Home > Magazin > Reviews > Querbeats – Roundup März/April/Mai, Teil 2
- Anzeige -

Querbeats – Roundup März/April/Mai, Teil 2

/

100waters_bellKaum haben wir im ersten Roundup des letzten Trimesters zehn Platten besprochen, folgt auch schon die zweite Hälfte. Wir wünschen gute Unterhaltung mit Shit Robot, Jimi Goodwin, Glitterbug, Hundred Waters, School Of Language, My Sad Captains, Niko Schwind, Tesla286 und Bo Saris. Und wir müssen über Joachim Witt reden.

shitrobot_loveShit Robot, so muss man sich erstmal nennen. Aber Marcus Lambkin ist Ire, also hat er Humor. Außerdem steht er auf handgemachte Effekte, also bastelt er auch auf seinem zweiten Album „We Got A Love“ die Sounds analog zusammen. Das hört man, ebenso wie man sofort erkennt, bei welchem Label der Mann wohnt – DFA. Als Kritiker darf man zwar einwenden, dass das Ganze mitunter ziemlich retro klingt und ebenjenem Labelsound nicht viel Neues abgewinnt. Aber auf der anderen Seite sind die Tracks perfekt eingängig und hat Lambin für seine Houseparty mit Nancy Whang (u.a. The Juan MacLean), Luke Jenner (The Rapture) und anderen die perfekten Gastvokalisten gefunden. Bonus: Zwei herrlich düsseldorfige Instrumentals.

goodwin_odludekDer Rezensent ist bekennender Fan der Doves aus Manchester. Daher war er sehr gespannt auf das Soloalbum von deren Sänger Jimi Goodwin. Was ein „Odludek“ ist, wissen unsere polnischen Leser sicher sofort. Für alle anderen: Ein Einsiedler. So fühlte sich Goodwin wohl, als er erstmals auf sich allein gestellt war und außer einem Co-Produzenten und einem Songwritingbesuch von Elbow-Kumpel Guy Garvey so ziemlich alles hier allein gemacht hat. Und das ist eine Menge. Ohne die Hauptband hat sich Goodwin überall ausgetobt, wo er gerade Lust hatte. Vom Breitwandpop über die Säuferballade, klassischen Northern Soul und Zirkusnummern bis hin zum Manchester-Rave hält vor allem Goodwins markante Stimme dieses eigenwillig-faszinierende Album beieinander.

glitterbug_dustTill Rohmann ist dafür bekannt, auf seinen Alben als Glitterbug Autobiographisches musikalisch zu verarbeiten. Während das letzte Album „Cancerboy“ Krebserfahrungen aus der Kindheit behandelte, geht es auf „Dust“ weniger bedrückend und thematisch etwas offener zu Werke. Die moderne Welt und in ihr verfallene Städte und Landschaften belassen es aber beim düsteren Grundtenor. Über den lässt Glitterbug nun seine mininmalen, technoiden Sounds fließen. Zwischen Ambient und bassgetriebenem Techno ist das alles überraschend abwechslungsreich und man fühlt sich stets wie in einem Film. Demnächst mal einen richtigen Soundtrack? Das wäre interessant.

100waters_bellDie Florida-Viererbande Hundred Waters hat sich tatsächlich nach Hundertwasser benannt. Und auch der Titel ihres zweiten Albums zeugt von einem gewissen Kunstanspruch: „The Moon Rang Like A Bell“. Diese Band ragt stilistisch definitiv aus dem Raster ihres Labels (Skrillex‘ OWSLA Records) heraus, und zwar positiv. Die verträumte Stimme von Nicole Miglis wird sowohl von klassischem Songwriting unterstützt, als auch von vielschichtigen elektronischen Sounds. Die verzauberten Klänge und märchenhaften Songs, mal eingängig, mal fast experimentell-björk-esk, mal mit Beats, mal ganz ohne, erschaffen eine an vielen Stellen beeindruckende Atmosphäre. Tipp!

school_languageDavid Brewis ist sonst Mitglied bei Field Music, zuletzt hat er außerdem als Produzent des neuen Maximo-Park-Albums auf sich aufmerksam gemacht. Doch jetzt veröffentlicht er sein zweites Soloalbum als School Of Language. Hier lotet er auf „Old Fears“ die Schnittmengen von modernem R’nB mit Funk, Indie und elektronischer Musik aus. Brewis weiß (s. o.), wie man Musik effektvoll produziert und ihr trotzdem eine gewisse Rohheit belässt. Also mischt er funky Gitarrenlicks mit rhythmischem Schlagzeug, variablem Synthesizereinsatz und singt dazu mit seiner gar nicht anstrengenden Falsettstimme. Da kommen dann leichte Prince-Erinnerungen wie bei „A Smile Cracks“ auf, bei „Between The Suburbs“ begeistern die elektronischen Sounds, und „Dress Up“ verbreitet Sommerlaune.

sadcaptains_times„Oh Captain, my Captain!“. Hat nicht viel mit dem Thema zu tun, aber an den Club der Toten Dichter darf immer mal erinnert werden, oder? Obwohl da in punkto Stimmung schon Ähnlichkeiten zur Musik von My Sad Captains gefunden werden könnten. Die Londoner um Sänger Ed Wallis kredenzen nämlich auf „Best Of Times“ eine sacht melancholische Musik, die auch den Internatsschülern oben genannten Clubs gefallen haben könnte. Entspannt, aber nicht depressiv wohlgemerkt. Und mit guten Songs zwischen Dreampop und Indie.

schwind_worldDas Cover von „Grippin‘ World“ beweist: Niko Schwind hat seinen Antoine de Saint-Exupéry gelesen. Doch wie ein Märchen klingt sein drittes Album eigentlich eher nicht. Das verbindende Element ist höchstens das Verträumte, was sich hier immer wieder in die ansonsten doch recht beatbetonten Tech-House-Tracks einschleicht. Nach einem verspielten Einstieg mit dem etwas an Moby erinnernden „Don’t Stop Your Love“ gehen nämlich ab dem zweiten Stück, dem herausragenden „Perfect Fit“ die Bässe ordentlich nach vorne. Das ist Clubmusik moderner Berliner Machart, zur Hälfte mit, zur Hälfte ohne Vocals. In denen auch Abzweigungen in Richtung Soul, R’n’B und HipHop nichtg verboten sind. Das funktioniert nicht durchgehend spannend, aber wenn, dann auf hohem Niveau.

TESLA286ZUKUNFTUnd nun Herzlich Willkommen in der „Zukunft“. Oder doch nicht? Denn das Debütalbum von Tesla286, erschienen auf dem kleinen, feinen AYCB-Label vom Housemeister erweist konsequent den Helden der Vergangenheit, den Pionieren elektronischer Musik, seine Referenz. Zu Tracks mit Titeln wie „Umlaufbahn“, „Radius“, „Robot Love“ (hier zum Gratis-Download) oder – sehr schön – „Meteorit Over Pankow“ kommen natürlich und zu Recht Kraftwerk in den Sinn, aber auch mit Afrika Bambataa, Herbie Hancock und Detroit Techno liegt man dem Sound hier nahe. Musikalische Science Fiction mit Geschichtsbezug.

bosaris_goldNoch weiter hinten in der Musikgeschichte wühlt Bo Saris auf seinem Debütalbum „Gold“. Der Niederländer hat Al Green und Marvin Gaye ganz offensichtlich genau studiert, und setzt jetzt nach Amy Winehouse, Adele oder Aloe Blacc als nächster auf die Soul-Retro-Karte. Auf dem Album zieht er diesen Stil konsequent durch und bringt mit seiner Croonerstimme die Herzen zum Schmelzen. Fast noch ein bisschen spannender sind jedoch die Remixe auf seinen Singles, denn in den stark elektronisierten Fassungen moderner Künstler wie Todd Edwards, Wankelmut oder Maya Jane Coles bekommen seine Songs noch mehr Glanz.

witt_neumondZum Schluss muss aber dann auch mal ausgeteilt und in einem Falle ausdrücklich vom Tonträgererwerb abgeraten werden. Was Joachim Witt nämlich mit „Neumond“ dem Ohr zumutet, grenzt an Körperverletzung und ist in jedem Falle Zeitverschwendung. Der Goldene Reiter ist lange her, die Neuerfindung Ende der 90er mit „Bayreuth Eins“ ebenfalls. Danach kam noch viel, aber selten Gutes. So auch hier. Übelste Schlagersynthies, die selbst Helene Fischer als zu abgedroschen abgelehnt hätte. Und obendrauf der Herbergsvater mit unterirdisch schwülstigen Pathostexten. Finger weg von diesem Album!

Jetzt Hundred Waters oder andere dieser Alben bei Amazon bestellen/herunterladen:
Zu Amazon

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

- Anzeige -
Consent Management Platform von Real Cookie Banner