Vier enorm unterschiedliche Platten liegen heute auf unserem Teller. Elektronische Musik in verschiedensten Facetten (und mehr). Dreimal gelungen, einmal leider nicht.
Wir beginnen mit einem Debütalbum. Dem von Antonio de Spirt, der sich La Boum Fatale nennt (das andere Bandmitglied, Alexander Trattler, ist ausschließlich für die Visuals zuständig) und sich ordentlich Zeit für „Holygram“ genommen hat. Schließlich erschienen bereits vor knapp vier Jahren erste Tracks von ihm (die Maxi „AAA“ und die EP „Damwild“, keiner dieser Tracks ist übrigens auf dem Album vertreten), die aufhorchen ließen.
Doch de Spirt experimentierte erst einmal entspannt weiter, machte sich auch als Remixer (u.a. für Hundreds und Me And My Drummer) einen Namen und liefert nun ein vielseitiges Elektronik-Album ab, das vom Open-Air-Rave über Dubstep, poppige Ausflüge und experimentellere Soundwanderungen eine ziemliche Bandbreite entwickelt.
Dabei gelingen dem zwischen Berlin und Hamburg pendelnden Künstler so einige memorable Tracks. Stimmungsvoll durch die Landschaft fahrende oder auch ordentlich den Bass massierende Instrumentale wie „Johnny Blitz“, „Handpagode“ oder „Wittenberge“, aber auch poppigere Stücke mit Gesangsunterstützung von Asbjørn („No Tongue In Cheek“), Rue Royale („He Just Might“) oder Andreas Bonkowski („Walls“), und alles ist durchweg beeindruckend druckvoll produziert. – 8 von 10 Boumboxen
Anohni hat zuletzt einige wichtige Entscheidungen getroffen. Einmal möchte die Künstlerin endgültig als Sie und nicht Er angesprochen werden (möchte sie eigentlich schon länger) und somit als Anohni und nicht mehr Antony Hegarty (das & The Johnsons fällt wohl auch endgültig weg). Und zum Zweiten widmet sie sich nach vereinzelten erfolgreichen Ausflügen, u.a. mit Hercules & Love Affair bei deren grandiosem Hit „Blind“, nun so richtig der elektronischen Musik.
Dafür hat Anohni sich für „Hopelessness“ zwei der derzeit gefragtesten Elektronik-Produzenten an Bord geholt, Hudson Mohawke und Oneohtrix Point Never. Trotzdem klingt das Album weder nach Chartanbiederung noch nach Experimentalchaos, sondern eben nach Anohni in elektronischem Gewand. Und diese Platte bietet Futter für Herz, Kopf und Beine, mit uplifting Sounds und im Gegensatz dazu abgründig düsteren Texten.
Da wird zu pompösen Sounds „Drone bomb me, blow me from the mountains and into the sea“ gefleht („Drone Bomb Me“), der Welt in aller musikalischen Eingängigkeit das Verbrennen an den Hals gewünscht („4 Degrees“), zu fluffigem Electropop die Todesstrafe thematisiert („Execution“), dem scheidenden US-Präsidenten in einem Rudiment von einem Song verbittert Versagen vorgeworfen („Obama“) und später zu wunderbarer Melodie erneut zum Dronenkrieg zurückgekehrt („Crisis“). Ein wichtiges Album! – 9 von 10 eingerissenen Grenzen
P.S. Anohni live: 28.06. Berlin, 29.06. Köln
Seit 2007 beackern Yeasayer nun schon ihre ganz eigene musikalische Furche. Mit Mut zum stetigen Durcheinanderwürfeln von allerlei Stilen. Monokultur ist ja auch ungesund. Und immer wieder fielen grandiose Hits wie „Ambling Alp“ (auf „Odd Blood“) oder „Reagan’s Skeleton“ (auf „Fragrant World“) dabei ab. Nun also Album Nummer Vier, bei dem schon Plattencover & Artwork ganze Kunstklassen stundenlang beschäftigen können.
Aber auch musikalisch ist der Fächer auf „Amen & Goodbye“ wieder ganz weit offen. Und schon die Aufnahmen verliefen abenteuerlich: Im Studio wurde auf einer abgelegenen Farm in den Catskills wild experimentiert – bis Sturm und Gewitter einen Großteil der Aufnahmen zerstörten. Doch die unermüdliche Band nahm einfach die gebliebenen Fragmente mit nach Hause und verdrehte sie mit Hilfe von ein paar Studioprofis wie Joey Waronker noch weiter.
Am Ende kam das Album nun leider nicht bei allen Kritikern so gut an, was schade ist, denn auch auf diesem Album zeigen Yeasayer oft genug ihre Klasse, auch wenn es sich aufgrund einiger schwächerer Songs in der Mitte insgesamt knapp hinter den beiden starken Vorgängern einreiht. Mit „I Am Chemistry“ ist wieder ein epischer Hit dabei (mit angemessen genialem Video, s.u.), „Silly Me“ geht bestens ins Ohr, „Gerson’s Whistle“ ist auch ohne Pfeife unwiderstehlich und „Cold Night“ sollte man sich auch ruhig mehrmals anhören. – 7 von 10 Elektrokräutermischungen
P.S. Yeasayer spielen beim Hurricane & Southside Festival (24./25.06.).
So, es wurde ja anfangs noch ein Fall von nicht gelungen angekündigt. Und der betrifft nun leider das neue Album von Anthony Gonzalez alias M83. Das hätte man nach dem opulenten „Hurry Up, We’re Dreaming“ mit „Midnight City“, diesem Synthiepop-Hit für die Ewigkeit, sowie jeder Menge gelungener Kooperationen und Remixe (Depeche Mode, Goldfrapp, Jean-Michel Jarre u.v.a.) nicht erwartet.
Aber es ist so. „Junk“ macht seinem Namen leider alle Ehre. Gonzalez hatte das Ziel, so viele Musikstile wie möglich unter einen Hut zu bringen. Versucht hat er es definitiv auf diesen 15 Tracks – und er scheitert damit grandios. Stattdessen wird der Hörer völlig zwischen inkohärenten Teilen hin- und hergerissen.
Da gibt es immer wieder einen erhellenden Popmoment, den dann aber kurz darauf z.B. Steve Vai (einer von zu vielen Gästen) mit einem Gniedelsolo vernichtet oder eine käsige Synthie- oder Saxofonorgelei in den Schmalztopf drückt. Das hier kann nicht mal mehr Susanne Sundfør retten, es bleiben am Ende lediglich drei, vier gute Songs und eine große Enttäuschung. – 4 von 10 Überflüssigkeiten
P.S. M83 spielt beim Melt! (15.07.)
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