den satten Sounds insbesondere das Streicherquartett gefรคllt (das Ganze wird von Antoni, der im Hintergrund an den Keyboards wirkt, dirigiert), ist hingegen makellos. รber das und all den Rest sprechen wir vielleicht bei Gelegenheit mal mit dieser hochinteressanten Kรผnstlerin.
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