Irgendwann darf man nicht mehr erwähnen, wie lange Jean-Michel Jarre schon im Geschäft ist. Glaubt einem ja doch keiner, wenn man sich den immer noch jugendlich aussehenden Burschen betrachtet. Und dessen nimmermüden Versuch, etwas Neues zu kreieren. Dieses Mal will er mit 360-Grad-Sound die Hörgewohnheiten umkrempeln. Das Album dazu ist erstaunlich kantig geworden.
Ob ihm wirklich erst ganz spät aufgefallen ist, dass der neue Albumtitel eine gewisse Ähnlichkeit zu seinem berühmtesten Hit aufweist? Oder ob er nur wieder einmal ziemlich clever bei der Titelfindung war? Wer weiß. Den Begriff Oxymoron darf man aber durchaus als passend für dieses Werk empfinden. Denn Gegensätze ziehen sich hier an.
Beispielsweise jene, dass das Album Pierre Henry gewidmet ist, neben Jarres Mentor Pierre Schaeffer einem der frühen französischen Pioniere der elektronischen Musik und der Musique concréte. Damit beruft Jarre sich auf ganz lange zurückliegende Wurzeln für „Oxymore“, weit vor den 70er und 80er Jahren. Auf der anderen Seite ist das Album aber technologisch und soundtechnisch topmodern.
Die Soundschnipsel, die Henry übrigens vor seinem Tod vor ein paar Jahren aufgenommen und über seine Witwe an Jarre weitervererbt hat, wurden von jenem nur in kleinen Dosen verwendet und ansonsten eher als Inspiration genommen. Um mit ganz viel Frickelei, Sampling und Field Recordings (womit sich der Kreis zur Musique concréte schließt) einen ganz eigenen Klangkosmos zu entwickeln.
Der Rundumsound, den die beeindruckten geladenen Journalisten und zwei Handvoll glücklich ausgeloster Fans vor der Veröffentlichung in einem Berliner Kino (und in Anwesenheit des Meisters persönlich) auf die Ohren geballert bekommen, hat es dann in sich. Brachial laut und teilweise fast verstörend, so kompromisslos war Jarre zuletzt vielleicht 1984 mit dem durchaus vergleichbaren (wenn auch völlig anders klingenden) „Zoolook“ unterwegs.
Da knistert erst ein behagliches Feuerchen um den Hörer herum, während Sprachfetzen von Pierre Henry aus einer Ecke ertönen. Doch gleich scheppern massive Sounds durch den Titeltrack, der mit seinen trippigen 90er Sounds auch Recoil-Fans begeistern müsste.
Man lässt sich mit jedem Hören (unbedingte Empfehlung: die Binaural Version unter Kopfhörern!) tiefer in dieses „Sonic Land“ entführen, wundert sich, aus welcher Ecke einen „Animal Genesis“ bedrohen mag, (alb)träumt im Dunkel der ums Empfangszentrum kreiselnden Elektronik, kichert ein bisschen über „Sex In The Machine“, bevor die Bässe aus „Zeitgeist“ einen fest in den Sessel drücken.
Das ist schon fast Techno, fortgesetzt wenig später durch das brillante „Brutalism“ (über den zugehörigen Remix eines gewissen Martin L. Gore hatten wir ja bereits hier berichtet). Ein überaus spannendes Album, das musikalisch herausfordert und soundtechnisch Maßstäbe setzt. Mal wieder. Was Monsieur Jarre uns dazu im Interview zur erzählen hatte, könnt ihr in Kürze nachlesen.