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Polarkreis 18 – The Colour Of Snow

polarkreis_snowIm Winter 2007 geschah es, dass vom schรถnen Dresden her ein warmer Eisregen voller Talent und Innovationsmut auf die deutsche Musiklandschaft herabfiel. Wie sie so ist, bemerkte dieses trรคge Wesen den Niederschlag nur in Randgebieten. Wenn man jedoch die aktuellen Singlecharts zum MaรŸstab nimmt (was an dieser Stelle ja รคuรŸerst selten geschieht), so scheint dies nun anders zu werden. Die zweite Welle dieses wundervollen musikalischen Naturereignisses kรถnnte deutlich ergiebiger einschlagen.

Vorerst genug metaphert, wir haben noch genug Text vor uns. Fรผnf Jungs aus Dresden – Felix Rรคuber, Philipp Makolis, Christian Grochau, Uwe Pasora und Bernhard Wenzel. Zum Teil seit Schรผlerbandzeiten zusammen unterwegs. Musikalisch (aus)gebildet und mit einer beachtlichen Scheuklappenlosigkeit gesegnet. Synthesizer, (Post-)Rock, klassische Musik – das lรคsst sich doch miteinander verbinden. Zu einem vรถllig eigenen Stilmix, รผber den sich Felixโ€™ auรŸerirdische Stimme in mitunter unglaubliche Hรถhen schwingt.

Das selbstbetitelte Debรผtalbum brachte dann auch Vergleiche mit so unterschiedlichen Kรผnstlern wie Radiohead, Sigur Ros, Muse oder The Notwist ein und warf mit dem grandiosen โ€œDreamdancerโ€ und โ€œSomedays Sundaysโ€ auch zwei Achtungshits ab. Dazu kamen gefeierte Liveauftritte, mal mit Streicherbegleitung, mal in fast klassischem Rock-Lineup (aber doch noch mit Keyboard).

Nun sind sie bei der groรŸen Plattenfirma gelandet, die Single โ€œAllein Alleinโ€ (inklusive deutschsprachigen Chorrefrains) lรคuft im Abspann eines Kinofilms (โ€œKrabatโ€œ, kann man sich รผbrigens ruhig ansehen) und bei diversen TV-Sendern, schon ist die Geschmackspolizei alarmiert (online in diversen Foren nachzulesen). Jetzt auch noch dieser Chartseinstieg, auf Platz 8, Hut ab! Die sind klar unten durch. Oder?

Natรผrlich nicht. Herrgottnochmal! Kommt runter vom schwarz-weiรŸ-gescheckten Ross! Hier geht eine รคuรŸerst talentierte Band einfach weiter ihren Weg. Und dieses Album klingt kaum, als hรคtte sie sich bislang fรผr den Markt verbiegen mรผssen. Klar, โ€œThe Colour Of Snowโ€ hรถrt man das hรถhere Produktionsbudget an – das Filmorchester Babelsberg kann sich nicht jeder leisten. Und Mario Thaler nebst seinem Weilheimer Studio (The Notwist) gehรถrt in Deutschland auch zum Besten, was als Produzent gewonnen werden kann, zumal er nicht allein an den Reglern stand.

Aber trotzdem ist es keineswegs so, dass stapelweise weitere Hits wie die erste Single geschraubt worden wรคren. Mit diesem geraden Beat und diesem schlichten, aber auch so heftig eingรคngigen Refrain. Nein, da kรถnnen Fans des Debรผts aufatmen. Es bleiben genug Stรผcke, die entdeckt werden wollen. Als weitere dancefloortaugliche Single bietet sich allenfalls noch der Titelsong an. Der ist allerdings auch ein elektronischer Ohrwurm erster Kajรผte. Und etwas fรผr die Freunde musikhistorischer Verschwรถrungstheorien (die Experten aus dem DM-Forum wissen Bescheid ;-) ): Der Rezensent hรถrt kurz vor dem Refrain eine Spur John Farnham (โ€œYouโ€™re The Voiceโ€) und im Refrain selbst dann Madonna (โ€œThe Power Of Good-Byeโ€, vielleicht ihr groรŸartigster Song รผberhaupt).

Nur ein Stรผck ist noch รคhnlich beatlastig, das fast schon trance-artige โ€œRainhouseโ€, welches aber in der zweiten Hรคlfte mit einem rockigen Break รผberrascht. Bei vielen Songs wechseln sich ruhige Momente mit Gefรผhlsausbrรผchen ab, zum Beispiel bei โ€œName On My IDโ€ oder im Opener โ€œTouristโ€. Hier zeigt sich auch der auf dem Album mehrfach gebrauchte Wechsel zwischen englischer (รผberwiegend) und deutscher (vereinzelt) Sprache. Die Fantasiesprache, die auf dem Debรผt hin und wieder auftauchte, hat sich vorerst erledigt. รœbrigens lauten die deutschen Sรคtze der ersten drei Songs: โ€œWir kommen nirgendwo anโ€ฆโ€, โ€œWir sind allein, alleinโ€ฆโ€ und โ€œWann hรถrt das aufโ€ฆ?โ€ (auf dem toll orchestrierten und dann schrรคg groovenden โ€œPrisonerโ€). Trรคgt irgendwie zur leicht dรผsteren Atmosphรคre bei.

Ansonsten gibt es einige sehr ruhige Songs, die von den meisterlich arrangierten Streichern leben. Hier bietet sich das epische โ€œRiver Loves The Oceanโ€ mit seinem vertrรคumten Falsettgesang zu Piano, Harfe, Streichern und engelsgleichen Chรถren fรผr weitere Filmmusikauftrรคge an, ein dรผsterer Mรคrchenfilm von Tim Burton wรคre passend. Oder das getragene und wunderschรถn gesungene โ€œHeart Of A Manโ€ (Weihnachtssinglekandidat, liebe Plattenfirmensingleverkรคufermarketingexperten!). Ganz dicke Streicher fรคhrt schlieรŸlich das Finale โ€œHappy Go Luckyโ€ auf. Das „Goodnight Lovers“ dieser Platte, vielleicht.

โ€œThe Colour Of Snowโ€ von Polarkreis 18 wird sicher nicht jedem zusagen. Aber womรถglich รผberraschend vielen. Und das wรคre mal eine gute Nachricht fรผr die Musikszene. So vielseitige Werke gibt es hierzulande selten. Wie schon die Innuit sagten: Es gibt unglaublich viele Wรถrter fรผr Schnee. Und die Farben erst!

(Addison)

P.S. Polarkreis 18 live: 25.11. Potsdam, 26.11. Hamburg, 29.11. Kรถln, 01.12. Leipzig, 02.12. Mรผnchen, 03.12. Innsbruck, 05.12. Wien

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www.polarkreis18.de
www.myspace.com/polarkreis18

Thomas Bรคstlein

Thomas Bรคstlein schreibt (frรผher unter dem Spitznamen Addison) seit Anfang 2007 fรผr depechemode.de. Hauptberuflich arbeitet er im รถffentlichen Dienst. Du kannst Thomas online bei Facebook treffen.

1 Kommentar

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  1. Das Album ist wirklich klasse. Nur River loves the ocean kann man wirklich nur aus der CD kratzen, das geht gar nicht.

Die Kommentare sind geschlossen.

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