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Das Interview der Woche

Zoot Woman im Interview: „Man sollte nie versuchen größer als die Musik zu sein.“

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Zoot Woman kommen in den nächsten Tagen auf Tour (19.01. München, 20.01. Erfurt, 21.01. Berlin, 22.01. Hamburg, 23.01. Köln). Die Band war sehr produktiv in letzter Zeit. Schon „Absence“ erschien früher, als man nach der Diskografie mit einem neuen Zoot-Woman-Album gerechnet hätte, es folgte zuletzt zeitnah mit „Redesigned“ eine Neuinterpretation quer durch die eigene Geschichte in eher akustisch-reduziertem Gewand. Und das nächste Album steht mit „Maxidrama“ wohl auch schon vor der Tür.

Gelegenheit, euch unser Gespräch mit den Brüdern Adam (auf der Bühne im Hintergrund, aber im Interview offen, umgänglich und der Wortführer) und Johnny Blake (der Sänger ist im Gespräch eher zurückhaltend, bringt sich seltener ein, ist dann aber um präzise Antworten bemüht) noch einmal in voller Länge zur Verfügung zu stellen:

depechemode.de: Ich war etwas überrascht, dass ihr so schnell – für eure Verhältnisse – schon wieder mit einem neuen Album herausgekommen seid [das Interview wurde rund um die Veröffentlichung von „Absence“ geführt“, Anm. d. Red.].

Adam Blake: Das ist lustig, das hat vorhin schon jemand gesagt. Es sind trotzdem noch drei Jahre [seit dem Album davor], aber du hast absolut Recht. Es war eher so, dass wir vor dem letzten Album eine Weile pausiert haben. Das ist hart, denn …

Man kommt aus dem Rhythmus.

Adam: Genau. Daraus haben wir gelernt. Wir haben nach dem letzten Album keine große Pause eingeschoben, sondern einfach weiter gemacht. Wie normale Bands das tun – und es funktioniert. [lacht]

Bleibt bitte dabei!

Adam: Wir werden es versuchen. Aber man weiß nie. Manchmal stößt man an seine Grenzen und kommt nicht weiter.

Wie das bei kreativen Tätigkeiten so ist. War es dieses Mal einfach, zu den Songs zu finden?

Johnny Blake: Wir hatten mit einigen der Songs schon angefangen, während wir noch zum letzten Album auf Tour waren. „Solid Gold“ und „Haunt Me“… Wir hatten etwa drei Songs. Als wir dann angefangen haben, richtig am neuen Material zu arbeiten, hatten wir schon etwas da und mussten nicht von Null beginnen.

Habt ihr irgendetwas an der Art geändert, wie ihr an den Albumprozess herangeht?

Adam: Ich weiß nicht, ob wir viel geändert haben, aber wir hatten nicht diese Menge an Songs dieses Mal. Wir haben uns auf die Songs fokussiert, und nahezu jeder kam aufs Album. Das war wirklich anders. Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben wir nicht versucht, es zu erzwingen. Das hatten wir in der Vergangenheit auch schon gemacht, manchmal funktioniert das auch, manchmal nicht.

Musikalisch ist „Absence“ ein ziemlich typisches Zoot-Woman-Album. Ihr wolltet nicht zu weit von eurem charakteristischen Sound weg, oder?

Ehre deine Songs, lass sie nicht zu zeitgemäß klingen.

Adam Blake

Adam: Ja, der klangliche Aspekt ist sehr wichtig für mich. Ich möchte nicht zu sehr nach EDM klingen. Das kann man machen, man will ja relevant bleiben. Aber man muss auch seinem Stil treu bleiben. Ehre deine Songs, lass sie nicht zu zeitgemäß klingen.

Folge nicht zu sehr aktuellen Modeerscheinungen.

Adam: Genau. Lustig, vor Jahren sagte mal ein Mitarbeiter eines Plattenlabels zu mir: ‚Du musst auf alles achten, was vor sich geht, all die andere Musik!‘ Ich dachte, hm, habe ich so noch nicht gemacht, muss ich mal probieren. Am Ende lässt du dich dann aber von all dem beeinflussen, und heraus kommt eine sinnlose Version deiner Musik. Wir haben das dann nie veröffentlicht, aber ich habe es mir nochmal angehört, und es war einfach Mist.

Auf eurem dritten Album „Things Are What They Used To Be“ wart ihr mal etwas tanzbarer unterwegs, nicht EDM oder so etwas, aber …

Adam: Ja. Wir waren zu der Zeit viel auf Tour, und es sollte auch etwas mehr den Livesound einfangen.

War es dieses Mal anders, aufgrund der Abwesenheit eures dritten Bandmitglieds?

Adam: Stuart [Price], ja. Die Geografie war schuld, da er jetzt in den USA lebt. Er hat zwar auch am Album mitgearbeitet, aber wir waren nie im gleichen Raum, was sonst immer der Fall war. Wir waren nicht sicher,ob das funktionieren würde. Hat es aber, dank der Technologie geht so was ja heutzutage. Wenn nicht, hätten wir die Aufnahmen auch abgebrochen.

Ihr habt da ja ohnehin ein spezielles Bandkonstrukt, mit einem dritten Mitglied, das nie im Artwork oder live zu sehen ist. Obwohl er ja in der Vergangenheit großen Einfluss auf euren Sound hatte.

Adam: Massiven Einfluss, ja. Alle Gründungsmitglieder der Band dabei zu behalten – sofern das möglich ist – ist gut für die Band. Man sollte nie versuchen größer als die Musik zu sein. Unglücklicherweise haben Menschen in der Musikindustrie Egos. [lacht]

Johnny: Wir haben diese Debatte bei jedem Album, oder?

Adam: Ja. Das war ein organischer Prozess bei uns.

Stuart hat viel mit anderen Künstlern gearbeitet, sie produziert. Da sind ja auch einige recht stromlinienförmige, glatte Sachen dabei. Hatte so etwas auch schon Einfluss auf Zoot Woman?

Adam: Durchaus. Aber diese Songs schaffen es dann eben nicht, die werden nicht veröffentlicht. Es gab Zeiten, da hätten wir dann zu sehr wie eine Tribute-Band geklungen.

Du musst mit deiner eigenen Musik glücklich bleiben.

Johnny Blake

Johnny: Wenn wir eine Platte aufnehmen, muss sie nach uns klingen. Man muss seine Identität in den Songs wiederfinden. Du musst mit deiner eigenen Musik glücklich bleiben.

Ihr habt ja immer eine starke Verbindung von Musik, Visuellem und Artwork. Es scheint immer ein komplettes Konzept dahinter zu stecken. Speziell auch bei „Absence“ wäre wohl nicht jeder auf dieses Artwork gekommen. Da haben sicher eine Menge Leute gedacht, na was soll denn das? Ich finde, es passt perfekt zum Albumtitel.

Adam: Es freut mich, dass du das erkannt hast. Jeder, der an der Produktion beteiligt war, hat gefragt: ‚Nur um sicher zu sein – das soll so sein?‘ [lacht] Da denkt man schon mal, fuck, wir liegen vielleicht falsch hier. Aber es ist doch ganz gut, auch mal die Meinungen zu spalten. Manche hassen es, andere lieben es. Ich bin sehr zufrieden damit. Wir haben mit dem gleichen Designer gearbeitet wie auf den letzten drei Alben.

Seit Vinyl das große Comeback feiert, sind Cover wieder bedeutender geworden.

Adam: Ja. Ich liebe auch den Geruch von Vinyl. Und das Gatefold-Format. Das gibt einem Album eine bessere Erscheinung.

Zu ein paar Songs von „Absence“: War „Solid Gold“ von Anfang an als Opener gedacht?

Johnny: Es war der erste Song des Albums, den wir geschrieben haben. Der klingt auch ein bisschen anders als viele andere und hatte nach meiner Meinung immer dieses „Track-One-Feeling“. Er hat diese bestimmte Atmosphäre, die als Track Nummer Acht vielleicht verloren ginge.

Danach kommt die sehr schöne Single „Ordinary Face“, zu der es auch ein schickes Video gibt. Wer hatte die Idee dazu?

Adam: Die Leute, die Regie geführt haben. Die haben viel für die Werbung gemacht und sind sehr gut mit Gesichtern. Und sie haben es brillant geschnitten.

Johnny: Es repräsentiert den Song total. Traumhaft. Man möchte den Inhalt und das Gefühl des Songs visualisiert haben, und das haben sie perfekt hinbekommen.

Es hat diese Melancholie an sich, die sich durch das ganze Album zieht.Wozu auch wieder der Albumtitel passt. Wer hatte die Idee zu dem?

Johnny: Der kam von mir. Ich mochte ihn, er passte.

Adam: Ja. Zwischen den anderen Scheißtiteln, die wir so hatten [lacht]. Man lebt mit denen [den Titelideen] eine Weile und sagt dann irgendwann: Okay, der könnte passen. Im Ausschlussprinzip.

Johnny: Ich dachte eben, der funktioniert mit vielen der Songs, den Themen – und auch dem Artwork.

Wie teilt ihr euch das Songwriting und die Texte so auf?

Johnny: Kommt immer drauf an, das war und ist immer unterschiedlich bei uns. Bei „Absence“ hatte Adam Ideen, ich hatte Ideen, und wir haben die zusammengebracht.

Vielleicht habt ihr als Brüder da ja auch eine leichteres Verständnis.

Adam: Mit Sicherheit. Wenn ich mal zu einem Song nichts beitragen konnte, musste ich mich nicht dazu zwingen. Das haben wir zwar auch schon gemacht, so etwas kann eine Idee aber auch ruinieren. Wenn man jedoch Hilfe braucht, dann bittet man auch darum.

Ein anderer interessanter Song ist „Haunt Me“, der hat einen coolen und für euch vielleicht recht ungewöhnlichen Groove.

Adam: Der kam auch tatsächlich über den Groove. Wir hatten bei einem Jam diesen Beat entwickelt. Immer, wenn wir den weiterentwickeln wollten, funktionierte er nicht mehr, also blieben wir dabei. Auch als wir versuchten, ihn mehr dem Sound des restlichen Albums anzupassen, ging das schief. Nun unterscheidet er sich halt vom Rest des Albums, was von Zeit zu Zeit auch mal ganz nett ist.

Wie kam die Verbindung zu Kylie Minogue zustande [die auf „Still Feels Like The First Time“ singt]?

Adam: Wir hatten einen Song für ein Kylie-Album geschrieben, hatten aber die Produktion nicht fertig bekommen. Sie hatte auch einen Teil dazu geschrieben, den wir immer mochten. Es fehlte aber irgendetwas musikalisch. So lag das Teil ein paar Jahre im Regal herum, bis wir es noch einmal hervorgeholt und neu bearbeitet haben. Wir haben es ihr geschickt, sie liebte es. Und da sie gerade kein Album draußen hatte, schauten wir, ob es zu unserem Album passt.

Und nach diesem sehr poppigen Song folgt mit „Indecision“ als Kontrast ein sehr dunkler, fast dark-wave-industrial-mäßiger Song. Gab es da Diskussionen über die Trackorder?

Johnny: Ja, die gab es. Es muss soundmäßig schon passen, und die Stimmung ändert sich hier ja auch.

Adam: Ich dachte erst, das würde so nicht funktionieren. Es klingt ein bisschen irritierend, aber manchmal braucht ein Album das. Ich wollte, dass die zweite Albumhälfte, sozusagen die B-Seite des Vinyls, etwas für Zoot-Woman-Fans ist. Da sind keine Singles drauf. Erinnert mich ein bisschen an unser zweites Album. Wenn du Zoot Woman nicht magst, wird du diese zweite Hälfte erst recht nicht mögen.

Ja, die hat so einen konstanten Flow. Am Ende steht „You Said The Day Would Come“, was einen tollen Abschluss bildet. Wo die Vocals wie aus weiter Ferne klingen und die Synthies am Ende immer stärker werden.

Johnny: Ja, das stimmt. Es war irgendwie erfrischend. Bei vielen Songs sind die Vocals ziemlich weit vorne. „You Said The Day Would Come“ hat dieses Gefühl, dass es auch ein Instrumental sein könnte. Wir haben die Vocals drin gelassen, wollten die aber nicht den Song übertrumpfen lassen.

Adam: Wenn man schon ein paar Alben aufgenommen hat, hat man diese Formel im Kopf, wie es gehen soll. Die Vocals müssen laut sein und so was.

Wir fragen zum Abschluss immer gerne, was gerade im Tourbus rotiert. Oder was gerade bzw. bei den Aufnahmen so für Musik gehört wurde.

Adam: Christine And The Queens hat uns sehr gefallen. Aber wir hören auch immer elektronische Musik aus den 80ern. Und Rockmusik aus den 90ern, als wir lernten, Gitarre zu spielen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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www.facebook.com/zootwomanteam

www.zootwoman.com

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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