Heute legen sich bei uns auf die Hörcouch: Wilde Menschen aus München, coole Typen aus Berlin, ein Altmeister des Horrors und eine Charthoffnung aus Schweden.
Wir fangen gleich mal mit einem extrem schwer einzuordnenden Werk an. Pollyester, die Münchener Band um die mit vielseitigen Kunst- und Performanceprojekten auch sonst gut beschäftigte Frontlady Polina Lapkovskaya, entführen uns nämlich auf ihrem dritten Album in die „City Of O“ und dort ist Stilmix Trumpf.
Das groovt vom ersten Stück („Cut Diamond“) an gleich mal funky los und landet direkt danach mit dem lässigen Pop von „2328628“ im DFA-LCD-Soundsystem-Land. Auf dem nächsten Track, dem coolen „In My Boots“, gibt es dann jedoch kühlen 80er-Synthiepop. Und das war nur der Anfang des Albums, da steckt noch deutlich mehr Vielfalt drin, zwischen 70er Disco und Talking-Heads-Momenten, New Wave, Electropunk und instrumentalen Soundspielereien.
Zu Anfang können einen die vielen Richtungen, die Pollyester einschlagen, fast überfordern – und da haben wir noch gar nicht über die Ausflüge in Richtung Balkan und Mexiko gesprochen. Wer ein kohärentes Album sucht, ist hier eher verkehrt. Wer aber an einer bunten Mixtur aus spannenden Klängen interessiert ist, die zudem noch so einige fetzige Songs bietet, dem sei eine Empfehlung ausgesprochen. – 7,5 von 10 elektrischen Kunstfasern
P.S. Pollyester live: 11.03. Dresden, 12.03. Leipzig, 13.03. Kassel, 14.03. Essen, 27.+28.03. Hamburg, 27.04. Linz (Crossing All Europe Festival), 30.04. Nürnberg, 29.05. Hamburg, 13.06. Berlin (Torstraßen Festival), 27.06. Innsbruck (Das Grand Motel Festival), 16.07. Melt! Festival, 18.07. Puch Open Air Festival
Die Berliner Brüder Paul und Leo Eisenach bilden (zusammen mit Schlagzeuger Matthias Wendl und Keyboarder Oded K.dar NÖRD. In den letzten beiden Jahren hat sich die Band durch stetiges Touren schon einen Ruf als ausgezeichnete Liveband erarbeitet – was ihnen u.a. auch Supportplätze für Bosse und die Rainbirds einbrachte. Dazu gab es Kooperationen mit Oliver Koletzki und einen kompletten Film-Soundtrack.
Nun haben sie aber endlich auch ihr Debütalbum veröffentlicht. „Na und? Wir kennen euch doch auch nicht“ meldet sich schon einmal zum Kampf um den Albumtitel des Jahres an. Nach den Vorabsingles „Keine Sterne“ und „Drogen“, wobei Letzteres neben sofortiger Einprägsamkeit vor allem mit seinem Video Aufmerksamkeit erregte (siehe unten, wer all die bekannten Gesichter erkennt, bekommt ein Bienchen von uns, please comment!), beweist das Album nun, dass diese Band gekommen ist um zu bleiben.
Wer als Einflüsse Beatles, Police, Eels, elektronische Musik, Hip-Hop-Texte und Fußball nennt, hat Humor und kann schon mal kein schlechter Mensch sein. Satte Grooves, knackige Beats, funky Gitarren, einprägsame Slogans und eingängige Melodien – dieses Debüt bietet eine ganze Menge. Und aufgrund der vielen starken Momente (Tipps: „Maschinen“, „Ich breche zusammen“) kann man auch über ein paar schwächere Momente in der Albummitte hinweg sehen. – 7,5 von 10 Nerdnördpunkten
P.S. NÖRD live: 30.03. Dresden, 31.03. Leipzig, 11.04. Köln, 17.04. Berlin, 25.04. Kiel, 31.07.15 Freising (Prima Leben und Stereo Festival)
John Carpenter. Etwa der John Carpenter? Ja, genau der! „Dark Star“, „Assault On Precinct 13“, „Halloween“, „The Fog“, „Die Klapperschlange“, „The Thing“, „Christine“ – was hat der uns für großartige Filme beschert (wenn auch der letzte wirklich gute, „They live!“, leider schon knapp 27 Jahre her ist)! Und die Soundtracks dazu schrieben auch Geschichte. Doch warum reden wir an dieser Stelle davon?
Na, weil der gute Mann nun im rüstigen Alter von 67 Jahren sein Debütalbum als Musiker herausgebracht hat! Wenn wir jetzt mal die ganzen Soundtracks nicht mitzählen natürlich. Auf „Lost Themes“ vereint er nicht etwa Reste von alten Scores, sondern hat tatsächlich gemütlich zu Hause ein Album aufgenommen (zusammen mit Cody Carpenter und Daniel Davies).
Und man erkennt sofort den Stil des Horrormeisters. Viele Wiederholungen, klassische frühe Synthesizer-Sounds, bedrohlich anschwellende Dramatik. Mal getragen („Fallen“), mal richtig zackig („Domain“), hin und wieder mit Gitarren zur Erhöhung des Doom-Faktors. Sehr atmosphärisch, perfekt wäre es allerdings nur mit dem dazugehörigen Film. Warum eigentlich nicht, Jamie Lee Curtis sieht doch auch immer noch gut aus! – 7 von 10 Scream-Queens
P.S. Für die digitale Version des Albums vergeben wir ausnahmsweise noch einen Punkt mehr, denn hier gibt es noch sechs Remixe obendrauf, von so feinen Künstlern wie Zola Jesus, ohGr, JG Thirlwell u.a..
(Electro-)Pop mit weiblicher Stimme aus Nordeuropa? Da fallen einem ja mittlerweile bald ein Dutzend Namen ein (Robyn, Susanne Sundfør, Karin Park, Lykke Li, Fever Ray und viele weitere). Ist da überhaupt noch ein Plätzchen frei? Für Ebba Tove Elsa Nilsson alias Tove Lo aus Stockholm vielleicht?
Das endgültige Urteil muss nach dem mehrfachen Testhören von „Queen Of The Clouds“ erst einmal aufgeschoben werden. Denn das Ergebnis fällt recht zwiespältig aus. Ein „Ja“ zu den Erfolgsaussichten, aber nur ein „Hm, äh, vielleicht“, was die Substanz angeht. Kommt vielleicht davon, dass die Künstlerin bislang vor allem als Auftragsschreiberin für Britney Spears, Girls Aloud oder Icona Pop tätig war. Und Miley, Katy, Ellie & Co. stehen schon Schlange.
Denn man muss anerkennen: Diese Frau kann eingängige Songs schreiben und diese, zusammen mit ihrem Produzententeam, auch satt aufnehmen. Da sitzen die (elektronischen) Sounds und Beats, alles passt, wackelt und hat Luft. Wer mit modernem Chartspop etwas anfangen kann, wird womöglich begeistert sein. Kritischere Geister dürften das aber etwas anders sehen, denn ein Alleinstehungsmerkmal, auch stimmlich, muss man derzeit noch mit der Lupe suchen. Und bis auf ein paar wirklich feine Songs ist das doch zu viel Stangenware hier. – 6 von 10 betanzten Abrissbirnen
P.S. Tove Lo live: 09.04. Berlin
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