Um das 30-jährige Jubiläum von „Wild!“ mitzufeiern, hat unser Redakteur Janos Janurik drei Beteiligte des Projektes zum Interview eingeladen – hier könnt ihr sein Gespräch mit Gareth Jones nachlesen, der damals einer beiden Produzenten des Albums war.
depechemode.de Gareth, du giltst als hauseigener Produzent von Mute Records. Vor deiner Zusammenarbeit mit Erasure hast du mit renommierten Mute-Künstlern wie Depeche Mode, Wire und Nick Cave kooperiert. Wie erinnerst du dich an das erste Treffen mit Labelchef Daniel Miller und an die Studioarbeit in Berlin mit Depeche Mode auf ihrem „Construction Time Again“-Album?
Gareth Jones: Ich habe diese Geschichte schon mehrmals erzählt, also werde ich mich kurz fassen: Ich wurde von meinem Freund und Mentor John Foxx mit Daniel Miller und Depeche Mode bekannt gemacht. Er besaß ein Studio namens „The Garden“ in Shoreditch in East London, und Daniel und Depeche Mode waren daran interessiert, dort ihre Platte aufzunehmen. Ich arbeitete damals für John und er schickte mich in das Mute Records Büro, das sich damals am Kensington Gardens Square in West-London befand, um das gesamte Team zu treffen. Ich war ein wenig nervös, aber sie waren alle super nette und normale Leute, und angenehm seltsam. Zum Glück für mich fühlten sie sich auch bei mir wohl und boten mir den Job an.
dm.de: Wie kam es zu der Anfrage, Erasures „Wild!“-Album zu produzieren? Hattest du schon einmal Kontakt mit Vince Clarke und Andy Bell?
GJ: Bevor wir anfingen, an dem „Wild!“-Album zu arbeiten, kannte ich Vince oder Andy nicht sehr gut. Für diese Platte hatten sie sich entschieden, dafür zu sorgen, dass Andy genügend Zeit hatte, an seinem Gesang zu arbeiten. Sie waren auf der Suche nach jemandem, der den Gesang entwickelt und produziert. Ich hatte bereits in Berlin mit der unglaublich talentierten Diamanda Galas gearbeitet. Sie hatte Andy ein paar Mal getroffen, glaube ich (ich weiß nicht wo), und sie war so freundlich, ihm meine gesanglichen Produktionsfähigkeiten zu empfehlen. So schloss ich mich also dem Team an.
dm.de: Wie war die Zusammenarbeit mit ihnen im Vergleich zu Depeche Mode?
GJ: Dies war ein ganz anderer Prozess als die Arbeit mit Depeche Mode. In erster Linie wurde ich angeheuert, um Andys Gesang aufzunehmen und zu produzieren. Vince war in einem anderen Studio mit dem anderen Koproduzenten der Platte, Mark Saunders. Wir waren im Church Studio und ich glaube, Mark und Vince waren in den Swing Studios. Die Studios befanden sich beide im Norden Londons, so dass wir oft Treffen abhalten konnten, und wir tauschten ständig musikalische und vokale Ideen aus. Als es um das Mischen ging, wurde entschieden, dass Mark und ich beide das Album mischen würden. Ich habe in der Kirche gemischt und Mark im Konk. Wir waren alle entschlossen, das Beste aus den Songs herauszuholen, also pushten wir uns alle gegenseitig, unser Bestes zu geben. Wie ein Sound-System-Wettbewerb. Ich erinnere mich, dass die erste Single „Drama!“ zwischen unseren beiden Studios ein paar Mal hin und her ging! Schließlich waren wir alle glücklich.
dm.de: Gibt es Favoriten von diesem Album, auf die du heute noch stolz bist?
GJ: Die ganze Platte war eine erstaunliche Erfahrung. Vince und Andy sind so starke Songwriter, talentierte Musiker und rundum wunderbare Menschen, dass es ein echtes Vergnügen und Privileg war, Teil dieser großartigen Platte zu sein. Ich liebte den ganzen Prozess und habe eine besondere Vorliebe für „Drama!“ und „Blue Savannah“.
dm.de: Du warst nicht nur als Produzent am Projekt „Wild!“ beteiligt, sondern auch als Remixer, ein Beispiel ist der „Syrinx Mix“ von „You Surround Me“, der zu meinen Favoriten gehört. Hast du einen Lieblings-Remix aus Erasures Diskographie, an dem du besonders gerne gearbeitet hast?
GJ: Ich habe zwei Remixe von „Blue Savannah“ gemacht („Der Deutsche Mix 1 & 2“), in Berlin mit meinen Freunden Sun Electric – Stephan Fisher, Max Loderbauer und Tom Thiel. Das hat mir wirklich Spaß gemacht – sie sind alle so musikalisch, kreativ und professionell. Es war wirklich eine fantastische Erfahrung.
dm.de: Nach dem „Wild!“-Album hattest du zahlreiche Koproduktionen mit Erasure – darunter hast du an einem meiner Lieblingsalben von ihnen gearbeitet, am selbstbetitelten „Erasure“. Und wie sieht es bei dir aus? Hast du ein Lieblingsalbum von Erasure?
GJ: Das erste Album, „Wild!“ liegt mir sehr am Herzen. Ich liebe auch das Album „Erasure“. Es war so ein Vergnügen, mit meinem Freund Thomas Fehlmann als Co-Produzent auf dem Album zu arbeiten, und er hat so viel in das Projekt eingebracht. Ich war so glücklich, dass Diamanda zugestimmt hat, eine Gaststimme auf der Platte zu geben. Wir hatten auch das Vergnügen eines tollen LP-Mixes von Francois Kevorkian.
dm.de: Zum „Wild!“-Album gehörte auch eine ausgedehnte Welttournee. Hast du Erasure damals live gesehen? Wenn ja, wo? Was hältst du von ihnen als Live-Act?
GJ: Ich habe die „Wild!“-Tour in Hamburg gesehen, glaube ich. Ich habe meine Eltern eingeladen, mitzukommen. Die Show war unglaublich. Ich bin immer wieder beeindruckt von den Erasure-Liveshows. Die Liebe zwischen der Band und dem Publikum ist so greifbar und berührend. Andy ist eine unverschämt talentierte Frontperson, und Vince ist immer Mr. Cool. Was für eine tolle Kombination!
dm.de: Woran arbeitest du derzeit und was sind deine Pläne für die Zukunft?
GJ: Ich schreibe und nehme gerade ein Solo-Elektronik-Musikprojekt und eine neue Zusammenarbeit auf, von der ich sehr begeistert bin. In diesem Jahr werde ich auch eine neue LP für das Projekt „Spiritual Friendship“ schreiben und veröffentlichen – eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem erstaunlichen Nick Hook. Ich produziere auch ein aufregendes und angenehm seltsames elektronisches Pop-Album mit amerikanischen und europäischen Musikern für ein neues Projekt namens „Of Love And Lust“. Ich werde noch im Laufe des Jahres in Yann Tiersens fantastisches neues Studio auf der Insel Ushant (Ouessant) zurückkehren und ihm bei einer neuen Aufnahme helfen.
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