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Interview zur neuen EP

Stefan Netschio: „Da hat jeder im Laden den Arsch bewegt!“

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Stefan Netschio über die neue EP von Beborn Beton, die US-Tour und weitere Konzerte

Von Michael Horling

Am Samstag, den 23. November, spielen Beborn Beton beim Musik- und Kunstverein im hessischen Gießen, am Tag zuvor erscheint auf Dependent Records die neue EP des Trios: „To the Stars“. Nun sprachen wir mit Sänger und Texter Stefan Netschio über die aktuelle Veröffentlichung, über die Tour jüngst in den USA und in Kanada sowie über ein Wiedersehen mit Mesh.

depechemode.de: Stefan, nach nur einer Veröffentlichung seit der Jahrtausendwende seid Ihr seit 2023 recht aktiv. Nur eineinhalb Jahre nach „Darkness Falls Again“ kann man schon wieder was kaufen von Euch. War das letztes Jahr schon so geplant oder hat sich das nach der CD Anfang 2023 so ergeben?

Stefan Netschio: Wir haben für den “Darkness Falls Again” Zyklus 12 Songs eingespielt. Da wir das Album aber in erster Sicht als Vinylalbum konzipiert haben und sich herauskristallisierte, dass wir wegen der begrenzten Spielzeit von Vinyl nicht alle Songs verwenden werden, war schnell klar, dass da noch was nachkommen würde. Über Format und Inhalte gab es zu dem Zeitpunkt aber damals noch keine konkreten Vorstellungen. 

„To the Stars“ erscheint auf „limited deep space sparkle coloured vinyl“. Irgendwo habe ich mal eine Aussage von Dir gelesen, CD-Produktionen würden sich nicht mehr lohnen. Weil Fans lieber Schallplatten kaufen? Und wie lief „Darkness Falls Again“, was es ja auch auf Vinyl gab?

Stefan: Es trifft vielleicht nicht für jeden zu, aber Vinyl ist auch in meinen Augen einfach das schönere Medium. Und wenn ich unterwegs gerade keinen Plattenspieler zur Hand habe, kommt die Musik halt vom Telefon. 
Vinyl und diese CD-Artbooks laufen auch bei den Fans sehr gut. Das merken wir auch immer bei unseren Merch-Verkäufen. Die Fans möchten etwas Besonderes besitzen. Gerne auch etwas in limitierter Auflage. Bei unserer letzten Tour war das weiße Vinyl dann auch nach wenigen Tagen ausverkauft.

Reborn Beton - To the Stars (EP)
VÖ: 22.11.2024
Mit ihrer EP „To the Stars“ knüpfen Beborn Beton an ihr Album „Darkness Falls Again“ an. Das deutsche Synthiepop-Trio erweitert mit 3 neuen Songs und 4 Remixen der EP die musikalische Bandbreite des Albums.

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Warum gerade drei Mixe von „My Monstrosity“?

Stefan: Wir suchen uns Künstler aus, die wir interessant finden und von denen wir spannende Remixe erwarten. Dabei lassen wir den Künstlern in der Regel selbst aber freie Hand, welche Songs sie gerne bearbeiten möchten. So ergab es sich, dass von dem Song dann drei Versionen zur Verfügung standen, die wir alle sehr mögen.

„Darkness Falls Again“ hatte im Standard-Format ja nur acht Titel. Was sprach dagegen, „Ticket To The Moon“, „American Girls“ und „Progeny“ gleich dort mit drauf zu nehmen?

Stefan: Wie schon gesagt, war uns persönlich sehr wichtig, das neue Album auf Vinyl herauszubringen. Weil die Spielzeit auf Vinyl begrenzt ist, wenn man keine Abstriche bei der Soundqualität machen möchte, kommt man bei der Länge der Songs dann auf diese Anzahl. Daher befinden sich also auf der Standard CD auch nicht mehr Songs. Ansonsten hätten wir eine Doppel-Vinyl veröffentlichen müssen, was aber derzeit in der Herstellung sehr kostspielig ist. Unser, wie ich finde, sehr guter Kompromiss brachte dann das Album auf CD und Vinyl und eine Artbook Edition als limitierte Doppel CD mit zwei weiteren Stücken aus dem Zyklus und Remixen.

Sterne und Mond als Thema: Weil wir besser von der Erde fliehen sollten?

Stefan: Naja, wenn sich das politische Klima weiter so entwickelt und alle Warnungen in den Wind geschrieben werden, wird uns nicht viel anderes übrigbleiben, als über alternative Lebensräume nachzudenken. Darüber hinaus ist der Aufbruch zu neuen Planeten natürlich ein klassisches Thema der Science Fiction Literatur. Und Science Fiction war immer einer der Grundpfeiler unserer textlichen Träumereien.

Gutes Stichwort American Girls: Ein bewusster Titel für Eure zehntägige Übersee-Tour?

Stefan: Nein, der Song war fertig, da war noch keine Rede von Konzerten in Nordamerika. Als die Shows in den USA und Kanada feststanden, haben wir überlegt, ob wir “American Girls” schon spielen sollten, vor allem, weil er ja kurz vorher erst veröffentlicht worden war. Wir haben uns dafür entschieden und großartiges Feedback erhalten.
Es geht in dem Song um die Verurteilung der patriarchalischen Gesellschaft und die Ungleichbehandlung und den Missbrauch an Frauen auf der ganzen Welt. Die „American Girls“ verkörpern zum einen den Beauty-Standard in Hollywood und auch das in der Filmmetropole gängige Ausnutzen von Machtpositionen gegenüber aufstrebenden Schauspielerinnen. Des Weiteren gibt der Text einen Hinweis auf die Incel Bewegung, einer in den USA entstandenen Internet-Subkultur heterosexueller Männer, die nach Eigenaussage unfreiwillig keine romantische Beziehung mit dem anderen Geschlecht haben und einer hasserfüllten Ideologie der Vorherrschaft der Männlichkeit anhängen.

Stefan Netschio von Beborn Beton vor der Skyline von Chicago
Foto: Kami Fuller

Wie war´s drüben und wie muss man sich das vorstellen: Kleine Clubs, direkter Kontakt zu Fans? Wie ist die Szene in den USA und in Kanada? Hat man Euch da noch gekannt?

Stefan: Es waren von kleineren über mittelgroße bis zu einem der geilsten Clubs ever, ziemlich viele Spielarten von Venues vertreten. Die Größe des Clubs ist nie das Wichtigste, es sind die Leute, die kommen. Und die kamen teilweise von sehr weit angereist.
Wir können behaupten, jeden Abend aufs Neue unser Publikum mitgerissen zu haben. Die Leute sind regelrecht abgegangen, haben die Songs mitgesungen und mit uns gefeiert. 
Spätestens seit 1997, mit dem US-weiten Erfolg von “Another World” ist der Name Beborn Beton dort flächendeckend ein Begriff und der Song wird selbst nach 27 Jahren immer noch gespielt und auch vom Club-Publikum gewünscht. Wenn wir damit unser Haupt Set abgeschlossen haben, hat jeder im Laden den Arsch bewegt.
Aber auch Songs der letzten beiden Alben haben sich mittlerweile in die Herzen der nordamerikanischen Fans gespielt. Es war großartig zu sehen, dass die Leute sowohl die ganz alten als auch die neuen Stücke kennen und mögen. Und wir sprechen hier ja von einer Zeitspanne von über 30 Jahren.
Auch nach den Shows haben die Leute den persönlichen Kontakt gesucht und jeden Abend gab es am Merch-Booth eine lange Schlange von Fans, die sich ihre Tonträger und Shirts signieren ließen. Natürlich hat jeder sein Erinnerungsfoto bekommen und es war uns immer eine besondere Freude, persönliche Geschichten zu erfahren. In welcher ihrer Lebenssituationen unsere Songs sie begleitet haben. Der sprichwörtliche “Soundtrack of my life”. Viele haben berichtet, dass sie sehr lange auf unsere Rückkehr, wir waren zuletzt 2002 in den USA, gewartet haben. 
Und deswegen werden wir unsere Konzertserie dort nächstes Jahr auch fortsetzen. Ich glaube, der größte Unterschied zu Deutschland ist, dass dort nicht in Kategorien oder Sub-Genres gedacht wird. Da kann an einem Abend eine Synthpop Band eine Show zusammen mit einer Industrial- oder Hellectro Combo spielen. Die Leute haben einfach eine tolle Zeit.

Beborn Beton auf der Bühne während eines Konzerts in Los Angeles
Foto: Kami Fuller

Der geilste Club ever ist?

Stefan: Das Mayan Theatre in Los Angeles. Mega Lichtshow und vor allen Dingen riesige LED Screens.

Ihr ward kurz vor den US-Wahlen in den Staaten. Beim nächsten Besuch verlangt Trump vielleicht Zölle für die Einfuhr von Synthie-Pop aus Deutschland…

Stefan: Das war auch vor der Wiederwahl von Trump schon so, denn das Visum, dass man benötigt, um als ausländischer Musiker in den Staaten auftreten zu dürfen, ist nicht nur in seinem Beantragungsprozess aufwändig und langwierig, sondern obendrein auch sehr teuer. Und da unsere Visa auf ein Jahr ausgestellt wurden, planen wir es bestmöglich auszunutzen.

Nun steht in Gießen ein Konzert an. Was erwartet die Fans dort? Alle neuen Songs, eher das Beste der letzten 30 Jahre, zudem selten Gespieltes? Oder von allem etwas?

Stefan: Wir spielen einen Querschnitt unserer Alben. Natürlich auch neue Sachen. Was das Beste ist, dazu gibt es so viele unterschiedliche Meinungen. Wir versuchen natürlich neben den Publikumslieblingen immer mal Songs einzustreuen, die wir nicht so häufig spielen. Das letzte Mal in Hannover gab es solche Momente. In Gießen wird auch wieder einiges Schönes dabei sein. Quasi ein Kessel Schwarzes.

Am Samstag, den 14. Dezember, spielt ihr vor Mesh in der Reithalle in Dresden. Kleinere Setlist mit den wichtigsten Hits, aber ohne Weihnachtslied?

Stefan: Wir freuen uns sehr, unsere alten Freunde von Mesh wiederzusehen. Uns verbindet eine lange Geschichte. Das wird eine megageile Party und wir werden ein knackiges Set spielen mit Highlights für Leute, die uns noch nicht kennen. Wer mehr hören will, besucht unsere eigenen Konzerte.

Der Fragensteller war in den 90er Jahren mal im MuK in Gießen dabei, als Mesh bei einem Konzert als Eure Vorband spielte. War das vor fast 30 Jahren, als gerade „Another World“ erschien, eine Zeit, in der Ihr noch auf den ganz großen Durchbruch gehofft habt und auf die Musik als Hauptjob?

Stefan: Diese Ambition wurde einmal gegen 1991 von einem namhaften Produzenten geweckt. Als sich diese Person aber als Luftpumpe herausstellte, haben wir mit diesem Thema endgültig abgeschlossen. Wir sind froh, dass wir von der Musik nicht leben und niemandes Ansprüche bedienen müssen. Das ermöglicht es uns, frei und unabhängig, die Musik zu machen, die wir wollen. Damit verbunden ist auch der Luxus, sich mit der Fertigstellung eines neuen Albums etwas länger Zeit lassen zu können.

Bands verraten immer ungern Privates. In welchen Berufen seid Ihr drei?

Stefan:  Wir sind im Bereich IT, Consulting und Digital Marketing tätig. Dadurch dann finanziell unabhängig von Tonträgerverkäufen. Die Musik ist das Next Best Thing. 

Erst über 10 Jahre Pause, dann wieder acht, nun ein bisschen mehr an Aktivität: Habt Ihr Blut geleckt, wird es vielleicht schon eher wieder und vor 2030 von Euch Material geben?

Stefan: Aktuell sind wir noch mit der Promotion des kommenden Tonträgers beschäftigt und geben auch im nächsten Jahr wieder mehr Konzerte im In- und Ausland. Das wird uns aber nicht davon abhalten, uns neuen Songs zu widmen, wenn uns die Muse küsst. Wann das genau sein wird, können wir jetzt noch nicht sagen, aber der Erfolg unserer Shows hat uns sehr beflügelt. Wir wollen nicht ausschließen, mit einem neuen Werk bereits vor 2030 aufzuwarten. Alles kann, nichts muss.

Also sind in 2025 weitere Konzerte geplant, vielleicht im Sommer eine Teilnahme an dem ein oder anderen Festival?

Stefan: Ja, es sind weitere Konzerte und Festivals in Planung. Das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig ist auf jeden Fall schon fix. Von der Fortsetzung unserer US-Tour sprachen wir bereits. Auch da stehen schon ein paar Festivals und Einzelkonzerte fest. 

Unlängst habe ich ein Bild von Dir gesehen mit der neuen CD von The Cure. Wie gefällt Dir die Scheibe?

Stefan: Das von dir angesprochene Bild zeigt natürlich das Vinyl des neuen The Cure Albums. Eine wirklich tolle Platte. Es ist schon sehr lange her, dass uns ein Cure Album dermaßen überzeugt hat. Wir sind ja schon sehr lange Fans der Band und umso mehr freut es uns, dass sie mit dem aktuellen Album wieder mal wohlverdiente Lorbeeren einheimsen können.

Der Fragensteller weilte heuer schon bei Konzerten von Alphaville, Camouflage und And One. Bei auch schon fast 60-Jährigen oder wie im Fall von Marian Gold gar einem über 70-Jährigen. Überall waren die Fans begeistert. Die 80er und 90er Jahre sind weiter überaus populär. Was fehlt dem Elektro-Pop, um auch die Jugend zu begeistern, die lieber Hip-Hop und Gangster-Rap hört?

Stefan: Wenn die Frage ist, wie wir junge Menschen für unsere Musik begeistern können, das wissen wir nicht. Das interessiert uns aber auch eigentlich nicht, denn wir machen die Sachen so, wie wir sie gut finden. Wenn das ein jüngeres Publikum anspricht, dann ist das toll. Wenn nicht, dann halt nicht. Inzwischen bringen Fans schon Ihre Kinder mit und die sind meist auch begeistert. An uns kann es also nicht liegen (lacht). Generell hat jede Generation ihr Ding, das ist halt so.

Letzte Frage: Vor vielen Jahren stand mal irgendwo, Ihr hättet im Archiv auf alten Kassetten unbekannte Songs aus der Anfangszeit entdeckt und wolltet diese neu veröffentlichen. Was wurde aus der Idee?

Stefan: Die Kassetten haben wir digital vorliegen. Die Frage ist nur, in welchem Rahmen und mit was für einer Auflage das veröffentlicht werden soll. Das sind echte Fanitems, die kein großes Publikum ansprechen. Das könnte man als Bonbon zu Spezialeditionen der alten Alben mitgeben. Schauen wir mal, was sich noch so ergibt.

Running Gag am Ende: Wann spielt Ihr endlich mal in Schweinfurt?

Stefan: Wenn unsere Bookingagentur endlich mal mit einem ernstzunehmenden Angebot konfrontiert würde, könnte ich Dir diese Frage vielleicht irgendwann beantworten….

Wir danken für das Gespräch und wünschen alles Gute!

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