Der September steckte voller starker Alben, wie ja auch an einigen anderen Rezensionen der letzten (und der nächsten) Tage ersichtlich ist. Unsere bunte „Was-sonst-noch-war“-Sammelkiste ergänzt das um einige weitere, zum Teil denkwürdige Platten. Mit John Cale, John Tejada, Barker & Baumecker, Errors, TOY, Crime & The City Solution, Animal Kingdom und Calexico.
John Cale ist eine Legende. Punkt. Mitbegründer von Velvet Underground und anschließend als Solokünstler auf der ständigen Suche nach neuen Klängen und Einflüssen. Der Mann ist 70 (!!!) und bringt mit „Shifty Adventures In Nookie Wood“ mal eben ein topmodernes Popalbum heraus, nach dem sich so mancher weniger als halb so alte Popper ewig vergeblich strecken wird. Mit seiner immer noch kräftig-markanten Stimme, die in diesem u.a. von Danger Mouse co-produzierten Soundumfeld mitunter sowohl an den Kollegen Bowie, als auch an Chef-Editor Tom Smith erinnert, landet er eine Songperle an der anderen und schreckt neben zahlreicher Elektronik nicht einmal vor Autotune-Effekten zurück. Hut ab und große Empfehlung!
Was wird eigentlich unsere Zukunft bringen? Nun, wir fürchten, das kann uns „The Predicting Machine“ von John Tejada nicht verraten. Stattdessen bietet der mittlerweile beim Kompakt-Label bestens aufgehobene Kalifornier mit Wiener Wurzeln uns eine vielseitige Reise durch die modernen Spielarten technoider Clubmusik. Dazu hat er sich tief in Unmengen von Soundmodulen vergraben, was mit eleganten Tracks zwischen Late-Night-Chillbarem und Etwas-früher-in-der-Nacht-Tanzbarem belohnt wird.
Bleiben wir gleich im Kompakt-Umfeld. Auf OstGut Ton erscheint das erste gemeinsame Album von Barker & Baumecker, die zuvor schon als Voltek (hauptsächlich Produzent) bzw. nd_baumecker (u.a. Resident-DJ im Berghain bzw. der Panorama Bar) umtriebig waren. Und auch hier werden ganz „Transsektoral“ diverse Facetten des Techno bespielt. Mit viel analoger Würze und immer wieder auflockernden Breakbeats lässt sich hier zwischen detailfreudigen Bastelarbeiten („Trafo“), echolastigen Kopfhörergenüssen („Crows“) und trockenen Krachern („Buttcracker“) einiges entdecken. Wer das VCMG-Album mochte: Reinhören!
Die Errors aus Schottland haben wir ja vor einer Weile schon einmal empfohlen. Ihr letztes Album (Anfang 2012, „Have Some Faith In Magic“, von uns sträflich übersehen) bekam überall ganz großes Lob, und so schieben die Glasgower mit „New Relics“ mal eben ein 8-Track-Minialbum nach. Die Instrumentalisten bauen ihre vielschichtigen Elektronikwelten darauf weiter aus – und sind auch gar nicht mehr rein instrumental. Irgendwo im Mix schweben nämlich die einen oder anderen verträumten Vocals herum. Ja, auch das ist wohl irgendwie Dreampop, aber einer, der sogar Kraftwerk-Fans gefallen könnte.
Noch einen ganzen Zacken psychedelischer werden wir jetzt mit TOY und ihrem Debütalbum „Toy“. Die fünf langhaarigen Briten (vier Herren und eine Dame) verschmelzen darauf so einiges miteinander: Verhuschten Gesang, verhallte Gitarren, vernebelte Synthies… verdammt geschickt machen sie das. Da nickt sowohl der Shoegazer mit seinem gesenkten Kopf, als auch der (Wave-)Rocker. Und da Toy es schaffen, selbst in siebenminütigen Rauschorgien noch irgendwo eine Popmelodie unterzubringen, ist das Ganze auch noch erstaunlich leicht zugänglich (auch dank markanter Synthesizereinsätze). Wirklich ein hübsches Spielzeug.
Bei Mute betreibt man ja nicht nur Talentforschung, sondern auch liebevolle Aufarbeitung. In der Reihe „An Introduction to…“ gibt es nun „A History Of Crime – Berlin 1987 – 1991“ zu hören. Natürlich kein kriminalistisches Hörspiel, nein, hierunter verbergen sich die Berliner Jahre des ewigen australischen Geheimtipps Crime & The City Solution. Um Sänger Simon Bonney mit seiner Nick Cave nicht unähnlichen Stimme wechselte seit den 70ern munter das Personal, in der Berliner Phase spielten u.a. Mick Harvey (Birthday Party) und Alex Hacke (Einstürzende Neubauten) mit. Rau, aber herzlich. Abgerissen, aber mit Hirn. Und nächstes Jahr soll’s Neues geben!
Wir hätten da auch noch was Radiotaugliches in der Rundschau. Animal Kingdom aus London machen eigentlich nicht viel falsch auf „The Looking Away“. Es gibt die ultra-eingängige Leadsingle, zu der alle mitwippen können („Strange Attractor“), den einen oder anderen flotten Schieber für die Nachfolgeversorgung und natürlich auch Balladen zum Schmachten. Alles kompetent produziert und kuschelweich abgerundet. Hört sich gut an und zeugt auch von Talent… nur gibt’s das doch irgendwie schon 798 mal so oder so ähnlich zwischen Snow Patrol, M83 und Coldplay.
Nanu, Calexico in „Algiers“? Kein Tex, kein Mex, keine Americana mehr? Stattdessen arabische Klänge? Nee, da haben sie uns wohl eine Pinata aufgebunden. Dieses Algiers liegt in New Orleans und dort ließ man sich für Studioalbum Nr. 6 inspirieren. Das hat offensichtlich gefruchtet, man hat einmal lässig durchgeatmet und ein sehr entspanntes Werk eingespielt, das den Song in den Mittelpunkt stellt. Und Songwriting, das beherrschen Joey Burns und John Convertino aus dem Effeff. Ruhig fließt alles, ohne irgendwelche Schaueffekte, aber eben einfach kuschelig schön.
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P.S. Unsere passende Playlist beim Streamingdienst WiMP gibt’s wie gewohnt hier (Nichtabonnenten hören für je 30 Sekunden rein, WiMP-Mitglieder natürlich vollständig). Viel Spaß!