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Portishead – Third (Rezension+Verlosung)

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Konsequenz. Charakterstärke. Genialität. Haltung. Mut. Seltsamkeit. Widerspenstigkeit. Zerbrechlickeit. Kälte. Wärme. Intensität. Portishead. Third.

Eine halbe Ewigkeit hat es gedauert, dieses dritte (reguläre) Album des Trios aus Portishead bei Bristol. Über 10 Jahre. 1994 veränderte das düster-schleppende Meisterwerk „Dummy“ die musikalische Welt. Zusammen mit Massive Attack (und ein paar anderen) erfanden Portishead ein fast völlig neues Genre, von Kritikern schnell als TripHop bezeichnet, während Portishead-Soundmeister Geoff Barrow eher die Bezeichnung „Elektronik mit menschlichem Antlitz“ bevorzugt. 1997 folgte das zweite, selbstbetitelte Album, noch düsterer, noch schleppender, 1998 das tolle Live-Album „PNYC“. Und dann nichts mehr. Einzig ein starkes Soloalbum von Sängerin Beth Gibbons („Out Of Season“, 2002, mit Talk Talks Paul Webb aka Rustin‘ Man) und einzelne Kleinigkeiten wie Remixe und ein Tributsamplerbeitrag. Vor drei Jahren dann wieder ein Liveauftritt (mit Massive Attack) mit der noch recht unbestimmten Ankündigung neuen Materials. Doch dann dauerte und dauerte es wieder. Sie sind halt Perfektionisten, Beth Gibbons, Geoff Barrow und Adrian Utley.

Doch jetzt ist es da, schlicht „Third“ betitelt und es hinterlässt den Hörer schon im ersten Durchlauf völlig geplättet. Man hört jedem Ton an, wie viel Arbeit in diese knapp 50 Minuten investiert wurde. Hörgewohnheiten werden gezielt torpediert, Stile tauchen auf, verschwinden wieder, wechseln sich ab und verändern sich zu neuen Stilen. Verstörende Klänge stellen einem zunächst die Nackenhaare auf (und bescheren später Gänsehaut). Man setzt sich besser erst einmal ruhig hin, atmet durch, beruhigt die Nerven und wagt den nächsten Hördurchlauf, nun mit mehr Auge, nein Ohr, fürs Detail.

Mit „Silence“ geht es los, portugiesisch gesprochene Worte als Intro, hinterher Tribal Drums, seltsame Gitarren, düstere Streichersounds, die sofort wieder die Nähe Portisheads zum Film Noir verdeutlichen. Nach mehr als zwei Minuten ein Break und endlich setzt Beth Gibbons‘ unverkennbare Stimme an, zerbrechlich, verzweifelt und doch kraftvoll. Plötzlich, nach fünf Minuten endet der Song abrupt (beim ersten Hören erschreckt man sich und rätselt, ob da etwas an CD oder Anlage kaputt ist). „Hunter“ beginnt als folkiges Gitarrenstück mit langsamem Gesang, der irgendwann von komischen, irgendwie außerirdischen Sounds gestört wird, sich aber wieder fängt. „Nylon Smile“ hat wieder mehr Drums, hintergründig wabern jedoch erneut seltsame Klänge umher. Danach ein wunderschöner Höhepunkt: „The Rip“ kommt dem Pop doch noch nahe. Zur Akustikgitarre singt Beth Gibbons einfach ein zauberhaftes Lied. Zunächst. Nach der Hälfte übernehmen dann verwunschene Sounds und ein (elektrisch verstärktes?) Fagott und treiben den Song an ein ganz anderes Ende. „Plastic“ klingt darauf wie ein von Helikoptern attackierter und von Maschinen gebauter Albtraum, in dem sich eine Stimme immer wieder hervorkämpft, die am Ende aber doch unterliegt. Es folgt das industriell getriebene „We Carry On„, bei dem trockene Drums und vor allem die zwischendurch gespielten, verzerrten Gitarren an Joy Division erinnern. Vielleicht hätten die mal so ähnlich geklungen, gäbe es sie noch?

Kurz Luftholen, für eineinhalb Minuten, das schlichte „Deep Water“ gibt die Gelegenheit bei Ukulele und 20er-Jahre-Gesang. Aber, wie hinterhältig, danach wirken die harten Industrial-Sounds des umwerfenden „Machine Gun“ um so bedrohlicher. Was für ein Stück Wahnsinn! Und das koppeln die als Single aus! Hut ab! Ein kaputtes Stück Musik, das gegen Ende hin komplett die Maschinen übernehmen lässt. Blade Runner lebt! Bei „Small“ beruhigt sich alles wieder etwas, sehr schöner Gesang dominiert, bevor Orgel und Space-Sounds ab der Mitte das Stück plötzlich tief in den Krautrock der 70er entführen (Notiz für mich: Endlich mal die alten Can-Sachen hören!). Die letzten beiden Stücke warten dann mit einem Gastauftritt von Goldfrapps Will Gregory am Saxofon auf. „Magic Doors“ gibt fast ein ‚klassisches‘ Stück Portishead ab, schleppend, düster-schön. Zum Schluss lässt „Threads“ den Hörer passenderweise keineswegs mit einer Ballade aus dem Album entfleuchen, sondern bietet noch einmal rockige, leicht krautige Klänge. Ganz am Ende legt das Raumschiff Portishead mit Nebelhörnern in die ungewisse Zukunft ab.

Man hätte es auch kürzer schreiben können: Meisterwerk. Eines der wichtigsten Alben der letzten 10 Jahre. Hören! Nochmal Hören! Und dann nochmal Hören!

(Addison)

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www.portishead.co.uk
www.portishead.de

Thomas Bästlein

Thomas Bästlein schreibt (früher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 für depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im öffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

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