Wir wollen die gute, alte Tradition der monatlichen Rückblicke mal wieder aufleben lassen. Gute Vorsätze und so. Der Januar 2023 brachte uns neue Alben von Iggy Pop, Billy Nomates, Tüsn, Liela Moss, Ladytron, The Murder Capital, Agar Agar und John Cale.
Den schwungvollen Auftakt ins Musikjahr 2023 macht Iggy Pop. Bei dem unermüdlichen 75-jährigen weiß man ja nie so genau, wohin die Reise gerade geht. Rock, Pop, Jazz, cooles Crooning, lautes Geschrei. Auf „Every Loser“ lässt er es mal wieder ordentlich krachen. Schart eine Allstarband zwischen Guns N‘ Roses und Red Hot Chili Peppers um sich und hat nach drei Takten den Oberkörper frei. Manchmal etwas altbacken produziert, aber auch mit einigen echten Hits. Anspieltipps: Strung Out Johnny, Comments
Billy Nomates reihte sich mit ihrem Debüt 2020 in die wachsende Phalanx moderner Post-Punk-Acts, vorwiegend aus Großbritannien (und Irland), ein. Trocken produziert, mit viel Wut im Bauch. Auf „Cacti“ fügt sie dem jetzt eine gehörige Portion Pop hinzu. Mit mehr Melodien. Mit mehr Elektronik. Und es wird auch mehr gesungen als sprechgesungen. Das wird mancher Purist nicht so mögen, andere werden sie jetzt erst entdecken. Anspieltipps: Balance Is Gone, Blue Bones (Deathwish)
Der Rezensent hat Tüsn damals bei einem Newcomer-Festival in einem kleinen Berliner Club gesehen und wartet seitdem auf deren großen Durchbruch. Das Debütalbum hatte dann neben den erhofften Höhepunkten leider auch einige Ausfälle, der Nachfolger sogar eher Letzteres, aber mit „Am Ende bleibt dir nichts“ geht es jetzt musikalisch deutlich bergauf. Schmissiger, unpeinlicher Indiepop mit deutschen Texten, davon gibt es gar nicht so viel. Anspieltipps: Ruinieren wir uns heile, Am Ende bleibt dir nichts
Liela Moss hat namhafte Gäste auf ihrem dritten Soloalbum: Gary Numan, Jehnny Beth (die u. a. auch schon mit den Herren Albarn, Gallagher, Trentemøller oder Gillespie gearbeitet hat), Dhani Harrison (ja, der Sohn von George). Das allein macht „Internal Working Model“ noch nicht zu einer guten Platte. Die überzeugenden Songs, Moss‘ prägnanter Gesang und der vielseitige Synthie-Rock jedoch schon. Anspieltipps: WOO (No One’s Awake), Vanishing Shadows
Den Titel Album des Monats erobern sich Ladytron mit „Time’s Arrow“. Die Rezension könnt ihr hier nachlesen. Anspieltipps: City Of Angels, The Dreamers
Jenem in Klasse nicht nachstehend, musikalisch aber ganz anders gelagert, präsentieren sich The Murder Capital mit ihrem zweiten Album in Hochform. Die Iren haben sich in die Champions League der modernen Post-Punker gespielt und laden den Hörer mit „Gigi’s Recovery“ erneut auf eine intensive Reise durch seelische Abgründe ein. Es geht etwas eingängiger zu als auf dem rauen Debüt, auch der Gesang ist zugänglicher geworden, aber der alte Freund, die Dunkelheit, regiert nach wie vor. Anspieltipps: Return My Head, The Stars Will Leave Their Stage
Clara Cappagli and Armand Bultheel haben vor ein paar Jahren mit ihrem Debütalbum die Anhänger spleenigen Synthiepops überzeugt. Auf „Player Non Player“ bleiben Agar Agar sich treu und probieren alles aus, was die analogen Geräte hergeben. Das ist moderner Electropop mit Einflüssen aus 80ern und 90ern. Zwischen verträumten Melodien und Retrogameratmosphäre. Anspieltipps: The Visit, Fake Names
Wenn wir die Runde schon mit einem sportlichen 75-jährigen eröffnet haben, können wir ruhig zum Abschluss noch fünf Jahre drauflegen. John Cale hat in den 60ern The Velvet Underground mitgegründet, das Bratschenspiel revolutioniert und über die Jahrzehnte immer wieder mit unerwarteten Experimenten begeistert. Und der Waliser ist immer noch am Puls der Zeit, wie „Mercy“ beweist. Da sind mit Laurel Halo, Actress, Weyes Blood, Sylvan Esso, Animal Collective, Fat White Family und Tei Shi unterschiedlichste Künstler:innen beteiligt, und der stark elektronisch geprägte Sound entwickelt auf Dauer seinen ganz eigenen Sog. Anspieltipps: Time Stands Still, I Know You’re Happy
„Agar Agar, The Murder Capital oder andere dieser Alben“ kaufen: