Und nun zum Finale unseres Spaziergangs durchs musikalische Vorjahr. Die Monate zehn bis zwölf brachten u. a. neue Alben von Working Men’s Club, Future Islands, Róisín Murphy, Woodkid, Tom And His Computer, Lebanon Hanover, Ela Minus, Kylie Minogue, Rosa Anschütz, Urlaub in Polen, Molchat Doma, WhoMadeWho, Cabaret Voltaire, Dive und Paul McCartney.
Nach einer knappen Minute des (genau wie die Band heißenden) Debütalbums von Working Men’s Club aus Todmorden (ja wirklich), West Yorkshire, unweit von Manchester (sic!), schnappt man kurz nach Luft und guckt erst mal nach, ob man nicht doch New Order aufgelegt hat. Später entwickelt der sehr junge Vierer aber auch noch andere Vorlieben. Ein fiebrig packender Newcomer zwischen Post-Punk, Synthiepop und einem zünftig technoiden Rave.
Future Islands haben ihren ganz eigenen, sehr organischen Synthiepop ja schon mit den beiden Vorgängeralben perfektioniert – und dazu großartige und oft erstaunlich ausdauernde Konzerte gespielt, geprägt natürlich insbesondere durch ihren grandios irre performenden Frontmann Samuel T. Herring. Auf „As Long As You Are“ gibt es dementsprechend nur minimale Soundverschiebungen – und ansonsten einfach einen Stapel toller neuer Popsongs.
Das Album des Monats Oktober verdiente sich die wunderbare Róisín Murphy. Die Besprechung zu ihrer „Róisín Machine“ findet ihr hier.
Wenn es darum geht, nach der am bombastischsten klingenden Produktion des Jahres zu suchen, sollte man vielleicht bei Yoann Lemoine nachfragen. Denn der haut einem als Woodkid auf „S16“ dermaßen fette Sounds um die Ohren – und liefert die passende Videokunst dazu. Aber mittlerweile mischt er auch immer wieder leise und nachdenkliche Töne dazwischen, und das macht diese Platte erst richtig interessant.
Wenn einer der besten Kumpels des äußerst geschätzten Anders Trentemøller (der hier auch als Produzent nicht unwesentlich beteiligt war) endlich sein Debüt veröffentlicht, dann hat er unsere Aufmerksamkeit, der Thomas Bertelsen. Und Tom And His Computer enttäuschen die Hoffnungen auf „Future Ruins“ nicht, im Gegenteil. Großartige (Electro-)Popsongs, viermal durch die tolle Stimme von Roxy Jules verstärkt, wechseln sich mit atmosphärischen Instrumentalen ab.
Das schweizerisch-britische Dark-Wave-Duo Lebanon Hanover nebelt hierzulande immer noch irgendwie unter dem Radar durch. Dabei nehmen Larissa „Iceglass“ Georgiou und William Maybelline seit 2012 ein atmosphärisches Album nach dem anderen auf. Wer allerdings einmal Fan ist, bleibt den beiden treu. Auf „Sci-Fi Sky“ trauen sie sich neben den klassisch kalten Düstersounds auch mal an andere Klänge heran, sowohl an gefühlvollere (Fast-)Balladen als auch an kantige Ausbrüche. Steht ihnen gut.
Die Kolumbianerin Ela Minus hat einen Abschluss vom Berkeley College im Gepäck. In den Bereichen Jazzdrumming und Synthesizerdesign. Ihrem Debütalbum „Acts Of Rebellion“ hört man eher Letzteres an, und all diese elektronischen Sounds hat sie selbst gebastelt, aufgenommen und produziert. Mal clubtauglich, mal eher für den Tanz im Wohnzimmer, kühl und doch mit Gefühl.
Was wir zu Kylie Minogue und ihrer „Disco“ zu berichten hatten, könnt ihr hier nachlesen.
Die Wiener Berlinerin (oder umgekehrt) Rosa Anschütz hat für ihr Debütalbum neun „Votive“ gebracht. Für Nicht-Bibelkenner wie den Rezensenten: Opfergaben. Ansonsten: Songs halt. Rosa hat sogar Skulpturen zu den, ja, mitunter fast sakralen Stücken angefertigt. Noch schöner: Die (modularen) Synthesizersounds erzeugen in Verbindung mit dem an Anne Clark erinnernden (Sprech-)Gesang eine hypnotische Atmosphäre.
Dass es Urlaub in Polen noch gibt! Also die Band jetzt, der Rest ist ja erstmal gestrichen (kommt aber wieder, ganz ruhig). Die Herren Janzen und Brenner wissen nach knapp neun Jahren Veröffentlichungspause (jedenfalls mit dieser Band) immer noch, wie man Krautrock und andere elektronische Sperenzchen in ein knackiges Konzept presst und dann ins „All“ schießt.
Den letzten „Album des Monats“-Titel des Jahres räumten Molchat Doma aus Belarus ab. Hier findet ihr die Besprechung zu „Monument“.
Die äußerst fleißigen Derwische von WhoMadeWho bringen nach drei EPs ihr „Synchronicity“-Konzept nun auf Albumlänge zum Abschluss. Sieben der zwölf Tracks der EPs sind hier versammelt, fünf weitere Stücke kommen hinzu. Mit wechselnden Gästen auf sämtlichen Tracks (u. a. Michael Mayer, Robag Wruhme und Perel) war das Ziel, eine durchgängig tanzbare Platte für die Clubs aufzunehmen. Und man kann nur sagen: Das ist den Herrschaften perfekt gelungen, nun müssen die Clubs nur irgendwann wieder aufmachen.
Zum Schluss noch ein paar Platten von Legenden. Zum Beispiel: Cabaret Voltaire. Mehr zu „Shadow Of Fear“ gibt es hier zu lesen.
Wir treiben uns gleich mal weiter in den industriell dunklen Ecken herum. Dirk Ivens beschenkt die Fans von Dive doch tatsächlich ganz zum Jahresende mit einem neuen Album. Ob die Beats und Sounds auf „Where Do We Go From Here?“ (die Zwangsjackenfans von Suicide Commando nicken wissend) nun wirklich brutaler und härter als je zuvor sind (Promogefasel)? Geschenkt. Dive klingt letzlich wie Dive klingen muss – und das in bester Produktionsqualität.
Wie kann man zum Finale noch etwas draufsetzen? Vielleicht mit der größten lebenden Poplegende? Das kann nur Sir Paul McCartney sein. Manch einer mag das ja nur am Rande verfolgen, aber der Mann hat sich auch nach den Beatles kaum längere Veröffentlichungspausen gegönnt. In bald 80 Lebensjahren kommt da einiges (ja, auch verzichtenswerte Alben) zusammen. Mit „McCartney III“ hat Paul, der heute streckenweise ein bisschen wie der späte Johnny Cash klingt, jedenfalls eine seiner stärksten Soloplatten aufgenommen. Mit ein paar weiteren grandiosen Songs für die üppige Diskografie.
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