Nun, es ist schon ziemlich spät an diesem Mittwochabend. Zeit also, endlich das heutige Türchen zu „öffnen“. Heute verbirgt sich dahinter das Ende September erschienene Album von Reaper. Ja ich weiß, kreativer Bandname. Der eine oder andere wird sich jetzt an Clubhits wie „X-Junkie“ erinnern und in seiner Glühstäbchenzeit nach weiteren Stücken der Formation forsten. Der andere wird jetzt mit den Augen rollen und ein „Noch so ne schlechte Techno-Combo“ murmeln und einfach weiter klicken. Dabei hat das nach neun Jahren erste Langspieler-Lebenszeichen aus dem Hinterzimmer von Vasi Vallis viel mehr zu bieten als Boom, krächz, schepper.
Los geht’s mit „Aladin Killed JFK“ und einer sehr eintönigen Melodie. Meiner Meinung nach eines der Lieder, was man sich hätte sparen können. Ganz im Ernst, das wird echt erst in der letzten Minute erträglich und macht beim anhören ob seiner durchgängigen Dauermelodie fast schon aggressiv. Nicht mein Track und als Opener für das Album keine optimale Wahl, weil es manche Hörer verschreckt. Bei „Cracking Skulls“ geht der Launepegel nach der anfänglichen Enttäuschung dann richtig steil nach oben. Voll auf die Fresse, eingänging, tanzbar, clubtauglich. Weitere Phrasen, die dem Lied ein „einfach nur geil“ bescheinigen könnten jetzt hier aneinander gereiht werden. Könnten, werden sie aber nicht. Wer bei „Cracking Skulls“ nicht auf die Idee kommt die Hüften zu schwingen oder in den Hüpfmodus zu verfallen ist selbst schuld. Dem wird dann auch der Rest des Scheibchens nicht weiterhelfen. Dass Herr Vallis ein Meister von ruhigen bis sphärischen Tracks ist, beweist er bei „Divide The Sea“, das zuweilen auch an Frozen Plasma erinnert. Überraschend gut, nicht ganz das, was von Reaper erwartet hat, aber richtig gut. Das dürfte sogar die Synthie-Liebhaber in diesen Breiten überzeugen.
Tanzbar wirds dann mit „Farewell“, wonach Stücke folgen über die wir alle mit dem Erschaffer nochmal reden müssen. Electroclashig wird es bei „Neophyten“ und verbreitet gute Laune, weil man beim Text schon etwas grinsen muss. Synthiepop folgt dann bei „Silver Love“ wieder, das hätte auch ein Instrumental auf der nächsten Frozen Plasma Platte werden können. Egal, es findet sich auf „Babylon Killed The Music“ und bettet zwischen ein paar Filler und dem einzigen nach Reaper klingenden Song namens „We Are Reaper“ ein.
Wie klingt Reaper denn jetzt genau oder wie sollte es klingen? Man kann es kaum sagen. Das, was man bisher gewohnt war, scheint passé und der griechische Songschreiber mit sich selbst in den Wettstreit getreten ein Album zu schaffen, was polarisiert. Vielleicht wollte er auch nur sich selbst beweisen, dass er jeden nur erdenklichen elektronischen Musikstil auf ein Album packen kann und ihm Labelchef Torben Schmidt dafür nicht den Kopf abreißt. Eventuell wollte er auch verwirren, zum Nachdenken anregen oder seine Mitmenschen einfach nur ein bisschen ärgern. Im Grunde ja auch egal, was er wollte. Lässt man die drei schrecklichen Fülltracks weg ( Sorry, die machen mich immer noch aggressiv, wenn ich an ihren monotonen Klang nur denke), hat man ein richtig vielseitiges und Spaß machendes Album mit „Babylon Killed The Music“. Ein wenig um die Ecke denken und vorgefertige Grenzen und Spielräume verlassen hat ja auch noch niemandem geschadet ;)
Reinhören kann man übrigens hier: