Unser zweiter Soundcheck in diesem Jahr widmet sich letztmals (vor dem allerletzten Querbeats-Roundup) dem vergangenen Jahr. Diese drei Alben haben es aber auch verdient, etwas ausführlicher besprochen zu werden.
Wenn unsereins mit 70 Jahren noch so aktiv sein sollte wie Jean-Michel Jarre, na dann herzlichen Glückwunsch! Der Meister hat derzeit einen kreativen Lauf wie … möglicherweise kaum je zuvor und im Jahr 2018 daher schon wieder gleich mehrere Veröffentlichungen gefeiert.
Nach den beiden großartigen „Electronica“-Alben, in denen er mit zahlreichen großen Namen der elektronischen Musik gearbeitet hat (und auf deren durchaus zu erwartende Fortsetzung wir uns jetzt schon freuen), und der „Oxygene“-Fortsetzung „Oxygene 3“ gab es zunächst das große Jubiläum „Planet Jarre – 50 Years Of Music“ – mehr dazu hat der Kollege Henning hier geschrieben. Und nun wird, pünktlich zum 40-jährigen des Originals, auch „Equinoxe“ weitergeführt.
Auf „Equinoxe Infinity“ gibt es keinen alten Wein in neuen Vinylrillen, sondern ein komplett neues Album, auch wenn es sich natürlich an den klassischen Sound anlehnt. Vor allem jedoch wird das Thema der „Watchers“ wieder aufgegriffen, das ja so aktuell ist wie nie, das Jarre live stets visuell beeindruckend umsetzt und das auch zu zwei verschiedenen, prächtigen Albumcovern geführt hat, die Zukunft kann schließlich so und so ausgehen. Musikalisch gibt es Sphärisches, Jarretypisches, einen kurzen Fehltritt in der Mitte, vor allem jedoch hintenheraus (ab Track 7) viel Klasse. Er kann es halt immer noch. Mehr von Monsieur Jarre in Kürze in unserem Interview. – 7 von 10 Ferngläsern
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Kürzlich im Prince-Charles-Club in Berlin. Die Quasi-Schwimmbad-Location ist schick, die übertrieben tolerante (und illegale) Raucherpolitik allerdings zum Kotzen. Aber egal, wichtiger ist, dass Thomas Azier auftritt. Zwei tolle Alben („Hylas“, 2014, und „Rouge“ vom vorigen Jahr) im Gepäck und hochmotiviert, das Publikum auch bereits vom neuen Material zu überzeugen.
Der junge Mann hat sich nämlich gängigen Veröffentlichungsstrategien verweigert und bringt schon ein reichliches Jahr nach dem letzten sein nächstes Album „Stray“ heraus, davon spielt er an diesem Abend gleich eine ganze Menge Stücke. Und diese überzeugen wie die Performance des charismatischen Weltbürgers (der Niederländer, der lange in Berlin lebte, hat sich mittlerweile in Paris niedergelassen, das neue Album entstand aber mehr oder weniger auf Weltreise), selbst Konzertbesucher, die aus Neugier mitgekommen sind und den Künstler vorher gar nicht kannten, sind hinterher Fans.
„Stray“ ist aber auch erneut ganz wundervoll geworden. Wieder mit deutlich mehr Elektronik als auf „Rouge“ (was ja letztendlich auch sehr elektronisch war, mehr dazu in unserem Interview hier und hier) aber auch nicht vergleichbar mit dem Debüt. Drei für sich stehende Alben eben. Und Songs kann der schreiben! Aber da wiederholen wir uns. Hier seien vor allem das hymnische „Echoes“, das sich von Pianoballade zu Synthieeuphorie steigernde „The Girl Beneath The Lion“, der Ohrwurm „Vertigo“, das von wilden Beats getriebene „White Horses“ und das groovige und seinem Namen alle Ehre machende „Hymn“ (inklusive der fantastischen Überleitung vom vorhergehenden „Smoke“) erwähnt. – 9 von 10 Streunern mit Keyboard
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P.S. Thomas Azier live: 07.05. Wien, 08.05. München, 09.05. Zürich
Zu guter Letzt noch einer dieser verspäteten Geheimtipps, die wir auf keinen Fall für uns behalten können. Wer einmal live einen dieser kunstvollen bis schrägen Liveauftritte von Agar Agar gesehen hat (z.B. auf dem Pop-Kultur Festival Berlin), der behält Clara Cappagli and Armand Bultheel sicherlich in Erinnerung.
Schon auf ihrer ersten EP („Cardan“, 2016) gefiel das französische Duo mit herrlich schamlosen Retro-Synthiesounds, Italopop-Einsprengseln und schrägen Gesangseinfällen. Bis zum Debütalbum The Dog And The Future hat es dann noch mal zwei Jahre und einige Tourdaten gedauert – aber das Warten hat sich definitiv gelohnt.
Die Charakteristika wurden beibehalten, aber es gibt doch Verschiebungen im Detail. Das Album ist beispielsweise weniger tanzbar als die EP. Man hat stattdessen noch mehr auf den analogen Gerätezauber gesetzt (himmlische Synthies!), sozusagen den Kraftwerkanteil erhöht. Was dem Album als Gesamtkonzept gut tut. Und auf Hitmaterial wurde trotzdem nicht verzichtet („Sorry About The Carpet“, „Fangs Out“, beide übrigens mit schicken Videos, auch „Shivers“ hat großes Potential). Sollte man sich nicht entgehen lassen! – 8 von 10 Rotweinflecken
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P.S. Agar Agar spielen am 22.02. in Köln.