Erst überraschte das kleine, feine Debüt, das viele Menschen über die Zeit sehr lieb gewannen. Dann der Nachfolger, wieder ein sehr gutes Album, mit einem Nr.-1-Hit drauf, den nun wirklich alle mitpfeifen können. Und nun: Quo vadis, Polarkreis 18?
Die Fünf aus Dresden, die mittlerweile übrigens zu sechst sind, haben ihren ganz eigenen Stil. Das war beim tollen namenlosen Debüt so, wer Vergleiche mit Radiohead, Sigur Ros oder The Notwist auslöst, muss etwas richtig gemacht haben. Waren das schräge Sounds und Stimmausbrüche „damals“, vor reichlich drei Jahren! Es folgte „Allein Allein“ und wurde zu einer der meistverkauften, meistgeliebten (und sicher auch -gehassten) Singles 2008. Das Album „The Colour Of Snow“ bot zwar einiges mehr an Produktionsmitteln auf, hatte aber neben dem ohnehin reichlich vorhandenen Talent genügend Herz und Leidenschaft, um wiederum vollends zu überzeugen.
Nun geht man den dort eingeschlagenen Weg mehrere Schritte weiter und – so sehr es schmerzt, das bei einer Band zu schreiben, die man sehr schätzt – rutscht leider mehrfach über die Kitschgrenze. Das kann auch am Produzentenwechsel liegen. Vorher förderte Mario Thaler die Zurückhaltung der Weilheimer Schule und die kleinen, feinen Elektrospielereien, während Sven Helbig (der ja u.a. schon erfolgreich mit den Pet Shop Boys und Rammstein zusammenarbeitete) sich um die Streicherparts des Filmorchesters Babelsberg kümmerte. Nun ist Helbig jedoch Hauptproduzent. Und obwohl die Babelsberger Streicher natürlich einen nach wie vor tollen Job abliefern, hat man den Eindruck, Helbig hat einiges zu viel an Kleister in die Ecken geschmiert.
Dazu kommt gerade in der ersten Hälfte des Albums der Hang, das Erfolgsrezept mit allzu schlichten Mitteln zu wiederholen. Eingängige Melodie (ja, die kann man zum Glück immer noch), gerader Beat, Streicher dazu, ab in die Mikrowelle. Die Vorabsingle „Unendliche Sinfonie“ wirkte bei aller Ohrwurmtauglichkeit schon recht platt, der Titelsong schlägt in die gleiche Kerbe, und für „Deine Liebe“ müssten Felix Räuber und seine Kollegen mit einer mehrtägigen DSDS-Beschallung bestraft werden. Auch die hübsche Fantasiesprache der Vorgänger vermisst man, denn beim nun durchgehend verwendeten Denglisch versteht man alles – und die Texte taugen leider mitunter nicht so viel.
So, durchpusten. Der Frust ist raus, jetzt wollen wir doch noch loben. Ab der Mitte – so etwa ab „Evergreen“ – wendet sich das Blatt doch noch. Die Songs nehmen sich etwas zurück, biegen in der Kürze, die ihnen bei der gezwungen radiotauglich wirkenden Spieldauer bleibt, auch mal auf eine verschneite Nebenstraße ab. „Letting Go“ gönnt sich endlich einen lauten, fast schon zornigen Ausbruch, und „Sleep Rocket“ ist der eigentlich gute Hit des Albums, dynamisch, mitreißend, spannend. Bei „Dark And Grey“ klingeln die Synthies so schön, und das finale „Elegie“ ist, genau, herrlich elegisch und lässt die Klassik von Schuberts Winterreise (die ja von der Band als Hauptinspiration genannt wird) aufleben.
Es gibt sie immer wieder, diese Alben, die man nicht so richtig toll findet, bei denen man aber schließlich feststellt, dass man sie überraschend oft und gern (wenn auch vielleicht eher nebenbei) hört. Das könnte hier passieren, trotzdem hoffen wir bei Polarkreis 18 in der Zukunft wieder auf mehr Mut, die Ecken kantig zu lassen.
(Addison)
P.S. Polarkreis 18 live: 17.12. Dresden, 26.03. Erfurt, 27.03. Leipzig, 29.03. Erlangen, 30.03. Wien, 01.04. Zürich, 02.04. Bern, 04.04. Köln, 05.04. München, 06.04. Kaiserslautern
Polarkreis 18 – Unendliche Sinfonie from Polarkreis 18 on Vimeo.
@ Lisa
Dann hätte es sich vernünftig angehört. Ich weiß, dass sich das voreingenommen anhört aber so sehe ich das nun einmal.
unendliche Sinfonie hätte auch unter Pet Shop Boys veröffentlicht werden können .. hmmm