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Im stetigen Ringen zwischen Sound und Song

Vimes im Interview: „Im Idealfall ist ein Album wie eine kleine Reise.“

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Berlin, Musik und Frieden, Backstage. Vimes werden spรคter im kleinen, aber gut gefรผllten Club ein dynamisches und kein Tanzbein ungeregt lassendes Konzert spielen und ihr Debรผtalbum „Nights In Limbo“ vorstellen. Vorher stehen sie uns noch Rede und Antwort, wรคhrend der Rest der Liveband daneben sitzt und chillt.

dm.de: Wie lรคuft es so auf Tour bislang?

Azhar Syed: Die Stimmung war sehr gut.

Julian Stetter: Gut, echt gut. Wir waren ja auch bisher in vielen kleinen Stรคdten. So etwas kann auch total in die Hose gehen, aber es war durchweg gut besucht.

Fรผr jemanden, der gerade sein Debรผtalbum herausbringt, seid ihr ja auch schon relativ routinierte Tourer. Schon so drei, vier Jahre unterwegs โ€“ hat sich da รผber die Zeit etwas verรคndert, von den Ablรคufen her?

A: Eigentlich ist alles immer gleich [Gelรคchter ringsum]. Okay, fรผr diese Tour haben wir viele Vorbereitungen getroffen, haben jetzt auch eine Lichtshow dabei. Anders ist natรผrlich, dass die Leute jetzt das Album und die Lieder kennen. Das war bei den Konzerten auch sehr erfreulich, wenn wir einen Song angespielt haben und man gesehen hat, wie sich die Leute freuen, weil sie ihn kennen.

Azhar, du hast ja Visual Arts studiert. Hast du denn mit der optischen Seite des Tourens zu tun?

A: Nicht unbedingt. Ich habe tatsรคchlich Visuelle Kommunikation studiert, bin dann aber auf Sound Design umgeschwenkt. Ich habe zwar wahrscheinlich ein gewisses รคsthetisches Empfinden, aber die Komponenten, die wir jetzt benutzen, wurden mit jemandem gebaut, der aus dem Theater- und Filmbereich kommt.

Die Frage, die man sich eigentlich immer verkneift, ist ja die nach dem Bandnamen. Ich muss aber doch nochmal nachhaken. Ist einer von euch Terry-Pratchett-Fan oder ist das Zufall [Samuel Vimes, in der deutschen รœbersetzung Samuel Mumm, ist ein Polizist bzw. Chef der berรผhmten Stadtwache der Scheibenwelt – Anm. d. Red.]?

J: Das ist kein Zufall, das kommt von ihm [deutet auf Azhar].

A: Ich bin groรŸer Fan, er ruhe in Frieden [Pratchett starb vor einem Jahr an Alzheimer]. Was diese Figur so interessant macht, ist, dass sie gleichermaรŸen idealistisch und zynisch ist.

Nun zur Musik. Euch gibt es ja schon seit 2012, 2013 kamen die ersten Singles, jetzt das Album. Hรคttet ihr vorher gedacht, dass es so lange dauert?

J: Was uns klar war, als wir das erste Feedback bekamen, dass wir ganz gut ankommen, war, dass wir keinen Bock darauf haben, jetzt irgendetwas abzuliefern, um dann damit auf Tour fahren zu kรถnnen. Wenn wir ein Album machen wรผrden, dann so, dass wir wirklich glรผcklich damit sind. Mit all der Zeit, die wir eben dafรผr brauchen. Wie lange es jetzt letztendlich gedauert hat, da spielten ein paar Faktoren mit, auf die man nicht unbedingt Einfluss hat. Zwischen dem Abschluss der Aufnahmen und Verรถffentlichung vergingen ja auch noch so einige Monate. Aber grundsรคtzlich haben wir uns gesagt: Lass uns nicht jetzt das Album fertig machen, nur weil wir gerade ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen. Sondern dann, wenn wir das Gefรผhl haben, es ist ein geiles Album.

War der Produzent, Jochen Naaf, schon lange mit im Spiel?

J: Ja und nein. Mit Jochen standen wir seit โ€žCelestialโ€œ immer wieder in Kontakt, haben ihm Sachen gezeigt, die wir gemacht haben. Das ist eher durch so ein Freundschaftsverhรคltnis entstanden, wo er irgendwann bei einem Studiobesuch gesagt hat: โ€žSollen wir nicht gleich das Album zusammen machen?โ€œ

https://youtu.be/K9RK5IAQDLg

Die Songs, die jetzt auf dem Album sind โ€“ sind die in komplett unterschiedlichen Zeitrรคumen entstanden, so phasenweise? Einige haben sich ja sicher รผber die Zeit hinweg auch ganz schรถn verรคndert.

J: Ja, es gibt einige, die drauf sind, die wir ja schon vor langer Zeit verรถffentlicht haben, wie z.B. โ€žHouse Of Deerโ€œ. Da haben wir auch hier und da darรผber diskutiert, ob wir diese Stรผcke eventuell rauslassen sollten. Aber Vieles auf dem Album ist dann doch in den letzten Monaten der Produktion dazu gekommen, weil das stรคndige Arbeiten dazu gefรผhrt hat, dass man immer wieder neue Ideen hatte. So dass am Ende fast schnellschussmรครŸig noch einige Sachen dazu kamen, wรคhrend wir an anderen vorher monatelang herumgefummelt haben.

A: Was auch dazu gefรผhrt hat, dass wir andere Sachen dann am Ende weggelassen haben, weil sie im Gesamtkontext nicht mehr funktioniert haben.

Das Album ist ja fรผr heutige Zeiten auch relativ lang, da gab es bestimmt auch Diskussionen รผber die Menge der Songs.

J: Ja, wir haben uns schon auch darรผber unterhalten, ob man da irgendwas wegnehmen kann, aber…

A: Das hat sich dann unvollstรคndig angefรผhlt. Wir haben echt zig Varianten ausprobiert, auch in das Tracklisting flossen sehr viele Gedanken, aber nur in dieser Reihenfolge hat es komplett gepasst.

In der Reihenfolge sind ja jetzt in der ersten Hรคlfte so die ein bisschen geradlinigeren Sachen und hintenheraus die introvertierteren Stรผcke.

A: Ja, im Idealfall โ€“ sofern man sich heute noch Alben von Anfang bis Ende anhรถrt โ€“ ist so ein Album ja auch eine kleine Reise, auf die man den Zuhรถrer mitnimmt. Wir wollten das einfach genau so haben, dass es Sinn ergibt, einen gewissen Flow hat. Dass man nicht zwischendurch aufgeschreckt wird, aber dennoch immer wieder etwas Neues geboten bekommt.

Habt ihr wรคhrend der Zeit viele Tracks verworfen โ€“ ich habe auf alten Setlists von euch diverse andere Tracknamen gesehen?

J: Es gibt natรผrlich einiges Zeug, das dann irgendwann hintenรผber gefallen ist, weil man es nie an den Punkt bekommen hat, an dem man es haben wollte.

A: Einige Sachen haben wir aber auch einfach umbenannt.

Wie kommt ihr รผberhaupt auf die Songtitel? Die meisten bestehen ja nur aus einem Wort, war da von Anfang an Absicht dahinter?

J: Ja und nein. Teilweise steckt schon mehr hinter dem Songtitel, als man zuerst denkt. Aber andererseits ist es oft auch der Gefallen an einer nicht ganz durchsichtigen ร„sthetik, der dazu fรผhrt, dass man auch einfach so Fantasieworte kreiert.

A: Weniger ist manchmal auch mehr.

Auf dem Album gibt es jetzt sowohl Electropop, als auch starke House-Einflรผsse oder experimentellere Momente. Wie hat sich der Sound fรผr euch so herauskristallisiert, oder sollte es mal mehr oder weniger in bestimmte Richtungen gehen?

A: Julian ist mehr so im Clubkontext unterwegs, legt auch selbst als DJ auf, ist also in dem Metier zu Hause. Ich bin dafรผr auch empfรคnglich, komme aber eher aus einem songorientierteren Background. Und auf dem Album haben wir versucht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.

Teilt sich das also bei den Zustรคndigkeiten so ein bisschen in die Sound- und die Songecke auf?

J: Teilweise, aber es vermischt sich auch total. Vielleicht machen wir es uns deshalb auch so schwer, weil wir nie eine Aufteilung gefunden haben [lacht], weil die Ideen immer hin und her gespielt werden. Man spielt sich die Bรคlle zu ohne Regeln zu haben, wer was macht. Dadurch ist es manchmal auch schwer, auf einen gemeinsamen Weg zu kommen, weil wir auch oft sehr unterschiedliche Vorstellungen haben. Dadurch wird es auch nie zweimal das Gleiche.

Das hรคlt es ja auch spannend.

A: Das Gute an der Arbeit mit Jochen war auch, dass er da manchmal der Schiedsrichter war.

Ihr seid unter anderem mit Hot Chip und den Crystal Castles getourt. Was nimmt man da so fรผr sich mit?

J: Dass die Welt unfair ist [lacht]. Man strebt ja immer danach, die Musik live so geil wie mรถglich umzusetzen, und man sieht in so einem Fall wie Hot Chip…

A: โ€ฆ eine hohe Messlatte.

J: Ja, das ist mega-beeindruckend. Das ist in vielen Fรคllen aber auch so eine Budgetfrage, auch, sich da zu zehnt auf die Bรผhne stellen zu kรถnnen. Ansonsten ist es natรผrlich ein gutes Gefรผhl, mit so jemandem unterwegs sein zu kรถnnen und auch von deren Seite so viel Zuspruch zu bekommen.

Damit wรคren wir bei den musikalischen Vorbildern, habt ihr da รคhnliche oder komplett unterschiedliche?

J: Das ist das, was uns beide unterscheidet. Wir haben gar nicht so einen vergleichbaren Musikkonsum. Ich beschรคftige mich halt in erster Linie mit Clubmusik, wรคhrend Azhars Fachgebiet eher die songorientierten Sachen sind. Das erzeugt auch Reibung und Spannung und macht uns irgendwo aus.

A: Letztendlich sind dann die Schnittmengen wichtiger. Wenn beide etwas gut finden, dann haben wir eine Grundlage, auf der wir aufbauen kรถnnen.

Gibt es da konkrete Namen?

[beide รผberlegen]

J: Wir werden total oft mit Leuten verglichen, zu denen ich gar nicht so den starken Zugang habe.

A: Erasure.

Erasure???

A: Wurde mir tatsรคchlich sehr oft gesagt.

J: Was mir oft gesagt wird, sind Apparat und solche Sachen. Finde ich super, ist aber jetzt auch nicht mein heiliger Gral. Eine Band, die fรผr mich und meinen musikalischen Werdegang eine integrale Rolle gespielt hat, sind The Notwist.

A: Bei mir auch, ja.

Ich musste bei den poppigeren Stรผcken ja hier und da an Zoot Woman denken.

J: Das ist halt so dieser Eighties-Einschlag.

Habt ihr denn Kontakt zu vergleichbaren anderen Bands aus Kรถln, wie COMA oder MIT?

J: Mit COMA teilen wir uns ein Studio, MIT sind, glaube ich, nicht mehr so aktiv, weil der Tamer eher so bei Dillon aktiv ist… Ja, man kennt sich. Mit COMA haben wir tatsรคchlich sehr viel zu tun, musikalisch wie auch freundschaftlich. Es gibt da schon so einen Dunstkreis an Musikmachenden, in dem man zu Hause ist.

A: Von Spar ist auch noch so eine Band, mit der wir zu tun haben.

Zum Ende fragen wir immer gerne: Was rotiert bei euch so im Tourbus?

[allgemeines Kichern]

J: GroรŸe Grabenkรคmpfe.

A: Wir hรถren uns viele Mixe und Podcasts an. Jeder ist mal dran.

J: Jeder darf mal Bus-DJ sein. Ich glaube, aktuell haben wir alle โ€žBeats In Spaceโ€œ-Mixe der letzten zwei Jahre durchgehรถrt. Dann haben auch viele Leute aus unserem Umfeld in den letzten Wochen Alben rausgebracht. Keรธma, Wyoming, COMA usw.. Manchmal ist es aber auch ganz angenehm, wenn es im Bus still ist.

Vielen Dank fรผr das Interview!

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www.vimesmusic.com
www.facebook.com/vimesmusic

Themen: Schlagwรถrter
Thomas Bรคstlein

Thomas Bรคstlein schreibt (frรผher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 fรผr depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im รถffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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