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Im Interview

LOTOS: „Unser Konzert wurde von der FDJ aus Angst vor Tumulten verboten“

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Depeche-Mode-Coverbands gibt es viele. Da gibt es gute, schlechte, diejenigen, die einen perfekten Dave-Gahan-Verschnitt mit zackigem Hüftschwung haben, die anderen die sich einer bestimmten Zeit verschrieben haben und es gibt LOTOS, die wohl als eine der am längsten existierenden Coverbands gelten dürften. Kindern der DDR dürfte die Band noch ein Begriff sein, waren sie doch die bekannteste Coverband im Osten und sogar mit Eigenkompositionen in den Charts vertreten. Wir haben mal nachgefragt, wie es so als DM-Coverband in der DDR war und wann beschlossen wurde nach dem Aus Anfang der 90er wieder aufzutreten. Lest selbst!

Hallo Jungs, LOTOS gelten und galten als DIE Depeche-Mode Coverband der DDR. Und seit gar nicht allzu langer Zeit seid ihr zurück auf der Bühne. Erzähl uns doch mal wie es zur Bandgründung kam.
Die Band entstand 1981 aus der Gruppe KROKODIL. Auf den Namen LOTOS sind wir gekommen, weil zu dieser Zeit die Entwicklung von Synthesizern, Sequenzern, Rhythmuscomputern und Samplern revolutionär war und diese Instrumente größtenteils aus Japan kamen. Der japanische Schriftzug in unserem Logo bedeutet übrigens „Lotosblüte“ und wurde im Original von einer Japanerin für uns mit einem Pinsel auf Pergament gemalt. Das Original habe ich auch nach all den Jahren noch.

Wie war es damals in der DDR Musik dieser Art zu machen? Und wie seid ihr auf die Idee gekommen Depeche Mode zu covern?
Anfangs haben wir Kraftwerk, Jean Michel Jarre, Supermax, Alphaville und gängige Popmusik nachgespielt. Wir hatten noch keinen richtigen Plan, wo es musikalisch eigentlich hingehen sollte. Dann sind wir durch Zufall auf Depeche Mode gestoßen und haben „Master and Servant“ und „The Sun and the Rainfall“ gespielt, ohne die Band vorher genau zu kennen oder bei uns hier „im Tal der Ahnungslosen in Dresden“ je gesehen zu haben.

„Tal der Ahnungslosen“ klingt jetzt fast schon ein bisschen böse. Gab es denn noch mehr solcher Kosenamen?
Das Publikum wurde „die Schwarzkittel“ genannt und weil die so auf unsere Depeche-Cover abfuhren, haben wir uns intensiver mit der Band beschäftigt und Song – und Textmaterial besorgt. So kam dann ein Titel nach dem anderen in unser Programm und unsere Fan-Gemeinde vermehrte sich.

Welche Schaffensperiode in der langen Bandgeschichte von Depeche Mode ist eure Lieblingsperiode?
Unsere Lieblingsperiode von DM liegt in der Zeit von „Black Celebration“ und „Violator“. Natürlich gibt es auch geile Songs davor und danach (lachen).

Wie kam man denn an Songmaterial und auch an die notwendige Technik, die Alben, Poster etc? Gab es in der ehemaligen DDR eine Szene wie heute oder wie könnte man die damaligen Fans besser beschreiben?
Das musikalische Material, sowie auch das entsprechende Instrumentarium wurde von meiner Westverwandschaft besorgt. Wir waren damals mit den neusten Synthesizern und Samplern gut bestückt, sodaß wir den Sound von DM auch glaubhaft covern konnten. 1984 kam dann auch noch ein Computer Atari 1040 mit Sofware Notator und Creator dazu. Ich weiß, dass uns die Fans geliebt haben für diese Musik. Es gab auch mehrere LOTOS-Fanclubs in der DDR. Nach einigen Umbesetzungen, wegen Auswanderung in Richtung Westen, kam 1987 George als neuer Sänger zur Band, da Dieter, dem damaligen Sänger, die Arbeit als Musiker und Organisator zu viel wurde. Damals wurden zwischen 20 bis 25 Gigs im Monat gespielt.

Klingt nach ziemlich viel Arbeit. Was war denn euer liebstes, emotionalstes oder gar lustigstes Konzerterlebnis in der DDR?
Der musikalische Höhepunkt liegt wahrscheinlich im Juni zum Pfingstentreffen 1989 in Berlin auf dem Alex. Da waren auch 10.000 Leute da. Unser letztes Konzert wurde alledings von der FDJ verboten, weil man Massentumulte fürchtete. Zu diesem Zeitpunkt waren wir auch an einer Plattenproduktion bei AMIGA dran, da ja bereits einige unserer Titel wie „Domino“, Fräulein Frankenstein“,“Twisted Live“ und „Need a Girl“ in allen Charts liefen und zum Teil die ersten  Plätze belegten. Dann kam der große Knall und AMIGA hatte eigene Probleme und man verwies uns an Decca oder EMI, die uns natürlich nicht kannten und kein Interesse zeigten.

Klingt ziemlich ernüchternd.
Ja, das stimmt schon. Obwohl wir nach dem Mauerfall Gelegenheit hatten, mit Culture Club, Alphaville oder Blue System zu spielen, brachen viele Veranstaltungen weg. Also mußten wir uns jeder ein zweites Standbein suchen, um zu überleben.  Musik allein funktionierte nicht mehr. Im Juni 1992 war dann das Ende.

Du hast ja das Ende im Juni 1992 gerade erwähnt: Wie kam es zustande, dass ihr nach langer Pause wieder musikalisch aktiv seid und was hat sich seitdem verändert – gerade in Bezug auf eigene Songs und ein eigenes Album.
Eigentlich hat uns ein ehemaliger Jugendklubleiter aus Zwickau wieder reanimiert. Wir sollten zum 40. Jubiläum des Stadtteiles Zwickau-Planitz spielen. Wir hielten es nach der langen Pause erst mal für Wahnsinn, aber wir hatten auch Lust wieder Musik zu machen. Also sind wir es angegangen. Es wurden wieder analoge Synthesizer angeschafft, diesmal allerdings die Flaggschiffe, weil wir es uns inzwischen leisten konnten und keinen Umtauschkurs mehr abdrücken mußten (lacht). Ziel: Es sollte der fette, analoge Sound von damals sein! Und weil du nach einem Album gefragt hast: Es gibt von uns eine EP, gemischt mit 5 Titeln von damals und heute. Wir arbeiten auch weiter an neuen Songs.

Kennt ihr andere Coverbands und steht ihr ggf. in gemeinsamen Kontakt? ( z.B. Forced to Mode etc). Was unterscheidet euch von all den anderen Coverbands?
Natürlich haben wir uns auch umgeschaut, was es inzwischen für Depeche Mode Coverbands gibt. Allerdings hatten wir noch nie Kontakt zueinander. Kann sich ja noch ändern (lachen). Ich glaube, der Unterschied zu anderen Coverbands ist zum einen, daß wir mit Sicherheit die Dienstältesten sind und daß wir nicht nur covern, sondern auch eigene Songs schreiben.

Habt ihr schon mal an einem Dave-Dancing Wettbewerb teilgenommen?
Nein, haben wir nicht.

Hand aufs Herz: Wer von euch hatte enge weiße Jeans (lacht)?
Keiner von uns hatte enge weiße Jeans. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir damals schon DM gecovert haben, ohne sie je vorher gesehen zu haben.

Ihr spielt am Samstag mit VERSUS. André (Sänger von VERSUS) nennt euch als eine Band seiner Kindheit. Kennt ihr euch persönlich?
Ich kenne André persönlich und wir werden gemeinsam am Samstag, den 24.10.2015 in Radebeul auf der Bühne stehen (Anmerkung: Infos zur Veranstaltung gibt es hier) Ich bin gespannt, wer noch alles kommen wird, es sind ja doch recht viele Veranstaltungen in der näheren Umgebung. Wir hoffen trotzdem auf eine rege Beteiligung der LOTOS und VERSUS-Fans und natürlich von allen Tanzwütigen und freuen uns auf einen bunten Abend.

Josie Leopold

Ich bin die kleine Schnatterschnute vom Dienst: bunt, glitzernd, voller verrückter Ideen. Wenn ich nicht gerade Interviews führe, Beiträge verfasse oder versuche Wordpress davon zu überzeugen doch bitte nett mit mir zu sein, versuche ich die Welt ein bisschen besser und bunter zu machen.

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