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Westbam/ML – Famous Last Songs, Vol. 1

Westbam hat es wieder getan. Seine DJ- und Clubschiene ein Stück weit verlassen und ein Album mit elektronischer Popmusik aufgenommen. Wer „Götterstrasse“ geliebt hat, wird auch diese berühmten letzten Songs (kein Grund zur Sorge, weil: erster Teil) in sein Herz schließen. Und ein paar Sätze sagt uns der Künstler auch selbst dazu.

Wir haben Maximilian Lenz nämlich ausführlich (via Zoom, wie das heute so ist) sprechen dürfen. Das lange Interview mit den ganzen spannenden Geschichten gibt’s demnächst. Heute geht es erst einmal um das Album, auf dem Westbam, nachdem er zuletzt auf dem kantigen „Risky Sets“ eher mit großen Namen des internationalen Hip-Hop-Szene arbeitete, wieder zu songorientiertem Storytelling und wunderbar eingängigen elektronischen Melodien zurückgekehrt ist. Natürlich nie, ohne seine Heimat, den Dancefloor, gänzlich zu verlassen.

Aber hier ist er zumeist eher im mittleren Tempo unterwegs. Was sicher auch mit seinen nächtlichen Spaziergängen in Berlin zu tun hat, auf denen er während der Pandemie die S-Bahn-Linien von Endstation zu Endstation erwanderte:

Westbam: Elektronische Musik, jedenfalls die, wie ich sie mache, ist immer viel mehr Zuhören als Machen. Auch während ich arbeite, ziehe ich mir ständig Audios davon. Solange der Computer an ist, höre ich immer nur, wo ich noch etwas verändern kann. Wenn du dagegen ein fertiges Audio nur anhören kannst, fängst du an, wie jemand Fremdes zu hören. Und ganz toll ist es natürlich, das auf dem Kopfhörer zu haben und durch Berlin [zu laufen], tags wie nachts.

Dabei sind zwölf wunderbare Tracks entstanden, die man sich ruhig mal selbst zum Laufen (oder Radfahren) auf die Kopfhörer packen sollte. Mit zahlreichen Höhepunkten, zum Beispiel gleich der eröffnenden ersten Single, „Sky Is the Limit“, auf der man sofort die sanfte Stimme von Jon Marsh von The Beloved erkennt. Aber im Refrain ist noch eine Stimme, wer singt denn die?

Westbam: Er [Jon Marsh] hat mir diese Strophe geschickt. Die hatte aber keinen Chorus und endete auf diesem „The hardest part is saying no“. Das war fast wie eine Fortsetzung von „You Need the Drugs“. Doch dieses Ende hat mich fast deprimiert. Das stimmt zwar irgendwie: Du nimmst Drogen und stürzt ab. Aber dann hatte ich plötzlich die Idee – ich möchte doch, dass es am Ende nochmal aufgeht. Dann saß ich in meinem Schlafzimmer und habe im Falsett dieses „Sky is the limit“ in mein Telefon gesungen. Und dieses „didn’t I hear you say“, da soll eine Stimme zu ihm sagen: Am Anfang war das doch anders, da war der Moment, dieses ‚Ich möchte fliegen, mich entgrenzen, total durchdrehen, es wird toll‘. Ich fand das eine schöne Art, das abzuschließen. Und so kam es dann. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Ich hatte eine tolle Strophe von dem Mann gekriegt und habe selbst den Chorus dazu geschrieben und gesungen. Da muss ich 35 Jahre Musik im Studio machen, damit so was passiert. [lacht]

Weitere Gäste sind Steve van Velvet oder Yasha auf den clubbigeren Tracks „Amazing“ und „We Could Be You“, Richard Judge auf dem wundervoll chansonesken „C’est la Vie“, aber, huch, auch Henning Wehland von H-Blockx (auf „Time Marches On“). Und Ben Becker moritatet sich durch „Du schneidest mir mein Herz auf“. Und das kam so:

Westbam: Ben Becker kannte ich kannte vom Sehen schon seit den 80ern. Aber Schauspieler, so extrovertierte Typen, waren mir immer ein bisschen unheimlich. Langer Rede, kurzer Sinn, wir haben uns angefreundet, dann war ich bei ihm zu Hause, ich hatte mein Laptop dabei … Das war so ein Trinkgelage, wir haben lange gefeiert, dann hatte er eine Idee und hat in mein Telefon die Vocals reingesprochen. Und genau so ist das auf dem Track, den du jetzt hörst. Eine Nachtlebengeschichte.

Doch auch weitere Freunde und Musikergrößen der 80er geben sich die Klinkenstecker in die Hand. Marian Gold beweist auf dem durchaus ironischen „Job Of Dying Young“, welche Entwicklung seine Stimme genommen hat. Yellos Unikum Dieter Meier dietermeiert sich durch „No Melody“ – und Inga Humpe ist sowieso sofort zur Stelle, wenn ihr alter Buddy sie braucht. Die Story zu „Wasteland“ ist aber auch interessant:

Westbam: Bei der Melodie habe ich mich so ein bisschen am Lied von den Wolgaschleppern orientiert, diesem „Zieht euch warm an“. Dieser alten russischen Volksweise. Da hatte ich die Assoziation, wie zwei junge Raver durch so eine Eiswüste irren. Die gucken in ihre Taschen, nach Pillen. Als wären sie gerade aus dem Berghain rausgestolpert und hätten sich verlaufen.

Verlaufen kann man sich bestimmt auch mit „Famous Last Songs, Vol. 1“. Wenn man mit diesem feinen Album auf den Ohren verträumt seine Haltestelle verpasst. Aber wer weiß, vielleicht entdeckt man ja so neue, spannende Orte.

Depechemode.de-Wertung:
★★★★★ (4.5/5)

„Westbam/ML – Famous Last Songs, Vol. 1“ bestellen:

www.facebook.com/westbam

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

5 Kommentare

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  1. Wenn das Schifferklavier bei „C’est la vie“ erklingt muss ich sofort and „Biskaya“ von James Last denken :D

  2. Urheberrecht ? Sky is the limit ?

    Wenn das mal nicht Probleme mit Hans Zimmer gibt ?
    Da hört man ab 1:59 deutlich Time (Inception) raus!

Kommentare sind geschlossen.

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