Das neue Album der Hundreds haben wir ja bereits ausgiebig gewürdigt und zur CD des Monats gekürt. Jetzt, wo die Band zur zweiten Tourhälfte wieder in Deutschland weilt, ist es an der Zeit, sie ein paar Fragen beantworten zu lassen. Und einen Download gibt es obendrauf!
Wir ziehen die Wurzeln aus Hundreds, sozusagen – zehn Fragen zu zehn Songs. Philipp Milner hat sie beantwortet:
1. „Aftermath“ gibt zu Beginn gleich sehr schön den Stil des Albums vor. Mehr organische Sounds, zugleich aber auch weiterhin viel Elektronik. Waren Richtung und Soundbild von vornherein klar, oder hat sich das erst im Laufe der Aufnahmen herauskristallisiert?
Unsere Vorgabe war zunächst, Songs zu schreiben, die auch nur mit Stimme und Harmonieinstrument funktionieren sollten. Das Finden des Klanggewands ist, wie das Songschreiben, ein Prozess mit offenem Ausgang. Es gibt tatsächlich keinen typischen Weg für uns. Wir brauchen zu Beginn aber immer etwas, einen Sound, ein Geräusch, ein Motiv, zu dem man wieder zurückkommen kann, wenn man sich mal verrannt haben sollte. Etwas, wovon man überzeugt ist, dass es besonders ist. Vor Beginn hatte ich viele Ideen, wie ich die Musik klanglich umsetzen wollte. Z.B. hatte ich die Idee, das ganze Album nur mit Tönen, ohne reine Geräusche, wie einer White-Noise-Snare, umzusetzen. Das ist nur eine von vielen Ideen, die ich verwerfen musste, als es daran ging die Songs zu produzieren. Vielleicht müsste man mit einer solchen Vision einfach beginnen, ohne dass es schon eine Komposition gibt.
2. Der Anfang von „Circus“ erinnert ja schon ein wenig an die „Twin Peaks“-Melodie. Wer von euch ist David-Lynch-Fan, und habt ihr generell schon mal über Soundtrackarbeiten nachgedacht (was sich bei eurem oft cineastischen Sound durchaus anbieten würde)?
Gute Filmmusik kann mich zutiefst beeindrucken. Ich liebe es, von der Abspannmusik eines guten Films, gegen den Impuls aufzustehen, zurück in den Kinositz gedrückt zu werden und die Musik bis zum letzten Ton auszukosten. Twin Peaks kannte ich – man möge es mit glauben oder nicht – vorher nicht. Unser Label hat uns erst darauf aufmerksam gemacht. Ich habe danach mit dem Schauen der Serie angefangen; ich bin zwar noch nicht besonders weit gekommen, kann mich aber mit dem angenehmen Grusel gut anfreunden. Insofern stört mich diese Assoziation kein bisschen.
3. „Ten Headed Beast“ ist ein extrem eingängiger Song. Habt ihr deswegen, sozusagen als Kontrapunkt, diese vereinzelten, etwas schrägen (als hörender Laie würde ich sagen: hübsch dissonanten) Pianotupfer eingestreut?
Diese Pianomelodie startet mit den ersten drei Tönen mit einer Tonfolge, die man schon x-fach im Ohr hatte. Das konnte man natürlich nicht so wie erwartet weiterführen. Aber für mich erzählt diese Melodie vor allem schon den Inhalt der Geschichte vorneweg.
4. Bei „Our Past“ fällt von Beginn an das markante Schlagzeug auf. Ihr geht ja jetzt auch mit Drummer auf Tour, richtig? Was ist sonst noch so geplant für die Auftritte?
Ich muss immer wieder an die Pet Shop Boys denken, die vor vielen Jahren, als man noch von Albumverkäufen leben konnte, gesagt haben, dass sie nicht live spielen wollten, weil sie so nicht ihren Sound transportieren könnten. Wenn man elektronische Musik produziert, hat man immer mit dieser Problematik zu kämpfen: Einerseits ist der gemischte Sound auf dem Album erstmal das Ideal – aber die Instrumente, die man dort hört, gibt es in natura größtenteils nicht, andererseits hat man den Anspruch nicht als Playbackshow unterwegs zu sein, wie es The Knife auf ihrer letzten Tour konsequent durchgezogen haben. So müssen wir uns auf der Bühne selbst neu erfinden, den Computer auf freundschaftliche Art mit ins Boot holen und ihm die hintergründigeren Aufgaben überlassen. Unser Drummer ist auch genauso DJ und Soundfrickler und hat direkten Eingriff ins Klangeschehen. Eigentlich müssten wir unseren Mischer mit auf die Bühne holen, denn er spielt genauso mit. Letztlich geht es uns vor allem auch darum, Spaß auf der Bühne zu haben, nur dann hat das Publikum auch welchen. Die visuelle Umsetzung spielt nach wie vor eine riesige Rolle bei uns. Hier wird genauso auf Hochtouren kreativ gearbeitet, live eingegriffen und ständig verbessert. Die zwei Visuals-Brüder und unser Lichtmann sind eine unfassbar spannende Kombination.
5. In „Foam Born“ heißt es: „I wanna feed you with poison, like family does“… muss Philipp sich jetzt Sorgen um seine Gesundheit machen, Eva? Oder, etwas ernsthafter gefragt: Woher kommen die inhaltlichen Inspirationen, was waren die wesentlichen Themen für dieses Album?
Ich denke zu den inhaltlichen Inspirationen muss Eva etwas sagen. Zu meiner eigenen Beruhigung: Den Text und Musik zu Foamborn hat Touchy Mob geschrieben, mit dem ich nicht verwandt bin.
6. Am Ende von „Interplanetary“ gelingt der Übergang zum folgenden Song besonders schön, auch die beiden Interludes passen sich geschickt in den Albumfluss ein. Wie seid ihr bei der Zusammenstellung der Trackreihenfolge vorgegangen?
Die Reihenfolge war tatsächlich ein Vorschlag von unserem Management. Die haben beim Kompilieren maßgebliche Ideen beigesteuert. Bei uns gewinnt immer die beste Idee. Als die Reihenfolge klar war, mussten nur noch die Übergänge etwas verfeinert werden. Gerade den Übergang zu Rabbits finde ich mit seiner Verdunkelung auch besonders gut.
7. „Rabbits On The Roof“ (eines meiner Lieblingsstücke) rooft, äh, ruft ja geradezu nach (weiteren) Remixen. Sind neben den Bonustracks auf der Deluxe- und Vinylversion des Albums noch weitere Veröffentlichungen (Singles, EPs, Remixe) geplant?
Es gibt einen unfassbar tollen Remix von der schwedischen Band DNKL, der bereits auf der Bonustracks-Version des Albums zu hören ist. Ich liebe ihn! Es treten immer wieder Künstler an uns heran, die uns remixen wollen, genauso fragen wir, die wir ja genauso Fans und Bewunderer sind, an andere Künstler heran und hoffen, von ihnen einen Remix zu bekommen. Konkrete Pläne für ein Remixalbum gibt es nicht. „Aftermath“ ist gerade erst erschienen, da gibt es erstmal genug zu tun.
8. Die Albumversion von „Beehive“ unterscheidet sich recht deutlich von der vorab ins Netz gestellten Prelude Version. Wie viele Fassungen von einem Song entstehen bei euch so im Schnitt?
Oh Gott, viele. Ich sage nur soviel: Von „Our Past“ gibt es eine Reggea-Version. Möge sie nie die Ohren eines Sterblichen erreichen!
9. „Please Rewind“ hat so einen eleganten TripHop-Rhythmus. Was zu der klassischen Frage führt: Wer sind eure musikalischen Einflüsse und/oder Vorbilder?
Bei dem Song gab es keine klanglichen Vorbilder. Eigentlich wurde hier die sehr eigenwillige Pianofigur mit einem Beat unterlegt, alles Weitere kam quasi von selber dazu.
10. Zum Schluss und sehr frei nach dem letzten Song des Albums: Bevor wir alle zu „Stones“ werden, wie sehen eure Pläne für die (nähere) Zukunft aus?
Wenn wir mit der Liveumsetzung fertig sind – auch wenn wir jetzt schon mit dem neuen Programm Konzerte spielen, kommen immer wieder neue Ideen und Parts dazu, andere fliegen raus, das zeigt sich erst auf der Bühne – werden wir an unserem nächsten Album weiterarbeiten, für das ich schon viele klangliche Ideen habe. Mal sehen ob sie dieses Mal gegen die Songs gewinnen.
Vielen Dank an Philipp Milner! Und nun der versprochene Download: Hier gibt es „Please Rewind“ im La Boum Fatale Remix.
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P.S. Hier nochmal die verbleibenden Tourdaten:
29.04. Osnabrück, Lagerhalle
30.04. Leipzig, Schaubühne Lindenfels
01.05. Düsseldorf, Zak
02.05. Berlin, Postbahnhof
05.05. Bremen, Schwankhalle
06.05. Rostock, Peter Weiss Haus
07.05. Hamburg, Mojo
08.05. Hannover, Faust
hundreds
Vielen Dank für eure Electro-News!!!
Dadurch hat sich meine „Best-Band-ever Liste“ um eine geniale Band The hundreds erweitert.
Hatte mir das wunderbare erste Album besorgt, welches sich mit dessen Soundteppich und der schöne Stimme in mein Hirn festsetzte. Aber auch das lang ersehnte zweite Album „Aftermath“ traf meinen Geschmack. Als ich sie Live in Offenbach 2014 sehen durfte und sie mich in ihren musikalischen Bann zogen, war es um mich geschehen. The hundreds haben einen treuen, neuen Fan!!!
Ich hoffe ihnen geht ihre Innovation und Kreativität nie aus!!