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Das Comeback des Jahres

Review: Camouflage „Greyscale“

Besser spät als nie. Eigentlich sollte das neue Camouflage-Album bereits Mitte vergangenen Jahres erscheinen. Doch dann hat sich die Band entschieden, noch mehr Zeit in die Produktion zu investieren. Die Folge: nicht nur das Veröffentlichungsdatum wurde deutlich nach hinten verschoben, auch die Tour musste dem neuen Zeitplan angepasst werden und nicht zuletzt wurden die Fans noch einige Monate länger auf die Folter gespannt.
Um es gleich vorneweg zu sagen: das Warten hat sich gelohnt. „Greyscale“ (Amazon) ist eine rundum großartige Platte geworden. Hier kann man Camouflage zwölfmal in Höchstform erleben. Synthie-Pop-Perlen vom allerfeinsten, sehr dicht produziert, Ecken und Kanten in ausgewogenem Verhältnis zu eingängigen Melodien, sich keinem aktuellen Trend anbiedernd, trotz des klassischen Camouflage-Sounds und -Gesangs kein reiner 80er Pop – das lässt jedem Fan des Genres das Herz höher schlagen.

Den Opener „Shine“ haben Camouflage bereits ausgiebig live auf ihren Konzerten getestet. Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Daher ist der Song auch zu Recht als Vorbote des Albums als Single erschienen. „Shine“ gibt die eine Richtung auf „Greyscale“ vor. Midtempo- und Uptempo-Songs mit starken Melodien, Chorus-fixiert, die wie gemacht sind, um auf der Bühne vor Live-Publikum gespielt zu werden. Zu dieser Kategorie gehört auch „Count on me“, bei dem Peter Heppner für ein Duett ins Studio eingeladen wurde und der seine Sache auf die ihm eigene unwiderstehliche Weise macht. Der nasale Gesang Heppners passt hier wie die Faust aufs Auge. „Misery“ und „Leave Your Room Behind“ sind weitere Beweise, dass Camouflage noch immer eingängige Pop-Songs schreiben können, ohne in allzu seichte Fahrwasser abzudriften.

Und dann ist da die zweite Richtung auf „Greyscale“. Ruhige, verschachtelte Produktionen, teils ohne klassische Songstruktur, mal mit Marcus Meyn am Mikrophon, aber auch Oliver Kreyssig hat in guter alter Tradition seine Gesangseinsätze („In The Cloud“ und „Still“). Diese Stücke sollen nicht ansatzlos ins Ohr flutschen. Sie brauchen Zeit, entfalten ihre schwelgerische Intensität erst nach mehrmaligem Hören. Überragend dabei ist „Laughing“. Die Synthies pluckern und fiepen, die Drums erinnern an „It’s No Good“ einer gewissen Band, die eigentlich immer in Verbindung mit Camouflage genannt wird. Melodie und Gesang entwickeln einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann und mag. Die Vergleiche mit Depeche Mode als Inspirationsquelle sind ebenso angebracht wie überflüssig. Schließlich leugnen Camouflage ihren musikalischen Ursprung nicht und haben die Versatzstücke clever weiterentwickelt und so ihren eigenen, unverkennbaren Soundkosmos geschaffen.

Der Titelsong „Greyscale“ ist ebenso wie „Light Grey“ und „Dark Grey“ instrumental, es sind mehr elektronische Soundcollagen als Songs. Das passt atmosphärisch zum Coverbild und zur für Camouflage typischen düsteren Grundstimmung.
Man sollte ja mit Superlativen sparsam umgehen, aber man kann behaupten, dass „Greyscale“ zum Besten gehört, was Camouflage jemals auf CD gebannt haben. Das Jahr ist noch jung, doch schon jetzt haben die drei Jungs einen aussichtsreichen Platz in den Jahrescharts 2015 vieler Fans elektronischer Popmusik sicher – ganz bestimmt.

„Greyscale“ als CD:
Greyscale

„Greyscale“ als Vinyl (+CD):
Greyscale [Vinyl LP] [Vinyl LP]

Henning Kleine

Henning (Jahrgang 1976) arbeitet als TV-Journalist in Hamburg. Er ist Synthie-Pop Liebhaber und großer Fan der Pet Shop Boys.

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