L’Âme Immortelle, Skyla Vertex, REAPER, Nachtmahr. Klingt nach vielen Fremdwörtern, nach Synthesizern, irgendwie nach Musik und auch nach jeder Menge Arbeit. Was haben all diese musikalischen Projekte gemeinsam? Richtig, Gregor Beyerle, Live-Musiker und Produzent, hat bei allen seine Finger irgendwie mit im Spiel. Wer mehr über Musikproduktion, dem Suchen von falschen musikalischen Vorbildern und blaue Sneaker, die zu einem Farbkonzept wurden, wissen möchte, der sollte unbedingt die Antworten des selbsternannten „musikalischen Inseltalents“ lesen.
Hallo Gregor. Klassischer Frageeinstieg: Was steht denn musikalisch so demnächst bei dir auf dem Plan?
Ich spiele am 13.2.2015 mit REAPER in der Matrix, am 14.2.2015 geht es mit L’Âme Immortelle in die Schweiz und am 15.2.2015 feiere ich meinen Geburtstag. Wobei letzteres nur bedingt mit der Musik zu tun hat. Aber ich feiere meinen Geburtstag nun schon zum dritten Mal auf einer Bühne, dieses Mal feiere ich auch wieder praktisch „on stage“ in meinen Geburtstag rein. Das verfolgt mich irgendwie. Vor zwei Jahren stand ich an meinem Geburtstag in St. Petersburg auf der Bühne und im letzten Jahr in Bochum.
Ich hoffe Thomas Rainer (Nachtmahr, L’Âme Immortelle) backt dir persönlich einen Geburtstagskuchen, wenn du an dem Tag schon mehr oder weniger arbeiten musst. Thema Bands: Du hast ja schon eine Weile gar nichts mehr mit deiner eigenen Band „Skyla Vertex“ gemacht. Jetzt muss ich aber erstmal nachfragen, wie man denn auf so einem Bandnamen kommt.
Das ist eigentlich eine ganz witzige Geschichte. Mein Bandkollege hat den ersten Namensteil „erfunden“. Er befasst sich viel mit skandinavischem Metal und kam mit dem Wort „Skyla“ um die Ecke. Das heißt aus dem Schwedischen übersetzt so viel wie „verhüllen, verbergen, verstecken“. Und das Wort „Vertex“ hat mich immer irgendwie fasziniert. Ich kann gar nicht richtig sagen warum. In der Geometrie ist „Vertex“ ja der Wendepunkt und somit passte das dann alles auch ganz gut zu unserem musikalischen Konzept. Wir hatten damals Bock auf EBM mit Tiefgang, der sich also gerade textlich von Bands des Genres abheben sollte. Von daher passt die Übersetzung des Bandnamen in „versteckte Veränderung“ oder „verborgene Wende“ auch gut zu unserer Musik, weil deren innovatives Element nicht sofort ins Auge fällt – der Text findet meist erst beim zweiten oder dritten Hören wirklich Beachtung.
Wie läuft es denn musikalisch derzeit sonst so bei dir?
Ich bin seit einem Jahr mehr als Produzent tätig, statt mich wirklich eigener Musik zu widmen. Ich habe 15 verschiedene Songs aus einer Zeitspanne von fast 20 Jahren für L’Âme Immortelle neu arrangiert und produziert. Frei nach dem Motto „Gitarren raus, Synthies rein“ und das kam bei den Leuten gut an. Übrigens auch bei unseren Russland-Konzerten letztens, und das, obwohl die dort ja eher auf die gitarrenlastigen LAI-Songs abfahren. Ansonsten habe ich einige Produktionsaufträge für verschiedene Bands angenommen, mache Remixe und arbeite mit Vasi Vallis (NamNamBulu, Frozen Plasma, REAPER) zusammen am neuen REAPER-Album.
Wie ist die Zusammenarbeit so, wenn zwei kreative Köpfe aufeinander treffen? Gibt es Stress? Mögt ihr euch noch? Oder treibt ihr euch schon gegenseitig in den Wahnsinn?
Ganz im Gegenteil. Vasi ist ein überkreativer Typ, der mir aber auch viele Freiheiten lässt. Es läuft eher so, dass er mir Melodien und Demos gibt und ich die dann ausproduzieren darf. Bei uns herrscht sozusagen gerechte Arbeitsteilung.
Das klingt mir ja fast ein bisschen nach Bromance, gerade weil er dich auch immer so lobt.
Naja, ein bisschen Bromance ist das schon (lacht). Aber im Ernst, es ist eine Ehre mit Vasi zusammen zu arbeiten. Er weiß genau, was man braucht, um einen Hit zu schreiben. Wirklich genial. Trotzdem ist er einer der bodenständigsten Menschen, die ich kenne.
Ich habe die neuen Promo-Bilder gesehen mit den blauen Outfits. Wer kam auf die Idee, blau als Konzeptfarbe auszuwählen?
Die Geschichte begann damit, dass unsere Fotografin Verity Vian meinte, wir sollten Bilder mit einem wiedererkennbaren Farbschema machen, welches auch zum neuen Bandkonzept passt. Wir machen ja seit Ende 2012 eher DJ-Sets als Auftritte mit Mönchskutte und Maske. Und als DJ trägt man halt eher normale Klamotten. Nun sind normale Klamotten aber auch langweilig und man braucht da schon irgendwas, was Aufmerksamkeit erregt – da fielen mir meine blauen Sneaker wieder ein, die ich vor einiger Zeit gekauft hatte. Ich habe Vasi angerufen und gefragt, ob er ein paar blaue Turnschuhe, ein blaues Hemd und eine schwarze Hose hat und er hat „ja“ gesagt. Somit hatten wir dann ein Farbschema, was noch keiner in der Szene benutzt hat, was zu den DJ-Sachen passt und trotzdem zeigt, wo wir herkommen. Ich mag blau und schwarz als Farbschema, weil das nicht so knallbunt ist und trotzdem markant.
Wann gibt es denn eigentlich was aus eurer gemeinsamen Arbeit zu hören?
Ich denke mal, das wird in der ersten Hälfte von 2015 sein. Ob es nun direkt ein Album oder erstmal eine Single-Auskopplung wird, ist aber noch offen.
Nun verbringst du wirklich so viel Zeit mit L’Âme Immortelle und REAPER. Bist du ein bisschen traurig, weil du derzeit mehr an anderen Projekten bastelst als an deinem eigenen?
Traurig wäre übertrieben, es kommt sicher wieder die Zeit, wo ich mich „Skyla Vertex“ widmen kann. Ich sehe es eher als mein Glück, die Chance bekommen zu haben, als Produzent im Studio arbeiten zu dürfen und dabei tatsächlich auch was zu erwirtschaften. Und Glück ist wirklich das richtige Wort dafür, denn ich kann seit ca. einem Jahr ausschließlich von der Musik leben, was vorher nicht der Fall war und auch keinesfalls mehr der Standard ist. Die Musikbranche ist nicht mehr so, dass man wirklich Geld als Musiker verdienen kann, vor allem dann nicht, wenn du viel im Studio sein willst. Du musst dann zwei Drittel des Jahres touren oder auf die Minimalchance des großen Durchbruchs hoffen. Wenn noch jemand Geld im Studio verdient, dann wohl der Produzent und das aber auch nur, weil es Musiker gibt, die noch großen Wert auf Qualität legen und diese auch bezahlen. Die einzigen, die wirklich noch was für Alben ausgeben, sind doch die Musiker selber.
Du hörst ja nun den ganzen Tag Musik. Mal fertige Sachen, mal Demos, mal Remixe. Wenn du nicht im Studio bist, was hörst du denn dann für Bands?
Ich höre viele Sachen außerhalb der Szene. Das finde ich wichtig, denn wenn wir als Musiker immer nur Sachen unseres Genres hören, können wir uns nicht weiterentwickeln. Dann werden in 20 Jahren immer noch die selben Drum- und Basslines benutzt und das hilft wirklich keinem weiter. An neueren Releases wie Shiv-R’s „Wax Wings Will Burn“ hört man, wie Stilmittel aus Dubstep, EDM usw. „unsere“ Szene bereichern können.
Höre ich da ein bisschen Kritik raus?
Natürlich. Ich bin nicht einer, der sagt „Wir müssen nur unsere eigenen Bands hören“. Ganz im Gegenteil. Ich habe mal einen Remix für Orange Sektor gemacht, eine EBM- Band, und ich habe Dubstep-Einflüsse mit eingebracht. Das kam gut an, weil das was Neues und frisches in den Oldschool-Sound brachte. Szenemusik muss definitiv mit moderner Musik mithalten können, sonst hören wir in 20 Jahren immer noch Nitzer-Ebb-Coverbands und bekommen dann ein echtes Generationenproblem – denn mit ewig gestrigem Sound bekommen wir keinen Nachwuchs.
Gib mir doch mal ein Beispiel dafür, was die Arbeit als Produzent für dich interessant macht. Was sind tolle Anfragen und was langweilt dich?
Nehmen wir mal an, es kommen zwei Leute zu mir. Der eine sagt mir, er möchte, dass seine Musik wie Agonoize klingt. Da denke ich mir, okay, mache ich. Aber das ist keine wirkliche Erfüllung. Wenn dann ein Zweiter zu mir kommt und sagt „Ich möchte, dass meine Musik die Stimmung eines grauen Novembertages widerspiegelt“, dann kann ich damit viel mehr anfangen. Man ist damit nicht so kreativ eingeengt und man tut etwas Gutes für die Musikwelt, weil man etwas neues erschaffen kann und nicht irgendeine Kopie auf Biegen und Brechen erstellen muss.
Cooles Interview
Der Gregor macht coole Remixes. Hoffentlich kommen noch mehr davon.