Mit diesem Album ist es so eine seltsame Geschichte. Eigentlich ist es bereits eineinhalb Jahre alt, und eigentlich mag man doch denken, gerade in Deutschland gรคbe es dank der zahlreichen Anhรคnger des Elektronischen fรผr diese Musik eine groรe Zielgruppe. Trotzdem erscheint das dritte Album der britischen Electroclasher mit bulgarischem Einschlag hier erst jetzt. Verstehe das, wer will, wir wenden uns lieber der Musik selbst zu.
Ladytron hatten schon auf dem hochgelobten Debรผt „604“ von 2001 einen groรen Hit, wer erinnert sich nicht gern an das „Playgirl„? Damit bescherten sie dieser Art der poppigen, klar an den 80ern orientierten elektronischen Musik zusammen mit Bands wie Fischerspooner und Zoot Woman (spรคter auch Client) ein รผberraschendes Comeback und kรถnnen somit als Mitauslรถser der Retro-Welle gesehen werden (obwohl sie jegliche Rรผckwรคrtsgewandheit immer abstritten). 2003 folgte dann „Light & Magic„, das noch klinischer-dunkleren Sound zelebrierte und mit „Seventeen“ mindestens einen weiteren Hit abwarf. Warum das Ende 2005 fertig gestellte Folgealbum erst jetzt auรerhalb Englands verรถffentlicht wird… in die Streitigkeiten der Band mit ihrem damaligen Label wollen wir uns lieber nicht hineindenken mรผssen.
An den musikalischen Qualitรคten des Werkes liegt es jedenfalls nicht. Die Herren Reuben Wu und Daniel Hunt haben wieder atmosphรคrisch-dรผstere Sounds kreiert, die Damen Helen Marnie und Mira Aroyo bieten die dazu passende Mischung aus Melancholie und Unterkรผhltheit am Mikrofon. Es gibt allerdings durchaus einige รnderungen im Klang festzustellen, so hat das verstรคrkte Touren nach Album Zwei sich hinsichtlich der Live-Spielbarkeit ausgewirkt. Somit kommt hier und da verstรคrkt die Gitarre zum Einsatz, aber keine Sorge: Sie stellt im Ladytron-Klangkosmos keinen Fremdkรถrper dar und bratzt keineswegs vordergrรผndig die Stimmung kaputt. Nein, sie unterstรผtzt stattdessen die Dynamik der รผberwiegend sehr poppigen Songs. Auch hier sind Vergleiche zur Entwicklung von Client wohl durchaus angebracht. Alles klingt ein wenig moderner, ohne die Vorlagen zu verleugnen.
Zu den Songs: Los geht’s gleich mit zwei astreinen Hits. Das pumpende „High Rise“ gibt ordentlich Gas und macht ganz schรถn Krach. Ein Donnerwetter zum Auftakt. Danach entspannt sich die Seele wieder, die Single „Destroy Everything You Touch“ ist einfach ein wunderbarer Popsong. „International Dateline“ ist klassischer Ladytron-Sound pur, ebenso das verwunschene „Soft Power„. Nach einem schรถnen, ebenfalls fรผr die Band typischen, elektronischen Interlude, geht es bei „AMTV“ und vor allem „Sugar“ erheblich rockiger zur Sache. Da staunt man dann doch kurz, das kannte man so bislang nicht von ihnen. Auf „Fighting In Built Up Areas“ erteilt Frau Aroyo wie auf jedem Album bisher eine Lektion in Bulgarisch, bevor „The Last One Standing“ wieder angenehm-vertrรคumten Electro-Pop bietet. „Weekend“ reiht sich wieder in die rockigeren Bereiche ein, wohingegen das sanft-vertrรคumte „Beauty*2“ seinem Namen alle Ehre macht. Mit dem „Whitelightgenerator“ schwebt das Album dem Ende entgegen, wo „All The Way…“ einen gefรผhlvoll-getragenen Abschluss bildet.
Das Album erscheint mit einer Bonus-CD, die immerhin drei weitere Songs und fรผnf Remixe (stark: Der James Iha Mix von „Weekend“) enthรคlt.
Mit „Witching Hour“ ist Ladytron ein starkes Drittwerk gelungen, das in punkto Eingรคngigkeit seine Vorgรคnger noch รผberflรผgelt und neue Facetten der Band zeigt, ohne die alten Stรคrken zu vergessen. Vielleicht gelingt es ihnen endlich auch hierzulande, an die Erfolge in UK und USA anzuknรผpfen. Kaufempfehlung!
Anspieltipps: „High Rise„, „Destroy Everything You Touch„, „International Dateline„, „Beauty*2„.
(Addison)
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