Wenn die beiden Gralshรผter des Pop, Neil Tennant und Chris Lowe, ein neues Album verรถffentlichen, dann ist das per se schon mal ein Ereignis. Die Pet Shop Boys bringen mit „Hotspot“ ihr 14. Studioalbum in 35 Jahren Bandgeschichte heraus. Auch diese beiden Zahlen sind bemerkenswert im kurzlebigen Pop-Business.
Es ist das Berlin-Album der Band, das sie schon lรคnger machen wollte. Seit rund 10 Jahren besitzen Neil Tennant und Chris Lowe eine Wohnung in der deutschen Hauptstadt, um dort, abseits des Londoner Trubels, Songs zu schreiben. In den legendรคren Hansa-Studios haben die Pet Shop Boys zusammen mit dem Produzenten Stuart Price (saร u.a. bei Madonna, The Killers, Kylie Minogue und Take That an den Reglern) ihre neue Platte aufgenommen. Also in den Rรคumen, in denen bereits David Bowie, U2 und Depeche Mode Meilensteine der Musikgeschichte aufgenommen haben. Berlin-Zitate (Warschauer Straรe, Hallesches Tor, Schlachtensee) gibt es somit einige auf „Hotspot„.
Es ist das dritte Album hintereinander zusammen mit Stuart Price. Die Trilogie begann mit „Electric“ (2013), dann kam „Super“ (2016) und jetzt eben „Hotspot„. War „Electric“ ein in groรen Teilen unerwartet hartes Dance-Album und „Super“ eine Hyper-Pop-Platte, durch die sich ein klarer, sauberer, digitaler Klang gezogen hat, so klingt „Hotspot“ wรคrmer und analoger. Dem alten elektronischen Equipment in den Hansa-Studios sei Dank. Dieser organische, wenn auch rein elektronische Sound, hebt die neue Platte von den beiden Vorgรคngern sehr positiv ab.
Mit „Will-O-the-wisp“ hat das Album den bestmรถglichen Opener. Ein typischer Pet Shop Boys-Uptempo-Kracher: die Synthies blubbern und fiepen mit deutlichen 80er Jahre-Anleihen, es gibt eine tolle, eingรคngige Melodie und Neils nasaler Gesang ist das Trademark. Danach legen wir eine Vollbremsung hin. „You are the one“ ist eine romantische, wenn auch sehr klinisch rein produzierte Ballade, die so auch auf dem Album „Behaviour“ (1990) hรคtte stattfinden kรถnnen. „Happy people“ nimmt den geneigten Hรถrer mit in die Disco der 90er. Achtung: Den Ohrwurm-Refrain nebst House-Piano bekommt man so schnell nicht aus dem Kopf. Nur die Pet Shop Boys kรถnnen so konzentriert und ernsthaft die vielen Zitate von House und Eurodisco in einen frischen Popsong gieรen, ohne peinlich zu sein. Und trotzdem werden es einige ihnen wieder als Ironie auslegen – dabei lieben die beiden รคlteren Herren (Tennant ist mittlerweile 65, Lowe hatte kรผrzlich den 60. Geburtstag gefeiert) schlicht und einfach die Spielarten des Pop. „Dreamland„, eine Zusammenarbeit mit Olly Alexander der Band Years & Years, war bereits die erste Vorab-Single zum neuen Album. Es ist der vielleicht offensichtlichste Pet Shop Boys-Track auf der Platte. Thematisch ein Update von „Go West“, musikalisch erwartbar, aber trotzdem gelingt dem Duo zusammen mit Gastsรคnger Olly Alexander das Kunststรผck, dass die Melodie und der Refrain in den Gehรถrgรคngen kleben bleibt. „Hoping for a miracle“ ist die stรคrkste Ballade auf „Hotspot„. Hier kommen die textlichen Qualitรคten von Neil Tennant genauso zum Tragen, wie das todsichere Gespรผr von Chris Lowe fรผr die passende traurige und wunderschรถne Melodie. „I don’t wanna“ klingt astrein nach einem 80er Track, wie er wohl nur mit den analogen Keyboards in den Hansa-Studios entstehen konnte. Electro-Pop pur. „Monkey business“ ist die aktuelle Single-Auskopplung – flankiert von einem genialen Videoclip
Dass die Pet Shop Boys mal einen Funk-Song als Verneigung vor den 70ern aufnehmen wรผrden … darauf musste man รผber 35 Jahre warten.
„Only the dark“ ist ein brillanter, sehnsรผchtiger Midtempo-Track, der direkt aus dem „Drive“-Soundtrack hรคtte kommen kรถnnen, um in der Serie „Stranger things“ weiterzuleben. „Burning the heather“ ist das heimliche Highlight von „Hotspot„.
Bereits als zweite Single ausgekoppelt, hat dieser Song eine รผberraschend handgemachte Instrumentierung inklusive einer Akustikgitarre von Bernard Butler (Suede). Neil Tennant gelingt wieder ein melancholischer Abgesang an die Zweisamkeit, er suhlt sich im Trennungsschmerz, um dann mit der letzten Zeile dann doch noch Hoffnung zu verbreiten. Sowas kรถnnen die Pet Shop Boys in Perfektion. „Hotspot“ endet mit dem Song „Wedding in Berlin„. Der Hochzeitsmarsch von Felix Mendelssohn Bartholdy zum Technobeat. Daran werden sich die Geister scheiden. Ursprรผnglich als Hochzeitsgeschenk fรผr ein befreundetes Paar geschrieben, landet dieser Song, endpersonalisiert natรผrlich, auf dem Album. Die Aussage ist klar: Wie schรถn, dass mittlerweile alle Liebenden heiraten dรผrfen – egal, ob straight oder gay. Lobenswert, macht den Song trotzdem nicht besser.
Bis auf den letzten Song haben die Pet Shop Boys wieder geliefert. Pop-Perlen quasi am Flieรband. Und dass, ohne das Konzept der beiden Vorgรคngeralben zu kopieren. Der Berlin-Vibe wirkt wie eine Frischzellenkur fรผr die beiden Pop-Opas.
รbrigens: Die Pet Shop Boys sind im Mai in Deutschland mit einer Greatest Hits-Tour in den groรen Hallen der Republik unterwegs. Dafรผr gibt es nur noch Restkarten. Zuschlagen!
„Hotspot“ erscheint am 24. Januar. Hier vorbestellen:
Pet Shop Boys – Hotspot (Limited Edition) (2CD)
Pet Shop Boys – Hotspot (Gatefold-Vinyl)
Zuerst wirkt „Monkey Business“ eher peinlich, bis man die subtile Trump-Persiflage entdeckt…
Ich finde es echt voll interessant, wie unterschiedlich PSB und Depeche Zeitkritik angehen. Bei PSB ist das distinguiert-ironische Nadelkissen รถftermal unter einer extradicken Schicht gute Laune versteckt :D
Also, einige der Tracks of „Hotspot“ sind echt genial, da kann man nix sagen :D
warum steht bei meinen Kommentaren neuerdings immer „Dein Kommentar muss noch freigeschaltet werden.“ ?
Was fรผr ein Mist (..beim ersten Hรถren), aber dann...
Es ist wie immer. Die Boys liefern beim ersten Anhรถren eine unspektakulรคre Platte ab. Nix besonderes. Und mit jedem Hรถren wird sie besser. Sie lรคuft im Moment ununterbrochen und da haben sie mich wieder in Ihren Bann gezogen. Unbeschreibbar, diesmal mit dem Sound analoger Klรคnge der nur in den Hansa Studios so klingen kann. Dazu die unvergleichbare Simme von Neil Tannent. Genial! Der Platte sage ich in der PSB History eine groรe Zukunft vorraus. Meilenstein!!!
Geht mir auch so … irgendwie haben sie nach all den Jahren nochmal echt einen Hรถhekpunkt abgeliefert der mit jedem mal Hรถren irgendwie besser wird.
Vor allem fรคllt mir auf wie gut gelaunt mich die Platte macht, und das obwohl hin und wieder auch melancholische Tรถne angeschlagen werden… aber es geht irgendwie eine fast schon magische Lebenslust von den Songs aus… allerdings eben eher zwischen den Zeilen, so dass man es beim ersten mal hรถren fast nicht mitbekommt. Lyrisch hat vieles auch einen doppelten und dreifachen Boden, so dass man beim mehrmaligen Hรถren immer wieder was neues entdeckt.
Also schlau sind sie jedenfalls, die PSB :D
ich hรถre als geneigter depeche fan
.. eher so sachen wie rosalie cunningham ;-)
Monkey Business ist echt ein spitzengeiles Video! Da merkt man mal wieder wieviel so ein Video ausmacht – der Song allein ist zwar auch cool, aber das Video nacht nochmal richtig Stimmung dazu.
Burning the heather hat mir gleich gefallen, hรคtte mir irgendwie noch eine gute Extended Version davon gewรผnscht um noch lรคnger zu trรคumen :D
Spitze
Super Platte
Gerade gehรถrt
und nie mehr wieder.
Klasse!
Geile Platte