Omaha, Nebraska. So etwas wie das Mekka für Fans von gefühlvollem Indie-Rock/Pop. Rund um das Label Saddle Creek ist dort eine große, sich gegenseitig inspirierende Szene entstanden. Und da gibt es eine Band, die den anderen den Strom stiehlt. The Faint rocken und poppen auch, aber sie machen das elektronisch. Auf ihrem fünften Album nun auch komplett unter eigener Regie. Ergebnis? Album des Monats!
The Faint bestehen aus den Brüdern Clark Baechle und Todd Fink (der früher auch ein Baechle war), Joel Petersen, Dapose und Jacob Thiele. Letzterer stieß nach dem 1998er Debüt „Media“ zur Band und brachte die Synthesizer mit. So wurde aus einer schwer rockorientierten Band bereits auf „Blank-Wave Arcade“ (1999) eine Electroband. Sounds, die an das Gute aus den 80ern einnern, trafen auf moderne Klänge. Und in dieser Richtung ging es weiter. Auf „Danse Macabre“ (2001) war das Quintett endlich vollständig (Ex-Death-Metal-Gitarrist und Visual Artist Dapose kam dazu). Das Album war dynamischer und geradliniger als der Vorgänger und steckte voller Hits („Agenda Suicide“, „Glass Danse“, „The Conductor“). Das und die energiegeladenen Live-Auftritte zwischen Punkpower und Kunstinstallation sorgten für eine wachsende Fanschar. So sind The Faint heute eine der wenigen elektronischen Bands, die in den USA Erfolg (und durchaus beeindruckende Verkaufszahlen) vorzuweisen haben. Drei Jahre später folgte „Wet From Birth„. Dance, Punk, Pop – wie gehabt. Etwas opulenter produziert, ein paar Streicher dabei (man höre das bezaubernde „Southern Belles In London Sing“, verziert durch die Anwesenheit der Damen von Azure Ray, deren eine ja auch Sänger Todd Bachle zum Fink machte), vielleicht etwas mehr Gitarre als zuvor, ansonsten bewährte Mischung, gelungen.
Danach war Zeit für Veränderungen. Studio neu gebaut, Mutterlabel verlassen, selbständig gemacht, alles in die Hand genommen. So etwas braucht Zeit, so vergingen vier Jahre, bis wir nun endlich „Fasciinatiion“ mit vorfreudig schwitzenden Fingern aus der wie immer stilvoll gestalteten Hülle nehmen.
Zunächst scheint alles beim Alten. Zehn knackige Songs, konzentrierte Spielzeit von ca. 35 Minuten, so kennt man The Faint. Der erste Hördurchlauf ist daher schnell geschafft und man ist geneigt, sich zu fragen, was so lange gedauert hat. Klingt doch wie zuvor, denkt man. Was keineswegs negativ gemeint ist – die drei Vorgängeralben sind allesamt großartig -, aber man hätte eventuell etwas ganz Neues erwartet. Die Stücke sind nahezu alle eingängig, vielleicht noch etwas eingängiger als zuvor, enthalten aber zum Glück die für The Faint typischen Ecken und Kanten. Hier ein schräges Fiepen, da ein verzerrter Sound. Dazu die schlauen, zukunfts- und gegenwartskritischen, düsteren, aber doch die Hoffnung nicht aufgebenden Texte. Mit der Zeit stellt man dann doch leichte Veränderungen fest. Der Punkfaktor ist etwas zurückgegangen, die Elektronik bestimmt wieder stärker das Bild. Und die Songs bleiben hängen, setzen sich angenehm im Kopf fest.
Für ein Album des Monats – und ja, das ist es geworden, egal, ob es vielleicht nicht das beste Album der Bandgeschichte ist, die Konkurrenz stellen sie allemal in die Ecke – nehmen wir uns die Zeit zur kurzen Einzelkritik:
„Get Seduced“ – Knistern, Bass, ein geradliniger Refrain und über vier Minuten Länge – fast ein untypischer Anfang. Aber im Hintergrund hübsche Space-Sounds.
„The Geeks Were Right“ – Zu Recht erste Single, unter drei Minuten. Die Gitarrenlinie geht direkt ins Ohr, die Beats pumpen die Beine auf. Und ein lustig-ironischer Text.
„Machine In The Ghost“ – Erinnert an frühe Stücke der Band. Trockener Beat, sehr elektronisch, leicht schräg. Wächst mit der Zeit, hat eine feine Synthiemelodie in der Mitte versteckt.
„Fulcrum And Lever“ – Hat etwas von HipHop, was den verschleppten Beat und verzerrten Sprechgesang angeht. Dazu prima fiepende Synthies.
„Psycho“ – Hier kommt doch nochmal der alte Dancepunk durch. Kürzester Song des Albums, sehr direkt, keine Fisimatenten (haben wir das Wort auch mal untergebracht).
„Mirror Error“ – Die zweite Hälfte beginnt mit einem Albumhöhepunkt. Verzerrt-schräge Sounds täuschen an, machen aber Platz für harmonischen Gesang und einen der seltsamsten und zugleich schönsten „Oh-oh-oh“-Refrains des Jahres (der auch noch bei jeder Wiederholung unterschiedlich ge-oh-oh-oh’t wird)!
„I Treat You Wrong“ – Generell legt das Album hinten an spannenden Songs zu. Dieser hier ist lupenreiner Pop. Midtempo, melodisch, radiotauglich (in einer besseren Radiowelt).
„Forever Growing Centipedes“ – Das Tempo legt wieder zu, eine dicke E-Gitarre überrascht, setzt aber nur nuanciert Akzente zwischen den vielen Electrosounds. Und schon wieder eine Killerhookline.
„Fish In A Womb“ – Was haben die nur mit Gebärmüttern (siehe auch: Cover des Vorgängeralbums)? Fast schon eine elektronische Ballade (natürlich nicht ohne Störklänge), sehr schön.
„A Battle Hymn For Children“ – Ein Geigerzähler zu Beginn, eine düstere Vision aus Kinderperspektive. Großartiger Text! Als Kontrast dazu abschließend noch ein echter Pophit.
Fazit: The Faint bieten dieses Mal vielleicht keine Innovationen, aber erneut ein mehr als überzeugendes Album, voller (überwiegend) elektronischer Perlen, eingängig und doch mit der nötigen Intelligenz und Schräglage.
(Addison)
P.S. The Faint spielen heute beim Intro Intim in Berlin.
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